Full text: Der Bergmannsfreund (45.1917)

Nr. 14. 
Tagesneuigkeiten. 
Werlin, den 22. November 1917. 
* Die beiden verbündeten Kaiser besich— 
igten vorige Woche Görz. Auf der beherrschenden 
Höhe des alten Kastells von Görz gab ein Offizier 
des östereichisch-ungarischen Generalstabs eine zu— 
ammenfassende Überschau über den Verlauf der 
erschiedenen Isonzoschlachten, soweit sie sich um 
»en Besitz von Görz gedreht hatten. Von Görz 
zus machten die beiden Kaiser gemeinsam eine 
Fahrt über den Isonzo in die vorgelagerte Ebene, 
die noch ursprünglich österreichisches Gebiet, aber 
don den Osterreichern gleich beim Kriegsbeginn 
aus strategischen Gründen geräumt war und erst 
jetzt nach jahrelanger italienischer Besetzung durch 
den Durchbruch in den Bergen wieder frei geworden 
st. Üüberall erkennt man, wie endgültig die 
Ztaliener sich im Besitz dieser Gegen— 
den wähnten, an der Anlage ausgezeichneter 
Straßen, prachtvoller Ehrenfriedhöfe für die Gesal— 
lenen und dergleichen, auch an einer Wiederher⸗ 
stellunggarbeit an dem berühmten Dom in der 
alten Stadt Aquileja. Der Abschluß dieser Restau— 
rierung sollte gerade durch ein Fest, in Anwesenheit 
des italienischen Königs, gefeiert werden. 
Von San Remo waren bereits die Palmwedel zur 
Ausschmückung der Kirche herbeigeschafft worden. 
Da erfolgte der Durchbruch der Front, die Italiener 
lüchteten Hals über Kopf auch aus Aquileia, und 
hie Palmwedel von San Remo dienten nun bei 
der feierlichen Messe, die Kaiser Karl im Dom 
jon Aquileja abhielt. Aufs außerste befremdet der 
Anblick der überall vorhandenen, mit größter Sorg— 
'alt, unleugbarem Geschick und verschwenderischen 
Mitteln in jahrelanger Arbeit angelegten, überall 
uus solidem Beton gefertigten Verteidigungs— 
tellungen und Batteriedeckungen, die ganz 
mversehrt, weil unbenutzt, geblieben sind. Kein 
redenderes Zeugnis für den katastrophalen 
Zusammenbruch der italienischen Armee läßt 
ich erdenken als dieses bedingungslose Aufgeben 
solcher Stellungen. — Bei seinem Besuch der U.⸗ 
Bootstation an der adriatischen Küste galt dieser 
Besuch den auf dieser Station befindlichen deutschen 
Unterseebdoten. Den Kapitänleutnant v. 
Arnauld de la Perriöère beglückwünschte 
— 
Auf dieser Fahrt wurde sein aufgetauchtes Boot 
von einem unter Wasser fahrenden feindlichen 
A⸗-Boote mit vier Torpedoschüssen angegrissen. Ver 
erste Torpedo ging imter seinem Boot hindurch, 
der zweite drang darüber hinweg, noch das Deck 
treifend, der dritte und vierte gingen hart vor 
ind hinter dem Boot vorüber. Sodann ließ der 
raiser sich in engstem Kreise durch den Führer der 
)eutschen U-Boote im Mittelmeer, Kommodore 
Püllen, eingehend Vortrag halten über die vor— 
iegenden Aufgaben, die Arbeitsweise und die Erfolge 
uinserer im Mittelmeer arbeitenden U-Boote. Dann 
schritt der Kaiser das Viereck der an Land aufge— 
tellten deutschen Unterseebootsmannschaften ab und 
zielt an sie eine Ansprache, in der er auf die 
vachsende Bedeutung der Tauchbootwaffe hinwies 
ind den deutschen Ü-Booten im Mittelmeer seine 
Freude und Anerkennung aussprach. „Die große 
Tonnenzahl, die im Mittelmeer versenkt worden ist, 
ezeugt, daß die Waffe den auf sie hier gesetzten 
Frwariungen gerecht wird. Der U-Bootkrieg, 
chloß der Kaiser, „wird ausschlaggebend 
nitwirken bei der letzten Entscheidung 
ieses Krieges“. 
Im Preuß. Abgeordnetenhause wurde 
im Donnerstag nach Erledigung einiger kleinerer 
Sachen die Vorlage uͤber die Anderung des Namens 
ind die Erhöhung des Grundkapitals der See— 
jandlung inm erster Lesung beraten. Hierauf 
vurden die vom Herrenhause in veränderter 
Fassung zurückgelangten Entwürfe über Schätzungs⸗ 
imter und Stadtschaften ohne Erörterung 
dem Ausschuß für die Wohnungsvorlage, eine 
Reihe von Anträgen über Erhöhung der 
riegsteuerungszulagen an den Ausschuß 
ür den Staatshaushalt überwiesen. Es entwickelte 
ich dann eine längere Debatte über den Antrag, 
oireffend die Frsoafsfune vdon sSindorn 
Der Bergmannsfreund. 
der Dissidenten vom schulplanmäßigen Reli— 
zions unterricht. Vor dem Schluß der Sitzung 
var noch eine lange Reihe von Berichten über 
Hittschriften kurz erledigt worden. Das Abgeord⸗ 
netenhaus beendete am Freitag die zweite Lesung 
»es Antrags betreffend Freilassung von Kindern 
der Dissidenten vom lehrplanmäßigen Religions— 
interricht. Die ganze Sache mit den zahlreichen 
Zusatze und Abänderungsanirägen wurde an den 
interrichtsausschuß des Hauses zurückverwiesen. 
Im weiteren Verlauf der Verhandlungen erfolgte 
hie Beratung des Gesetzentwurfs betr. den Bau 
eines Dampfkraftwerks bei Hannover, 
veiter über denjenigen betr. die Anrechnung 
des Kriegsdienstes auf das Besoldungs— 
ienstalter der Lehrer und Lehrerinnen an den 
zffentlichen Volksschulen. Daun wurden noch einige 
Anträge und Bittschriften erledigt. In der Sitzung 
om Samstag wurde beraten über die Fischerei— 
inträge, dann folgte der Antrag betr, die Ge⸗ 
vährung des Mitbestimmungsrechts, der 
Ztaatsarbeiter, welcher an eine Kommission 
berwiesen wurde. Erledigung fand noch der 
Antrag betr. das Gemeindewahlrecht der 
Beistlichen, Lehrer, Richter usw. 
* Den Kampfflieger Leutnant Gonter— 
nann hat der Fliegertod durch Absturz ereilt. 
Fontermann, mit dem Pour le mérite und andern 
sohen Orden ausgezeichnet, hat 40 Luftsiege er— 
ungen. Gontermann ist bei den Hanauer Ulanen 
ils Kriegsfreiwilliger eingetreten, ging zunächst zu 
iner Maschinengewehrabteilung und dann zu den 
Fliegern über, als welcher er nun, erst 21 Jahre 
it, unbesiegt, durch eine Maschinentücke für immer 
zu den großen Helden dieses Krieges einberufen 
vorden ist. 
*Der berühmte Natioualskonom Prof. 
Dr. Adolf Wagner ist in Berlin im Alter von 
2 Jahren gestorben. Adolf Wagner war einer 
der Großen, deren Name mit dem Werden der 
neueren deutschen Nationalökonomie verknüpft sind. 
* Des 100. Geburtstages Theodor 
Mommdsens, des berühmten Gelehrten an der 
Berliner Universität, gedenkt am 30. November 
das deutsche Volk. Mommsens „Römische Ge— 
chichte“ lebt für alle Zeiten als ein Born seines 
Vissens. Die Hauptwerke seines Lebens haben 
um Ruhme deutscher Gelehrsamkeit längst einen 
Siegeszug durch die geistige Elite aller gebildeten 
hölker angetreten — sie sind Gemeingut der gan⸗ 
en Kulturwelt geworden. 
* Cadorna, der Generalissimus der 
talienischen Armee, ist von seinem Posten 
nthoben worden. Sein Nachfolager ist General 
Ddiaz. 
Den U⸗Bootkrieg anerkannt hat Nor⸗ 
vegens erster Fachmann für Völkerrecht, 
Professor Gjelswik, der in einem Vortrag u. a. 
ussührte: „Die Engländer hatten kein Recht 
das freie Meer zu blockieren, besonders wenn 
neutrale Länder innerhalb der Blockade liegen. 
Als die Engländer ihre Nordseesperre erließen, 
nußte man darauf vorbereitet sein, daß die 
Deutschen Gegenmaßregeln treffen würden. 
Nan kann nicht darüber hinwegkommen: Die 
deutschen haben das Recht, England mit 
heprefsalien zu antworten.“ 
x Ja, wenn sie einen SHindenburg 
zätten? In der stürmischen Sitzung der 
ranzösischen Deputierlenkammer, in welcher das 
Mimsterium Painlevé zu Fall kam, nachdem 
im Tage vorher Lloyd George bei einem 
Zankett einen die Entente sehr betrübenden Ver— 
Jleich bezüglich der Leistungen der beiden 
riegführenden Staatengruppierungen 
og, wurde über die Schaffung eines „Kriegs- 
auts“ verhandelt. Der Abgeordnete Leymercey 
ragte in der Debatte, was denn eigentlich dieser 
rene Kriegsrat der Ententesein werde. 
Zoll in Zukunft der General Foch für Italien 
der General Pétain den französischen Kriegsplan 
estimmen? Und wenn der General Foch für 
ztalien oder General Sarrail für Mazedonien 
herstärkungen verlange, werde dann Peétain diese 
erweigern können? „Auf der anderen 
646 enhurao 
Seite 115. 
Wo aber ist der Oberbefehlshaber der 
Alliierten? Den Allierten fehlt es an einer 
zemeinsamen Schulung. Wenn die Italiener 
in dem Kampf an der französischen Front teil— 
jenommen häiten, so hätten sie die Kampfesweise 
zer Deutschen kennen gelernt und vielleicht 
eine Niederlage erlitten. Es gibt nur 
wei taktische Methoden: Entweder klopft man 
vie das Wasser des Meeres an den nämlichen 
Felsen. Mit' dieser Taktik gewinnt man einige 
zilometer, ohne den Feind daran zu hindern, daß 
er seinerseits seine Front um wesentlich mehr Kilo— 
neter verkürzt. Diese Taktik hat keine 
Berechtigung mehr, seitdem die rus— 
sischen Armeen nicht mehr in Betracht 
kommen. Die andere Taktik besteht darin, auf 
schwachen Punkten anzugreifen und ganze Pro⸗ 
binzen zu gewinnen. Das ist die Taktik 
des Feindes. Das Beispiel in Italien muß 
als Lehre dienen. Die Zermürbungsoffen— 
sive muß ein für allemal aufgegeben 
werden.“ Wir werden vielleicht Stunden er— 
seben, die noch peinlicher sind als diejenigen bei 
der Schlacht von Charleroi, bevor die Amerikaner 
da sein werden.“ So ist ietzt die Stimmung in 
Frankreich. 
* Japan kommt nicht. Die Entente schaut 
nach allen Seiten um Hilse aus und wartet mit 
Sehnsucht auf die Amerikaner, von denen sich 
hisher nur einige Renomierexemplare eingefunden 
jaben, die mit Pathos, Bankettreden, Funksprüchen 
nn der Heimat und Kinoaufnahmen den ersten 
Schuß in die Gegend abfeuerten, in der sichern 
Meldung nach die damned Germans stehen. 
Aber man hatte auch noch nicht ganz die Hoff—⸗ 
iung aufgegeben, daß die Japaner bereit seien, 
englische Kastanien aus dem Feuer zu holen. 
Dazu sind sie aber gar nicht bereit und verhüllen 
das unter recht durchsichtigen Ausreden. So er⸗ 
lärte der Chef der japanischen Militärmission in 
Rußland, General Takaja, daß er die überführung 
einer japanischen Armee nach dem europäischen 
riegsfchauplaßz für ausgeschlossen halte, da 
diese unter anderem eine vollständige Reorgani⸗ 
ation der für den Krieg im fernen Osten aus⸗ 
zebildeten Truppen erfordern und die japanischen 
kriegslieferungen für Rußland in hobem Maße 
tören würde. 
* Zu dem russischen Friedensaufruf 
macht eine sozialdemokratische Stimme 
'n der Internationalen Korrespondenz einige An⸗ 
nerkungen, aus denen nachstehende Sätze wiederge— 
geben seien: „Wir möchten noch vor der besonderen Illu⸗ 
ion warnen, daß selbst ein Friede mit Rußland schon 
den Frieden überhaupt bedeuten würde. Es 
st nach der ganzen Entwicklung der englischen 
Politik und nach ihren Absichten auf die poli— 
ische Zerstückkung und ökonomische 
düterdrückung Deutschlands nicht daran 
zu denken, daß England auch nur den konti— 
entalen Krieg aufgibt, wenn Rußland sich vom 
driege zurückzieht. Die Entscheidung dieses 
crieges fällt nicht im Osten, sondern im Westen, 
und sie sällt nach der brutalen Art, wie der Ver⸗ 
hand bisher jedes deutsche Friedensangebot abge— 
ehnt hat, und bei all den Hoffnungen, die die 
Verbrecherpolitik des Verbands noch immer auf 
nnere Zwistigkeiten und wirtschaftliche Nöte Deuksch⸗ 
ands setzt, nicht durch ein Entgegenkommen des 
herbandes an den Friedensgedanken, sondern — 
o schmerzlich das auch angesichts eines weiteren 
Bölkermordens sein muß — ausschließlich durch die 
Macht der Waffen. Diese Entscheidung der 
Waffen kann aber nur im Westen fallen, und man 
)arf die größte Zuversicht haben, daß sie auch im 
Westen durch einen umfassenden Sieg der 
»eutschen Waffen herbeigeführt werden 
vird. Dies alles sind gewiß für jeden Menschen⸗ 
reund traurige Feststellungen, aber sie bewahren 
ins vor jeder Illusion, und gerade die deut⸗ 
scheSozialdemokratiesollte sich davor 
hüten, so sehr auch unsere Wünsche sich 
bagegen sträuben mögen, daß dieses 
Völkermorden nicht anders als durch 
die Entscheidung der Waffen beandet 
nordon F᷑4unto
	        
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