Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

Man zeg in einem feierlichen Aufzuge zu einem großen 
Steine, der Kaiser genannt; dort angekommen, wurde der 
aufzunehmende Handlungsdiener bei Händen und Füßen 
von kräftigen Leuten gefaßt und nun brachte man den 
natürlichen Schwerpunkt seines Körpers in mehrmalige, 
recht unsanfte Berührung mit dem Steine. Ein erhebender 
Gesang begleitete diese angenehme Empfindung, und ein Geschenk 
an Wein und Speise, welches der in seinen heiligsten 
Gefühlen gekränkte, nunmehr zünftig gewordene Handlungs⸗ 
diener spendete, beschloß diese empfindliche Ehrenbezeugung. 
Ganz derselbe Gebrauch bestand auch bis zum Jahre 
1842 in dem Dorfe Weisenheim am Berg. Nur wurde 
hier jeder junge Bürger mit dem Steine in Berührung ge— 
bracht, um sein Bürgerrecht damit zu erwerben. Jetzt ist es nicht 
mehr so schmerzlich, dort in den Bürgerverband einzutreten. 
Wir können in diesen kurzen Zeilen nicht alle Hänse— 
leien aufführen, welche in ungeschüffenster Weise bei der 
Aufnahme der Gesellen und Lehrlinge des Handwerker⸗ 
standes verübt wurden. Hauptsächlich gilt die Schilderung 
einem, seinerzeit von den Hansakaufleuten in der Stadi 
Bergen eingeführten Hänselspiel. Man nonnte diese grau⸗ 
same Zeremonie auch das Wasser⸗-, Rauch- und Staupenspiel. 
Die Hansa, jene 1241 gegründete Handelsverbindung 
deutscher Städte, hatte durch ihre Macht einen großen Teu 
des Seehandels auf dem Nordmeere und der Oftsee an sich 
gerissen. Hauptsächlich die Niederlassungen in der Stadi 
Bergen in Norwegen waren für den Handel der Hansa 
von großer Wichtigkeit. Dadurch kamen die Kaufleute 
dieser Stadt in einen bedeutenden Ruf und vielfach zogen 
die Söhne der Handelsherren von Hamburg, Lübeck und 
Bremen nach Bergen, um dort ihre Lehrjahre zu bestehen. 
Nach und nach aber wurde der Zudrang der jungen 
Kaufleute zu groß und deshalb führte die Kaufmannsgüde 
ein Noviziat ein, welches durch seine Grausamkeit viele der 
Adspiranten abschrecken mußte. TDie Lehrzeit des Auf— 
zunehmenden dauerte 8 Jahre, während welcher Zeit sich 
der arme Kaufmannsjünger den auferlegten Prüfungen 
unterwerfen mußte. 
Der Beginn wurde mit dem Wosserspiele gemacht. 
Angesichts des versammelten Volkes wurde der Prüfling 
entkleidet, und nachdem man ihn an einen Strick gebunden, 
in die See geworfen und einmal unter einem großen Schiffe 
durchgezogen. Wenn der Arme bei dieser Taucherübung 
die Besinnung verlor, so forgte man durch reichliche Prügel 
n ausreichendem Maße für seine Wiederbelebung. Vier 
rastige Burschen peitschten den jungen Kaufmann nach 
sedesmaligem Tauchen bis auf's Blut. 
War der strebsame junge Mann nach etwa vier Wochen 
wieder hergestellt, und die Lust nach dem Titel eines Kauf—⸗ 
mannes von Bergen bei ihm noch nicht abgekühlt, so ver⸗ 
uchte man im wahren Sinne des Wortes dieselben zu ersticken. 
Wiederum wurde derselbe öffentlich entkleidet und dann 
in einem Kamindan Stricken befestigt. Um ihm diesen Aufent⸗ 
halt recht unangenehm zu machen, wurde auf dem Herde 
in Feuer von Haaren, Fischgräten und andern riechenden 
Hegenständen angezündet. Auf diese Weise gelang es, den 
Kaufmannsadspiranten halb tot zu räuchern. Zum Hohne 
für die ausgestandene Qual peitschte man den armen Kerl 
dann noch mit Ruten bis aufs Blut. Wenn einmal einer 
zar zu stark geräuchert wurde, sodaß alle Prügel ihn nicht 
nehr zum Lebden erweckten, erregte dies den gerechten Un— 
willen der Zuschaure. 
Man glaube nicht an eine phantastische Erfindung des 
1. 
4 
Schreibers bei dem Lesen dieser Zeilen. Ich entnehme 
diese Rotiz dem Werke des Geographen Hübner, der in 
einer Erdbeschreibung (gedruckt 1742, Hamburg) diese That— 
achen erzählt. Auch die hansische Chronik von Willebrandt 
erwähnt dieser Spiele. *7 
Während ich diese Abhschweifung schrieb, hat sich der 
zeräucherte Jüngling wohl von den Folgen dieser Kurz— 
weile“ erholt und sich genug gekräftigt, um den dritten Abt, 
das Staupenspiel mitmachen zu können. 
Diese letzte Abteilung war auch die feierlichste. Die 
pornehmsten Kaufleute mit ihren Weibern und erwachsenen 
Tochtern kommen zu diesem Feste. In den Kreis dieser 
reichgeschmückten Versammlung brachte man die Kandidaten. 
um sie in deren Gegenwart bis auf die Haut zu entkleiden. 
sRaum war dies geschehen, so nahten vermummte Kerle, 
velche mit den jungen Kaufleuten, zur großen Freude der 
Zuschauer herumtanzten. Noch atemlos von wildem Tanze 
verden die nackten Schlachtopfer der Pflicht von anderen 
Kerlen, die in Mönchshabit stecken, ergriffen, und in einer 
Weise durchgepeitscht, daß es „elende Henkerbuben nit woll 
schlimmer macheten“, wie der Chronist sagt. 
Währenddem dröhnen die Pauken und die Trompeten 
schmettern gellend darein, damit das schreckliche Gewinsel 
und Geschrei der Gepeitschten übertönt werde. 
Wer dieses dreifache Spiel acht Jahre über sich er⸗ 
zehen ließ, der errang damit das Privilegium ein „ge⸗ 
billigter Kaufmann von Bergen“ zu sein. Aber biele 
Kandidaten rissen auch gleich nach dem ersten male aus 
und verzichteten auf diese schwer zu erringende Würde. 
Wie wir schon oben bemerkten, diente auch die ganze Pro— 
jedur zur Abschreckung. Wie viele dabei zugrunde gingen oder 
elend und krank wurden auf Lebensdauer, darübet wird 
nichts gesagt. In der guten alten Zeit galt ein Menschen⸗ 
leben eben sehr wenig. 
Verbreitung des Bergmannsfreund im Jahre 1888. 
Kreise Saarbrücken, Saarlouis, Ottweiler und 
St. Wendel.... 3795 
Sonstige Rheinprovinz. 225 
Hessen⸗Nassau. . .. 62 
Westfalen... 45 
Oestl. Preuß. Provinzen 212 
Hannover, Braunschweig 22 
Elsaß-Lothringen .. 
Fürstentum Birkenfeld 
Pfalz...... 
Süddeutschlande 
Sachsen. .. 
Thüringen. 
Luxemburg. 
Belgien.. 
Frankreich. 
Italien. .. 
Schweiz.. 
Oesterreich-Ungarn 
Rußland .... 
England..... 
Nord- und Südamerika 
Konstantinopl...... 1 
Zusammen FFemplare. 
Wtarktpreise am 22. Dezember 1888. 
au Saarbrücken. zu St. Johaun. 
Mark Pfg. NMark Pfg. 
won 6406 6 40 
bis 7 40 7 40 
von 2 — 2 — 
bis 2 40 2 409 
von — 56 90 
100 Kilo Kartoffeln 
Kilo Butter 
1 Dutkend Fier. 
A. 
Drucker und Verleger: Gebrüder Hofer in —E Expedition der Saarerücker Zeitung). 
Verantwortlicher Redacteur: H. Waaner in Saarbrüdc
	        
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