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„Denke doch, ein königlicher Beamter —“ wiederholte
der alte Krahl, dem ein kalter Angstschweiß auf die Stirne
rat, „das überleb' ich nicht, Margareth, sich an einem
Gerichtsbrief zu vergreifen, bedenk', das ist eine Criminal⸗
Sache,“ und drohender setzte er hinzu: „Gib den Brief
raus oder —“*
„Macht, was Ihr wollt, den Brief geb' ich nicht, es
wär' sein Unglück!“ beharrte Margareth in ihrer Weigerung.
„Und wegen des schlechten Menschen willst Du selbst
ins Unglück rennen?“ frug der Alte entrüstet.
„Gewiß; wenn ich ihn retten kann!“ war die Antwort
Margareths.
„Baͤuerin! Ihr seid nicht gescheut,“ ließ sich jetzt wieder
der Exekutor vernehmen, „so nehmt doch Vernunft an, den
Valentin könnt Ihr damit nicht retten, wenn Ihr auch das
Papier behaltet, — morgen schon krieg' ich ein neu Mandat,
mit einem noch größzeren Siegel und dann muß er erst
techt heraus, es hilft ihm also gar nichts, daß Ihr mir das
Mandat weggenommen habt.“
„Es hilft ihm nichts?“ rief Margareth ganz erschrocken,
‚aber ich hab' ja das böse Papier! —“
„Und ich hab' ein anderes,“ versicherte der Exekutor,
„und auf dem steht dasselbe, und Ihr macht Euch und Eurem
alten Vater nur Ungelegenheiten und habt damit gar nichts
ausgerichtet.“
„Es hilft ihm nichts? Und Ihr lügt nicht?“ frug
Margareth ungläubig.
„Bei Gott nicht!“ erklärte der Exekutor der gern in
Süte sein Mandat wieder haben wollte.
„Margareth, gieb das unselige Papier heraus, das Dir
nichts nutzt und, wie Du hörst, dem Balentin nichts hilft,“
drängte der alte Krahl.
Die gequälte Frau zog das Papier aus dem Busen
ind sagte leise: „Da habt Ihr's wieder — und nun geht
— und werft ihn hinaus —“*
SZie sank jetzt weinend auf den Stuhl zurück.
„Gott sei Dank!“ rief der Exekutor erleichterten Her—
und eilte davon.
„Zeigt's nur nicht erst an, ich werd's schon gut machen!“
rief ihm der alte Krahl nach, dann wandte er sich ganz ent⸗
rüstet zu seiner Tochter: „Nein, so was muß ich an Dir
erleben! Einen Gerichtsbrief wegzunehmen — der Schreck
itzt mir noch in allen Knochen! Margareth, wie konntest
Du so verrückt sein, und dem Valentin zu lieb, auf den Du
früher auch genug gescholten hast.“
„Da war er noch nicht unglücklich und sollt noch nicht
hinausgeworfen werden aus seinem Gut —“ entgegnete
Margareth mit einem tiefen Seufzer.
„Du bist ein dumm Geschöpf,“ meinte der Alte ver⸗
drießlich, „und solltest Dich ebenso rechtschaffen freuen wie
cch, daß er nun einerntet, was er ausgesäet hat. Ha, ha,
s ist kein Spaß, hinausgetrieben werden aus der Hütte, die
man lieb gewonnen und wo wir Bauersleut' den Kopf so
gern zur letzten Ruh legen, aber er hat's um uns verdient,
(8 ist nur seine Strafe. Ja, ja, dort oben handtiert immer
noch einer, der allein Uebermut und allem nichtswürdigen
Thun ein schnelles Ende macht, wenn auch das junge Volk
zicht mehr recht d'ran glaubt.“
„Erheb' Dich nicht über ihn, da er im Unglück ist,“
ermahnte Margareth, „nun wollen wir nicht jubeln, sondern
ihm beispringen und ihm sagen, daß er doch nicht obdach⸗
ios geworden — daß er hier —“
Hier!“ unterbrach sie der Alte heftig — ‚alte, aute
Freunde findet — meinst Du? Damit ist's vorbei — wir
ind geschiedene Leute!“
„Geschieden! nimmermehr —“ erklärte Margareth,
„jetzt gehör' ich zu ihm und er zu mir, — das Unglück
bringt uns wieder zusammen.“
„Red' nicht solch dummes Zeug —“ rief der alte
Krahl ganz entrüstet, „Du wolltest wieder mit dem tollen
Menschen zusammen sein, der Dich zum Hause hinausgejagt?
Da müßtest Du ja gar nicht bei Sinnen sein.“
„Und doch, Vater —“ beharrte Margareth, „ich hätt'
eine Ruh' im Herzen, wenn ich jetzt von ihm geschieden
wär', — nein, er soll bei uns sein, wir wollen wieder von
yorn anfangen, und hier in unserer kleinen Wirtschaft, da
vird wieder Frieden und Glück bei uns einkehren — o, ich
muß fort — und —“
„Und früher hast Du nichts von ihm wissen wollen und
hist von ihm fortgelaufen.“
„Weil Ihr mich dazu überredet.“
„Ach, bist Du gescheut?!“ entgegnete der Alte ärger—
ich. „So seid Ihr Weibsleut' — nichts durchführen, erst
ein Gejammer und Gesenfz', und wenn's zur Sache und
um Austrag kommt, dann fällt Euch das Herz vor die
Füße, Aber nichts da — ich muß dies besser wissen und
verd' nicht wegen Deines Gelamentir' unser qutes Recht
nus den Händen geben. Ja, das wär' ein Spaß, die ganzen
stosten wegwerfen und alles gut sein lassen; nein, erst
vollen wir die Scheidung nach Urteil und Recht.“
Noch ehe der Bauer eine Ahnnng hatte, welch' fürch—
terlicher Schlag ihm drohte, war die Nachricht davon wie
ꝛin Lauffeuer durch das Dorf gegangen. Auch Georg hatte
von dem Exekutor die Nachricht vernommen, und da er sich
n der Nähe des Besitztums seines Großvaters befand, eilte
er zuerst zu seiner Mutter. Kinder von in Scheidung le—
henden Eltern haben immer einen schweren Stand, wenn
ie nicht für den Einen entschieden Partei ergreifen, erhalten
iie von beiden Seiten Vorwürfe. Georg mochte nicht in
zie Beschuldiguagen des Vaters gegen seine Frau einstim—
nen, aber noch weniger konnte er ertragen, daß der alte
drahl über seinen Vater ein reichlich gefüllites Maß von
Schimpfreden ausgoß und so schwer es ihm fiel, hatte er
uletzt darauf verzichten müssen, seine Mutter noch ferner zu
esuchen. Auch heun ging er nur schweren Herzens hin,
iber wie erstaunte er, als ihn die Mutter sogleich weinend
tmarmte und dabei hervorschluchzte: Komm', Georg, wir
nüssen ihm helfen.“ Der alte Krahl sah sich zuletzt über—
vunden und erklärte sich bereit, seinen Schwiegersohn wieder
dei sich aufzunehmen, ja er schloß sich ohne weiteres Wider—
streben den Davoneilenden an.
(Fortsetzung folgt.)
Auflöfung der Rätsels in voriger Nummer:
Thorn ron.
Marktpreise am 24. März 1888.
zu Saarbrücken. zu St. Johaum
Nark Pfg. Mark Pfg.
von 620 83 20
bis 20 7 20
von — 2 —
bis ? 409 2 40
don — 70 — 70
R8 oI 30
100 Kilo Kartoffeln.
Kils Butter
1Dutzend Fier
Drucker und Verleger Gebraãder Hofer in Saarbrücken. (Erpedition der
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