Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

Raum eng zusammengepreßt zubringen zu müssen, zur Lager⸗ 
stätte einige Halme Stroh, das nicht erneuert wird und 
sehr bald mehr Dung als Stroh ist — Mangel an Wasser, 
sein Wechsel der Waͤsche und Kleidung und deshalb bald 
der eigene Körper die Wohn⸗- und Brutstätte ekelhafter, 
beißender Schmarotzer — es elelt und schüttelt mich noch 
heuie, wenn ich dieses Elends, dieses Jammers gedenke! 
Mehrere von uns erlagen diesen Zustanden — sie wurden 
hinausgetragen, still, teilnahmlos — es war ein Esser 
weniger. — — 
Tag um Tag hofften wir, daß unsere dentschen Waffen— 
brüder iommen, die Festung einnehmen und uns der Frei⸗ 
heit wiedergeben würden. Doch sollte mancher Tag ver—⸗ 
gehen, bis das Erdröhnen schweren Geschützes uns die Bot⸗ 
schaft brachte, daß der Tod oder die Befreiung unserm 
TFiend eißn Ende machen sollte. Am 11. Oktober waren 
wir gefangen genommen worden; dieser Monat verging, 
auch der November strich vorüber, endlich am Morgen des 
12. Dezember verkünden uns die gewaltig dröhnenden Schüsse 
von Belagerungs-Artillerie: Wir sind da, bald ist euer 
Elend zu Ende! 
Wir werden schärfer bewacht, müssen unsere Freude, 
die mit jedem neuen Dröhnen wächst, still ins Herz ver— 
schließen; denn was in uns Freude, Hoffnung, Zuveisicht 
erregi, läßt in Herz und Mienen unserer Wächter Wut. 
Haß, Rachsucht emporlodern! 
Die Nacht ist hereingebrochen, der Tag hat keine 
Entscheidung gebracht; am Nachmittage des 13. beginnt 
das Bombardement von nenem — es drennt an verschiedenen 
Stellen des Städtchens — das Geschützfeuer der Festung 
wird schwächer, endlich verstummt es ganz. Will der Feind 
unterhandeln oder sammelt er nur neue Kraft zur Abwehr? 
Was wird der folgende Tag bringen? Diese Gedanken 
halten uns wach, lassen uns in dem moderigen, von Pnlver⸗ 
und Brandgeruch erfüllten Kerker nicht zur Ruhe kommen. 
Endlich brechen die Lichtstrahlen durch den Dezember⸗Nebel 
— werden die Geschütze wieder donnern? Nein, sie bleiben 
stumm — der Feind hat unterhandelt, hat die Festung 
übergeben! Nur wenige Stunden noch trennen uns von 
der Freiheit! — 
Am Nachmittage des 14. Dezember rückten die Unseren 
in die Stadt ein, unsere Kerker werden geöffnet — wir 
wanken heraus — schwache, elende verwahrloste Kreaturen! 
Der Zufall hatte es gewollt, daß meine Kompagnie 
an der Beschießung und Eroberung der Festung teil ge— 
nommen und konnte ich daher dieser sofort wieder zugeteilt 
werden. Auch Lieutenant B. hatte die Gefangeschaft glück⸗ 
lich überdauert; beide bedurften wir längerer Schonung und 
Pflege, bis wir wieder menschenwürdiges Aussehen und so 
viel Kraft hatten, Dienst leisten zu können. 
Zum Schein. 
kine Erzählung von Ludwig Habicht. 
Fortsetzung.) 
In demselben Augenblick stürzt Marie in das Zimmer; 
sie eilte in größter Aufregung auf den Bauer zu und rief 
haftig: „Unterschreibt nicht — Ihr rennt in Euer Verder⸗ 
ben, um Gotteswillen, unterschreibt nicht!“ 
Das gelbe Gesicht des Webers wurde förmlich erdfahl, 
ein Zittern ging durch seinen Leib, so nahe am Ziel sollte 
er plötzlich scheitern und seine Tochter war's, die sich ihm 
—8— — Ein wilder Schmerz zerrte an seinem 
erzen 
„Marie? Bist Du verrückt geworden? Fort von hier — 
was soll das heißen?“ frug er zornig. 
Daß ich's nicht zulassen kann, wie Du den armen 
A um sein Gut bringen willst und darüber schlecht 
wirst! 
Der Bauer hatte in seinem Schreibeeifer nicht auf die 
Worte Mariens gehört, „nun hab' ich mich verschrieben,“ 
jagte er verdrießlich, und sich umdrehend, setzte er hinzu: 
„Sei still, daß ich mit Ruhe unterschreiben kann!“ 
„Nein, das sollt' Ihr nicht!“ erklärte Marie und fiel 
dem Schreibenden in den Arm. Ihr sollt nicht durch mei— 
nen Vater elend werden, der sich an Euch rächen, Euch ver⸗ 
derben will!“ 
Erst jetzt wurde der Bauer aufmerksam und seine Augen 
prüfend auf den Weber richtend, frug er bedächtig: „Sich 
ächen?! Weber, meinst Du's wirklich ehrlich? 'S ist Dein 
tind, die das sagt?“ 
Wie anch der Weber in der Verstellungskunst geübt 
var, einen Augenblick verlor er doch die Fassung. „Mein 
Kind, ganz Recht,“ stammelte er verwirrt, „aber heut' ist 
ie's nicht — laß Dich nicht irre machen, Valentin! — 
zenk' nur —“ er stockte eine Weile, plötzlich schien er eine 
Ausrede gefunden zu haben, und glücklich darüber, fuhr er 
nit einer sorglosen Miene fort: „Haha, sie gönnt Dir nicht, 
daß ich Dich retten will, On sollst so arm sein, wie wir, 
dann, glaubt sie, kann ihr der Georg nicht entgehen.“ 
„Vater! Das wagt Ihr von Eurem Kind zu sprechen?“ 
rief Marie schmerzlich ergriffen aus, „o Gott, das ist fürch⸗ 
terlich, das ist eutsetzlich!“ 
Sprachlos vor Schreck über die Schändlichkeit ihres 
Vaters senkte sie den Kopf. 
„So? Und Du Marie verklagst Deigen alten Vater?“ 
erwiderte der Weber zornig, „der für Dich arbeitet, für Dich 
'orgt, der Dich wie sein Aug' im Kopfe hütet, das ist das 
Schlimmste, was mir begegnen konnt'.“ 
Marie wollte etwas entgegnen, aber ihr Vater rief ihr 
mit wuterstickter Stimme zu: „Fort von hier, stör' uns 
nicht länger!“ 
Jetzt näherte sich auch Franz dem jungen Mädchen, 
zog es in den Hintergrund der Stube und suchte es zu be— 
schwichtigen. 
„Laß es gut sein, Weber!“ meinie jetzt der Bauer in 
alter Treuherzigkeit, „ereifere Dich nicht! Du hast Recht,! 
Seht 'mal die kleine Schlange, sie will nicht, daß Du mir 
Jelfen sollst, will warten, bis mir die Kosten das Gut auf⸗ 
sressen — ich hab' dem Mädel niemals getraut, sie ist so 
oerstockt, so heimlich, aber der Georg ist wie vernarrt in sie 
— und mein Weib hat nichts mehr d'rein zu reden. — 
Laßt mir nur etwas Luft, dann sollen sie ja zusammen⸗ 
tommen.“ 
Der Weber atmete hoch auf — der Sieg war wieder 
sein und er suchte ihn geschickt zu benutzen. Mit gutmüti⸗— 
zem Lächeln legte er die Hand auf die Schulter des Bauern 
und sagte freundlich: „Das ist rechtschaffen und klug von 
Dir — laß' das dumme Ding schwatzen — ich seh', 
Du hast nicht umsonst drei Jahre dem Könige gedient — 
Du verstehst die Welt.“ 
Dies Wort that seine Wirkung; Valentin fühlte sich 
davon geschmeichelt und griff wieder zur Feder: „Nun will 
ich vollends unterschreiben,“ sagte er lachend, „damit die 
Sache in's Reine kommt, 's ist nur noch halbe Arbeit — 
Johann Valentin hab' ich schon.“ 
„Thu's, Valentin, es ist ja nur zu Deinem Besten.“ 
erklärte der Weber. 
Marie rik sich van ienem las und stürzte noch einma
	        
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