handeln. Ich bin mir dabei wohl bewußt, daß eine solche Be—
trachtungsweise der Wirklichkeit Gewalt antut, indem sie aus—
einander reißt, was zueinander gehört, und bei den innigen
Wechselbeziehungen zwischen diesen drei Wurzeln desselben
Baumes zu Wiederholungen nötigt. Besonders gilt dies von den
beiden ersten Fragen. Die preußische Verfassung war keine rein
preußische Angelegenheit, sie war eine deutsche insofern, als ein
konstitutionelles oder demokratisches Deutsches Reich ohne
gleichartige Verfassungen seiner einzelstaatlichen Glieder undenk—
bar erschien. Stark trat dieser deutsche Gesichtspunkt auch in
unserer Gegend hervor. Bei Beginn der Revolution betrachteten
sich die St. Johanner und Saarbrücker als Bürger deutscher
Städte, und nur die Beamten scheinen damals gewußt zu haben,
daß sie ihren Treueid dem preußischen König und nicht dem im
Kyffhäuser träumenden Barbarossa geleistet hatten. Ich hoffe,
für den Nachteil, den eine isolierte Behandlung nach sich zieht,
wie gesagt, durch eine größere Uebersichtlichkeit entschädigen zu
können.
Die preußtzische Verfassung.
Die Wünsche, die man im Saarrevier hinsichtlich ihrer Neu—
gestaltung hegte, fanden ihren bestimmten Ausdruck in folgender
Adresse, die von den Gemeinderäten der Städte Saarbrücken
und St. Johann am 16. März 48 einstimmig beschlossen und
bon 742 Bürgern mituntergeichnet, an den König abging:
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Noch einmal hat die Weltgeschichte ihr Richteramt geübt; noch
einmal hat sie die große Lehre verkündet, daß nicht Wälle und
Bajonette, sondern die Herzen des Volkes das Bollwerk der
Regierungen sind. Eine Revolution von 3 Tagen hat genügt,
um eine verblendete, egoistische Regierung in Frankreich zu
vornichten.
Der Deutsche kann sich freuen über den Sieg seines Nachbar—
volkes; er kann die Mäßigung bewundern, mit der dieses Volk
bis heran sich selbst beherrscht. Allein die Vorsicht, die Liebe
zum eigenen Vaterlande gebieten ihm, gerüstet und stark zu
sein, wenn die einmal vorhandene Bewegung überfluten und
einen einzigen Fuß breit von den Grenzen unseres deutschen
Vaterlandes gefährden, streitig machen wollte.
Aber — Glied eines großen, in Einigkeit unbezwinglichen
Volkes, — sieht sich der Deutsche vergebens nach einer gemein—
—
gebens nach einem Bande. welches die Kraft der einzelnen
Glieder verbände, denn
„Der hohe deutsche Bund, — so spricht ein deutscher
Fürst, — hat die gerechten Erwartungen der Nation
auf nationale Geltung nicht erfüllt“;
es ist betrübend, aber wahr; ihm fehlt das Vertrauen der
Nation, und die tiefe Kluft, die er durch seine Tätigkeit, wie
durch seine Untätigkeit während 33 Jahren zwischen sich und