tung aber sind zwei Monumente aus dem Anfang und der Mitte der zweiten
Hälfte des 15. Jahrhunderts, jener zusammen mit dem ersten Drittel des 16.
Jahrhunderts überaus reichen künstlerischen Periode deutscher Geschichte, in der
nächst dem 13. Jahrhundert eine unvorstellbare Vielfalt an bedeutenden und
eigenwilligen Talenten, doch, was mehr ist, begnadeten, groß angelegten Naturen
erwuchsen. Es war dies die Zeit der sogenannten „Altdeutschen“, die die Roman—
tik sehr ideal schaute und zu Recht als einen wesentlichen, besonders bezeichnenden
Abschnitt deutscher Kunst erkannte, wo die völkische Seele viele ihrer schönsten
Blüten trieb. Dieser reichen Zeit also gehören auch jene beiden Denkmäler an,
von denen hier im besonderen die Rede ist: das Hochgrab der Gräfin Elisabeth,
gest. 1456, ein hervorragendes Werk deutscher Bildnerei und das Hochgrab des
Grafen Johann, gest. 1472, mit seinen beiden Frauen, das das künftlerifch wert—
oollste in der ganzen Kirche ist.
Das Elisabeth⸗Hochgrab hat eine Sandsteinplatte über hohem Sockel. Der Sockel
ist an den Ecken durch Pfeiler betont. An den im übrigen schlicht belassenen
Längsseiten hängen die Wappenschilde, wie an Riemen aufgehängi. Die Wich—
tigkeit der Sippensymbole kommt so sprechend zum Ausdruck. Der abgeschrägte
Plattenrand trägt eine von Blumen und Fratzen durchbrochene Minuskelschrift.
Die unterbrechenden Ornamente deuten auf eine letzte Schönheit und Frucht⸗
barkeit des menschlichen Daseins. Ueber der Platte ist ein Leichentuch gebreitet,
auf ihm ruht in fast vollplastischer Form die Gräfin, deren Leib ein von schweren
Falten durchbrochenes, langes Gewand einhüllt. Sie liegt mit betend erhobenen
Händen, in absichtsloser Schönheit, mit dem umschleierten Haupt, dessen slilles
Antlitz den inneren Punkt der ganzen Komposition bildet, auf Kissen gebettet,
unter den Füßen den Hund als das Symbol der Treue. Das Tier atmet Leben.
Das Werk gemahnt an den großförmigen, weichen Stil des ersten Drittels des
Jahrhunderts, als sich seine immer wieder neu geformte Weise im ganzen
Reich durchgesetzt hatte, der die baldige spätere erregte, sinfonisch daherbrausende
Formgebung des endenden Jahrhunderts noch kaum anzumerken war.
Das Hochgrab des Grafen Johann ist Sandsteingeschichtet. Es wurde farbig er⸗
neuert. Da es ursprünglich frei im Chore stand, hängen vorn die Wappen. An
den Seiten waren Inschrifttafeln, deren zwei man spaͤter an die Wände hängte.
Einem Gebirge nicht unähnlich, lasten die drei Gestalten, der Graf in der Mitte,
seine Frauen zu beiden Seiten, auf dem Unterbau. Auch ihre Hände sind gefaltet
erhoben. Prachtvoll ist der Gegensatz zwischen der Rüstung des Mannes und
dem Gewandfluß bei den Frauen. Die Gleichheit des Motivs ist von monumen⸗
talem Eindruck. Die Toten ruhen auf ausgebreitetem Tuch über einfacher Platte.
Das markante Gesicht des Grafen umgibt freies Haar. Seine Rüstung ist bis ins
letzte Detail durchgearbeitet, was überhaupt für das Ganze bezeichnend ist. Das
Gleiche gilt für die Gewänder, Hauben, Schleifen der Frauen. Am Kopfende des
Mannes stehen zwei Engel, Schild und Helm haltend, oberhalb der Frauen
kniet je ein Leuchterengel. Man wird an den Holzschnitt der Zeit erinnert. Die
sachliche, allen Einzelheiten liebevoll nachgehende Gestaltung ist hier besonders
auffallend. Zu Füßen des Grafen liegt ein Löwe als Symbol des Dämonischen,
das der ritterliche Mensch bekämpfte. Zu Füßen der Gräfinnen finden sich wie—
derum die Hunde. Das großartige Denkmal, das zu den bleibenden Werken der
Großplastik des ausgehenden deutschen Mittelalters gehört, ist innerlich jener
kulturgeschichtlichen Bewegtheit verbunden, die man als „niederländische Welle“
bezeichnet hat. Diese wurde von Männern getragen, die von der exakten Darstel⸗
lungsweise des Nordwestens angezogen wurden. Hierbei handelt es sich um eine
mehrfach, auch auf sonstigen Gebieten des deutschen Geisteslebens, anzutreffende
Ausstrahlung des niederdeutschen Raumes ins Reich.
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