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— für entgangenen Arbeitsverdienst erheben
önnen.
Nachdem durch die amtliche Untersuchung das Vor—
handensein eines Betriebs-Unfalles und die betroffenen
Personen nachgewiesen worden sind, erfolgt die Feststellung
der Entschädigungen ohne Antrag der Berechtigten, von
Amtswegen durch die Genossenschaftsorgane. Die Unter—
lagen für die Entschädigungsfeststellung, bestehend haupt⸗
ächlich in dem ermittelten Jahresarbeitsverdienste und dem
Brade der angenommenen Erwerbsunfähigkeit, werden dem
Berechtigten mitgeteilt um demselben Gelegenheit zu geben,
sich binnen einer Frist von einer Woche zu äußern. Diese
Maßregel hat den Zweck soweit möglich eine Verständigung
unter den Parteien herbeizuführen und unnötige Prozesse
dor dem Schiedsgerichte zu vermeiden. Demnächst erfolgt
definitive Feststellung der Entschädigungen durch die be—
rufenen Organe, das ist für unseren Bezirk durch den
Vorstand der Sektion J der Knappschasts-Berufsgenossenschaft.
Hat eine Feststellung der Entschädigungen nicht von
Amtswegen statigefunden, so muß der Anspruch vor Ab—
lauf von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls
von dem Beteiligten angemeldet werden. Spätere An—
meldungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn die
Folgen des Unfalls erst später bemerkbar geworden sind,
dder der Entschädigungsberechtigte durch außerhalo seines
Willens liegende Verhältnisse von der Verfolgung seines
Anspruchs abgehalten gewesen ist.
Eine Erhöhung oder Herabsetzung der festgesetzten
Rente findet statt, wenn in den für die Feststellung moß—
gebenden Verhältnissen eine wesentliche Veränderung ein—
getreten ist. Die fortschreitende Erwerbsfähigkeit eines
Verletzten resp. dessen Gewöhnung au die Arbeit nach Ver—
lust einzelner Gliedmaßen herechtigen die Genossenschaft
zu einer Verminderung der Rente, während eine Erhöhung
derselben einzutreten hat, wenn die Heilung der Verletzung
eine nur scheinbare gewesen ist, oder die nachteiligen Folgen
des Unfalls erst spaͤter in größerem Umfange sich bemerk-
bar machen.
Die Auszahlung der Renten geschieht in monatlichen
Raten im voraus und zwar für die bergmännische Bevölke—
rung durch Vermittelung des Saarbrücker Knappschafts-
dereins resp. durch die Königlichen Werkskassen.
Ueber alle von der Genossenschaft festgesetzten Ent—
schädigungen, deren Abänderung oder Aufhebung, sowie über
eine eiwaige Ablehnung derselben erhalten die Berechtigten
einen schriftlichen Bescheid zugefertigt. Derselbe enthält eine
Belehrung, in welcher Weise Berufung gegen die erlassene Ver—
fügung erhoben werden kann.
Das Schiedsgericht für die Sektion J der Knappschafts-
Berufsgenossenschaft hat seinen Sitz in Bonn, und besteht
außer dem ständigen Vorsitzenden aus zwei Mitgliedern,
weiche von den Arbeitgebern und zwei Mitgliedern, welche
von den Arbeitnehmern auf je 4 Jahre gewählt werden.
Die Berufungen müssen schriftlich erfolgen und sind unter
Beifügung einer Äbschrift für den Sektions« Vorsiand
binnen vier Wochen nach der Zustellung des Bescheides
bei dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu erheben. In
dem Schriftsatz ist der Gegenstand des Anspruchs zu be—
zeichnen, auch sind die für die Entscheidung maßgebenden
Thatsachen uüter Angabe der Beweismittel mitzuteilen.
Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung; auch
tönnen die Berechtigten selbstverständlich die angewiesenen
Entschädigungen vorläufig in Empfang nehmen, ohne da—
durch an der Geltendmachung höherer Ansprüche behindert
zu werden.
Nachdem die Berufung von dem Gegner beantwortet
worden ist, wird von dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts
Termin zur mündlichen Verhandlung angesetzt, und werden
die Beteiligten zu demselben mittelst eingeschriebenen Briefes
eingeladen. Das persönliche Erscheinen der Kläger ist in⸗
dessen nicht unter allen Umständen notwendig. Handelt es
sich um Ascendentenausprüche, und sind außer den in dem
Schriftsatz angegebenen Thatsachen keine neuen vorzubringen,
so dürfte auch die Anwesenheit des Berufungsklägers in der
Regel nicht erforderlich sein. Das Schiedsgericht wird auf
dessen Erscheinen unter Umständen dann Wert legen, wenn
es sich unter Anderm um unvollkommene Heilungen oder
Verkrüppelungen handelt, während bei dem Verlust einzel⸗
ner Gliedmaßen ohne weitere Folgen des Betriebs-Un—
falles der Augenschein häufig entbehrlich sein wird. Die
Ptaxis des Schiedsgerichts hat sich dahin entwickelt, daß
die Erstattung der dem Kläger erwachsenen persönlichen also
auch der Reise-Kosten, dann der Genossenschaft nicht auf—
erlegt wird, wenn die Berufung als unbegründet zurück⸗
gewiesen worden ist.
Aber auch in dem Falle, in welchem dem Berufungskläger
seitens des Schiedesgerichts die persönlichen Kosten zuerkannt
worden sind, findet, wie irrtümlicherweise häufig angenom⸗
nen wird, eine Auszahlung derselben im Termine nicht statt.
Die Beteiligten werden sich daher wohl zu überlegen haben,
ob eine Reise nach Bonn im Interesse ihrer Sache not—
vendig ist. Jedenfalls werden dieselben besser fahren und
häufig schneller zum Ziel gelangen, wenn sie sich in zweifel⸗
jaften Fällen bei dem Vertrauensmann, der Werksverwaltung
»der im Sektionsbüreau zu St. Johann Rat erholen, als
venn sie den Vorspiegelungen gewissenloser Berater Gehör
chenken.
Im Bereich der Sektion J der Knappschafts⸗Berufs⸗
genossenschaft sind im Laufe dieses Jahres 278 Berufungen
ingelegt worden. Von denselben haben bis jetzt 209 Fälle
zur Verhandlung gestanden, und zwar sind in 173 Fällen
die Berufungen als unbegründet zurückgewiesen worden;
ein Beweis wie ungerechtfertigt die Beschwerden in den
meisten Fällen sind.
Von den Urteilen des Schiedsgerichts erhalten die
Beteiligten eine schriftliche Ausfertigung zugestellt. Gegen
die Enischeidung ist, mit Ausnahme der unten erwähnten
Fälle, binnen einer Frist von vier Wochen der Rekurs
an das Reichsversicherungsamt zulässig. Diese oberste In—⸗
stanz entscheidet endgültig. Die Urteile des Schiedsgerichts
treten indessen vorläufig in Kraft und zwar solange, bis
dieselben durch eine eiwaige Rekursentscheidung des Reichs⸗
versicherungsamtes aufgehoben werden.
Der Rekurs ist dann ausgeschlossen, wenn es sich handelt:
a. um den Ersatz der Kosten des Heilverfahrens,
b. um die für die Dauer einer voraussichtlich vor—
übergehenden Erwerbsunfähigkeit zu gewährende Rente und
c. um den Ersatz der Beerdigungskosten.
Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Mehrzahl der
streitigen Entschädigungsprozesse auf die verschiedenartige
Beurteilung des Grades der verbliebenen Erwerbsfähigkeit
zurückzuführen sind. Nächstdem kommen zahlreiche Fälle
dor, bei denen eine Entschädigungsleistung seitens der Ge—
nossenschaft überhaupt abgelehnt wurde, weil ein Zusammen⸗
hang zwischen der Erwerbsunfähigkeit und einem Betriebs—
Unfall' nicht erwiesen war. Für den an der Grenze der
Invalidität angelangten Arbeiter liegt die Versuchung nahe
einen an sich unbedeutenden Unfall auszunutzen, um in den
Genuß der Segnungen des Unfallversicherungsgesetzes zu
gelangen. Diesen Bestrebungen entgegenzutreten ist die