Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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die Krankheit des Kindes eine länger dauernde, so ist selbst- 
verständlich eine einzelne Person nicht im Stande, allen 
Anforderungen, welche an sie herantreten werden, auf längere 
Zeit zu genügen: es muß deshalb baldigst dafür Sorge 
getragen werden, daß eine zweite Pflegerin vorhanden sei, 
welche in bestimmter Ordnung mit der ersteren wechselt. 
Das Krankenzimmer muß hell und geräumig, leicht 
heizbar und bequem zu lüften sein. Es darf nur die aller— 
notwendigsten Gegenstände enthalten, da überflüssige Kleider 
und Möbel nur die Träger von Staub und giftigen Keimen 
sind. Außer der Pflegerin, welche nur wachend am 
Krankenbette sitzen soll, darf niemand anderes in dem 
Krankenzimmer sich dauernd aufhalten, am allerwenigsten 
darin schlafen. Das so beliebte Anfwaschen des Zimmer— 
bodens ist durchaus verwerflich, es genügt vollkommen, mit 
einem angefeuchteten Lappen den Staub auf dem Boden 
täglich einmal aufzunehmen. 
Die Stellung des Krankenbettes muß derart sein, daß 
das Gesicht des Kindes nicht dauernd dem hellen Lichte 
zugewandt ist, daß es nicht von der Zugluft getroffen wird, 
welche durch Fenster und Thüren einströmt; auch muß es 
möglich sein, von allen Seiten bequem den kleinen Patienten 
erreichen zu können. 
Die Medikamente und die Krankenkost sind nur nach 
den Vorschriften des Arztes zu reichen, dessen Anordnungen 
auch in allen anderen Dingen, auf das gewissenhafteste Folge 
zu leisten ist. 
Des Waldes Unterhaltung. 
Von F. Schenk? 
— Nachdrud verboten. 
Sei gegrüßt du lauschiger Wald mit deinem kühlenden 
Schatten, dem erquickenden harzigen Dufte deiner Nadel— 
häume, dem geheimnisvollen Rauschen der Blätter! Wie 
gerne suche ich deine Einsamkeit auf, zu ruhen im weichen 
Meoose und zu lauschen dem Geflüster der Bäume. Ja, 
wer deine Sprache versteht, du schöner Wald, der vernimmt 
gar manches Lehrreiche; drum zieht es mich oft hinaus in 
den Wald, der hoch hinansteigt und sich dann wieder sanft 
senkt zum rauschenden Bergbach, welcher in der Ebene seinen 
Berglermut abkühlt und — mir kommt es wie Heimweh 
vor — traurig dahinfließt, bis ein mächtigerer Bruder ihn 
aufnirimt, wie so viele seiner Gefährten aus den schönen 
Bergen. 
Da wandle ich im Schatten altersgrauer Eichen, stäm— 
miger Buchen, statilicher Ahornbäume, rotschaftiger Fichten, 
schlanker Tannen, zitternder Birken und bdiegsamer Weiden. 
Auf einem moosgepolsterten Baumstrunk sitzend, vernehme 
ich bald das Gepiauder der Bäume, ich verstehe ihre Sprache 
und will dir nun erzählen, lieber Leser, was ich jüngst 
»ernommen habe: 
Eine Eiche, deren Stamm von der Fäulnis des Kerns 
schon stark ausgehöhlt war, deren Aeste jene ihrer Nach— 
darin, einer stattlichen Buche, seitwärts gedrängt hatten 
ind welche sich bewußt war, daß sich die Augen menschlicher 
Holzwürmer mit keinem besonderen Interesse auf sie rich— 
keten, — blähte sich auf und sprach zur Buche: 
„Also, dein Todesurteil hat der Waldaufseher gesprochen. 
Es thut mir wahrlich leid, wenn ich sehen muß, wie man 
die Säge an deinen Stamm ansetzt und wenn du kraftlos 
zusammenstürzen wirst. Ich bitte mir nur Schonung meiner 
Aeste aus, denn von diesen hat der schwächste mehr Wert, 
als du mit Stamm und Zugehör.“ 
„O,“ rief die Buche beleidigt. „Nur nicht gar so 
hochmütig, alte Matrone mit dem faulen Leibe! Vor hun⸗ 
dert Jahren hättest du eine solche Sprache führen können, 
als ich noch gar jung war; doch jetzt ist Uebermut nicht 
mehr am Platze, wo nur deine Rinde noch zu Gerberlohe 
paßt, die Aeste aber höchstens zu gewöhnlichem Werkholze 
brauchbar sind. Als Brennholz mag dich niemand, du 
brennst ja zu schlecht und erlischt gar bald.“ 
„Brr!“ knuurte einer der dickeren Eichenäste, fiel aber 
gleich darauf, weil er auch kernfaul war, nieder auf einige 
größere Wurzeln der Buche. 
„Flegel!“ rief diese. „Da siehst du, daß ich recht habe, 
alles ist faul an dir und ich fürchte beim Umstürzen werde 
ich alle deine Aeste mitnehmen, dann kannst du dich brüsten!“ 
„Ruhig, nicht gestritten!“ rief die Nachbarin eine 
schlanke Rottanne von nahezu 80 Jahren. ‚Bedenke, liebe 
Buche, wenn wir schon so alt wären, wie die Eiche, dann 
ginge es uns auch nicht besser.“ 
„Von dem ist nicht die Rede,“ meinte die Buche, „sie 
soll nur nicht mehr hochmütig auf uns herübersehen und 
sich brüsten.“ 
„Das darfst du den Eichen nicht verübeln,“ beruhigte 
eine andere Nachbarin, eine kerzengerade, siebzigjährige 
Weißtanne. „Man nennt ja die Eiche „den deutschen 
Baum“ und sagt stolz: der deutsche Eichenwald. Dazu 
sommt, daß die Wiege des großen Kaisers Karolus aus 
Eichenholz gezimmert war, daß die Germanen unter Eichen⸗ 
bäumen Gericht hielten und daß das Holz jüngerer Eichen 
von altersher zu Hausmöbeln sehr beliebt ist.“ 
„Das kann ich von mir auch sagen!“ schrie ein kräf— 
tiger Ahornbaum in der Nähe. „Mein Holz, das so aus⸗ 
gezeichnet schön und weiß ist, findet ihr im Palaste, wie 
in der Bauernhütte. Auf keinem Tische mundet das Mahl 
so köstlich, als auf dem reinlichen Ahorntische.“ 
„Vergeßt nur die Linde nicht!“ rief eine solche von 
der Höhe herab. „Ich bin ein geweihter Baum, denn aus 
meinem Holze schnitzt der Künstler die Heiligen-Figuren in 
den Kirchen.“ 
„O!“ schrieen Eiche und Fichte, Tanne und Ahorn. 
„Da sind wir auch dabei. Jede von uns wird bei Aus—⸗ 
schmückung der Gotteshäuser verwendet.“ 
„Und ich bin eigentlich die Hauptsache,“ rief die Fichte. 
„Aus mir fertigt man in der Regel die Gestelle, ihr werdet 
nur als Furnieren aufgeleimt!“ 
„Das ist wahr!“ polterte die Eiche und ein paar 
Aeste fielen zu Füßen der Buche. ‚Von ganzem Eichen⸗ 
holze wurden und werden noch Altäre, Kanzeln, Beicht⸗ 
stühle, Schränke u. d. gl. hergestellt. Ich habe ewige Dauer.“ 
„Wenn dich nicht der Wurm zerstört!“ spöttelte eine 
in der Nähe des Baches stehende junge Esche und schüttelte 
vor Lachen ihr frisches Laub. 
‚Junger Naseweiß da drunten,“ rief entrüstet die 
Eiche, „mische dich nicht in die Unterhaltung alter Bäume.“ 
Darauf warf sie einen ihrer faulen Aeste auf die Esche 
hinab, daß die Blätter auseinander stoben und die jungen 
Aeste brachen. — Die Esche weinte vor Schmerz, denn 
auch ihre Rinde war etwas beschädigt worden und sie fürch— 
tete nun ratlos zu werden. Hatte sie ja doch von Vorüber⸗ 
gehenden gehört, daß ihr Stamm für einen Hofwagenfa— 
brikanten aufbewahrt werden sollte. 
„Weine nicht, Nachbarin!“ beruhigte eine schöne Maser⸗ 
birke. „Die Alte da droben bläst schon auf dem letzten 
Ldoche. Lasse nur die Herbststürme kommen, die machen ihr 
schon den Garaus, dann haben wir Ruhe. Nur soll sie 
beim Umstürzen uns nicht beschädigen, denn auch mein 
Holz hat Wert für Tischler, Wagner und Drechsler.“
	        
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