Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

gie; die aus ihr gefertigten Sonden, Katheter, Spritzen⸗ 
röhrchen und wie die chirurgischen Apparate alle heißen 
mögen, haben große Vorzüge vor den aus andern Stoffen 
hergesiellten; wichtige Dienste leistet sie auch als Verband⸗ 
mitiel bei Behandlung von Knochenbrüchen. Nicht nur 
lassen sich künstliche Kinnladen zur Aufnahme künstlicher 
Zähne ans ihr herstellen, wofür man sie blaßrot färbt; 
auch künstliche Gliedmaßen werden daraus gefertigt. In 
der Galvandplastik spielt die Guttapercha eine wichtige 
Rolle, liefert doch kein anderer Stoff Abdrücke von so un— 
üͤbertrefflicher Schärfe wie sie. Die seinstgearbeiteten Stahl- 
und Kupferstiche werden mit ihrer Hilfe auf galvanoplasti— 
ichem Wege vervielfältigt. 
Da die Guttapercha bei geringer Wärme hart und 
brüchig, bei hoher Wärme klebrig und weich wird, kann 
sie für sich allein nur für solche Gegenstände benutzt wer— 
den, welche dauernd nur einer mittleren Temperatur aus— 
gesetzt sind. Man kennt aber ein Verfahren, durch wel— 
ches ihr die Veränderlichkeit infolge wechselnder Tempera⸗ 
turen genommen wird und die guten Eigenschaften erhalten 
bleiben. Meist geschieht dies auf folgende Weise: Man 
knetet die Guttapercha mit einer gleichen Gewichtsmenge 
Schwefel zusammen, Preßt diese Masse in eisernen Formen 
zu den verlangten Gegenständen und setzt sie, in der Form 
eingeschlossen, einer Temperatur von 140 - 1500 C. aus. 
— Dies Verfahren, welches auch bei Kautschukgegenständen 
in ganz ähnlicher Weise zur Anwendung kommt, nennt 
man „Vulkanisieren.“ Durch geeignete Zusammensetzungen 
rann man der Guttopercha auch Härte und Politurfähigkeit 
zeben und sie somit zu einer ganzen Reihe weiterer Ge⸗ 
brauchsgegenstände geeignet machen. 
Die Guttopercha hat endlich eine Eigenschaft, in wel⸗ 
hher ihr kein anderer Stoff gleichkommt und die ihr die 
Alleinherrschaft auf einem wichtigen Gebiete verschafft hat: 
ibr Jsolationsvermögen, d. i. die Eigenschaft die Elektrizi— 
ät nicht zu leiten. Alle tlektrischen Leitungsdrähte, welche 
in den Eidboden oder im Wosser eingebeltet oder durch 
feuchte Grubenräume geführt werden sollen, müssen in Gut⸗ 
lopercha eingehüllt werden, weil allein diese im Stande ist, 
das Entweichen der elektrischen Ströme zu verhindern. 
Dieses Umhüllen der Drähte läßt sich bei der Plastizität 
der Guttopercha leicht bewerkstelligen. Es hat sich aller⸗ 
dings bei dieser Verwendung der Guttapercha auch ein 
Urbelstand bemerkbar gemacht: sie erleidet mit der Zeit 
eine Veränderung, die ihr das Isolationsvermögen raubt 
und sie somit für ihre Bestimmung untauglich macht. Da 
diese Veränderung durch den Sauerstoff der Luft verursacht 
wird, so gilt es, die Luft möglichst von der Guttapercha⸗ 
hülle sernzuhalten. Man sucht dies dadurch zu erreichen, 
daß man sie mit Manila-Hanf dicht umwickelt. 
Wenn wir hören oder lesen, daß zwischen weit von 
einander entfernten, durch gewaltige Wassermassen getrenn⸗ 
ten Gebieten, z. B. zwischen Europa und Amerika ein Ge— 
dankenaustausch in wenigen Stunden stattfinden kann, so 
müssen wir anerkennend auch der Guttapercha gedenken, 
welche verhindert, daß die schwachen galvanischen Ströme, 
welche die Gedanken übermitieln, auf ihrem bis tausend 
Meilen langen Wege durch das Weltmeer verloren aehen. 
Bilder aus Berlin. 
XIV. 
Wasserverkehr 
Soll etwa Berlin gar noch eine Seestadt sein, in welche 
Piͤne amofe und Segelschiffe Erzeuanisse fremder Welt⸗— 
teile einführen und europamüden Berlinern Gelegenheitge 
zeben, ihr Verlangen nach weiter Ferne zu stillen? Dieseer 
Anspiuch darf die Stadt nicht erheben; nichtsdestowenigehe 
entwickelt sich im Herzen derselben ein Leben auf dem 
Wasser, von dem der keine Ahnung haben und sich keingu 
Vorstellung machen kann, der in der Schule weiter nichthie 
Jehört hat, als daß die Hauptstadt seines Vaterlandes at. 
zer Spree liegt und daß diese ein Nebenfluß der Havbetze 
st. Dieser Nebenfluß ist nun aber ein ganz respektablego 
Wafserlauf; er ist im Stande Schiffe bis zu 150 und 2061 
Tonnen Tragfähigkeit auf seinem Rücken zu schlepperzeb 
Breiter und wasserreicher als unsere kanalisierte Saar bietct 
die Spree noch den für die Schiffahrt sehr wesentlichen Vomi 
deil, daß ihre Wasser ruhig und gleichmäßig dahinfließewne 
daß ihr Wasserstand das ganze Jahr hindurch ein faft ganw 
Jeichmäßiger ist, dank dem Umstande, daß sie oberhagr 
Zerlins eine größere Anzahl größerer und kleinerer Seer 
durchfließt und daß ihr schnellflleßende Gebirgswasser über 
zaupt nicht zugehen. Ihr mit der „Oder“ auf einige Meil« 
jast paralleler, von derselben nur einige Meilen entfernt 
Lauf lud dazu ein, sie mit dieser zu verbinden und so eins 
durchgehenden Wasserweg von Schlesien und Teilen Posen! 
bis Berlin zu schaffen. Die gleichen Umstände gestatteie 
zuch, die Havel mit der Oder in Verbindung zu setzen unn 
ss auch das nördliche Brandenburg, die Provinz Pommers 
ind somit auch die Ostseeküste mit der Hauptstadt durch ein 
Wasserader zu verbinden. Nach dem Nordwesten war di 
Weg durch die natürlichen Wasserläufe der Spree, Havch 
ind Elbe bis Hamburg und der Nordsee gegeben. Wer 
aber die Havel die Elbe erst in ihrem Unterlaufe erreich 
var der Wegabkürzung wegen eine direkte Verbindung de 
Mittellaufes derselben mit der Havel erwünscht. Dühe 
vurde in dem „Plauenschen Kanal“ hergestellt. 
Somit ist Berlin von allen Richtungen außer dir— 
hon Süden, aus großen Entfernungen auf dem Wasserwe 
zu erreichen, eine Begünstigung, deren sich wenige Binne 
tädte in ähnlichem Maße erfreuen. 
Die Stadt wird von der Spree in mehreren Armtp 
zurchflossen, von denen für die Schiffahrt ader nur zwzu 
hon Bedeuiung sind. Außerdem führt durch dieselbe cku 
unsticher Wasserlauf, der Schiffahrtskanol, der oberhadd 
Berlins von der Spree abzweigt und unterhalb derselben. 
n der Nähe Charlottenburgs, sich mit dieser wieder ver— 
einigt. Der letztere hatte die Bestimmung, vornehmlich dem 
durchgehenden Verkehr zu dienen, für welchen die natürlichen 
Spreeläufe nicht geeignet waren. Im Laufe der Zeit hat 
er seiner eigentlichen Bestimmung wohl fortgesetzt gedien 
ind dient ihr noch heute, hat aber doch eine weit größere 
Bedeutung für den Lokalverkehr, für die Versorqung der 
Stadt gewonnen. 
Bei den Berliner Schiffahrtsstraßen finden sich aber 
nicht, wie an unserer Saar, Leinpfade, dazu bestimmt, das 
Fortbewegen der Schiffskörper mittels Pferden Vie 
machen; es müssen dieselben hier durch Menschenkraft vost 
paris geschoben werden, eine schwere, schweißtreibende vise 
Feit vbei welcher außerdem auch die Rase in nicht angk 
nehmer Weise belästigt wird. Die städtischen Abwãsi 
rühren den Wasserläufen fortgesetzt eine Menge Stoffe; 
pelche das träge dahinfließende Wasser nicht fortzuschwemm⸗ 
dermag und die sehr bald in Gährung und Fäulnis übe 
zehen, wobei die Geruchsorgane peinigende Gase entwick 
verden. In zahlreichen Blasen steigen diese an die Ob 
fläche, wenn der Schiffer seine mächtige Stange, deren 
sich beim Fortschieben des Schiffes bedient, auf den Gru 
abstöht“ Obaläch seilens der Stadtverwaltung viel“
	        
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