Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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„Ja, Reinhard“, entgegnete dieser, „etzt wird die 
Finberufungsordre nicht mehr lange auf sich warten lassen.“ 
Frau Wohlmuth und ihre Tochter aber ließen den 
Kopf hangen und der letztexen standen die hellen Thränen 
in den Augen. „Wie wird Johanna erschrecken, wenn sie 
die Nachricht erfährt“, klagte die Freundin, und als wie 
gerufen trat diese an dem Arme ihres Verlobten, des Leh— 
ters Rosenbaum, in den Kreis der Familie. Der letztere 
var schon von der Sache unterrichtet und gefaßter, als 
man am Vorabend seiner Verlobung es hätte erwarten 
sollen. „Mein Verlobungsfest gestaltet sich für uns also 
zum Abschiedsfest“, sagte er entschlossen, „hoffen wir zu Gott, 
daß es nicht auf Nimmerwiedersehen ist!'“ Die Männer 
reichten sich die Hand, Frau Wohlmuth, Margarethe, 
Johanna und Brigitte aber hatten sich in die Nebenkammer 
zurückgezogen, um hier eine Vorfeier der Abschiedsstunde 
gjeräuschlos zu begehen. Im ganzen Orte, wo es sonst 
so stille gewesen ist, hatte eine vollständige Umwandlung 
stattgefunden. Die heerespflichtigen Männer zogen patriotische 
Lieder singend, in den Straßen umher und am andern Tage 
schon haite ein Jeder auch die Ordre in der Hand, 
unverweilt unter die Fahne zu eilen. Die Flamme der 
Begeisterung und der Vaterlandsliebe hat in ganz Deutschland 
wohl noch nie so hell geleuchtet als in jenen Tagen, 
wo die Ahnung von dem neuerstehenden Reiche wie der 
Odem Gottes in jede Brust eingezogen war. Alle Er—⸗ 
eignisse dieser großen Zeit und die Heldenthaten des 
‚deutschen Volkes in Waffen“ sind noch eben so frisch im 
Gedächtnis des Volkes als der Schmerz und die Trauer 
am den frommen Heldenkaiser, unter dessen F.uhrung Preußen 
und Deutschland zu seiner jetzigen Macht und Größe heran— 
gewachsen, ein Trutz gegen die Feinde und ein Schutz des 
Weltfriedens geworden ist. In unserer Erzählung können 
vir über dieselben hinweggehen und sie in kürzester Weise 
zu Ende bringen. 
Der Herbst war wieder herangekommen, die welken 
Blätter fielen zur Erde, um der treuen Mutter zu dem 
kommenden Fruͤhlingskleid den schuldigen Tribut zu zollen. 
Nach den Herbsitagen des Jahres 1870 kamen recht trübe 
und traurige Tage, die selbst durch den Glanz der herrlichsten 
Siege nicht erhellt werden konnten, welche die Blüte der 
deutschen Nation mit ihrem Blut und Sterben freudig er— 
kauft hatte mit Gott für Recht und Ehre, für König und 
Vaterland. Mit vielem Interesse folgte der alte Wohlmuth 
dem blutigem Ringen der beiden Völker; seine Gesundheit 
war jedoch seit der Verwundung bei dem s. g. „Arsenal“ 
zerrüitet; die Kräfte nahmen zusehends ab und eines 
Morgens fanden ihn die Angehörigen tot in dem Lehnstuhl 
sitzen: ein Herzschlag hatte seinem Leben ein piötzliches 
nuͤd unverhofftes Ende gemacht. Als die Familie den tiefen 
Schmerz kaum überwünden hatte, traf sie ein neuer 
Unglücksschlag: Carl Fest, der wackere Steiger und Verlobte 
Magarethens, welcher als Unteroffizier im 9. Husaren⸗ 
cegiment diente, war in einem Treffen südlich von Amiens 
schwer verwundet worden, wie Johannes, der Sohn des 
Kalkbrenners Willert schrieb, der mit ihm, weniger gefährlich 
derwundet, in einem und demselben Hospital untergebracht 
worden war und wie ein Bruder für den Kameraden sorgte, 
soweit es nur möglich sein konnte. Der Brave hatte nicht 
dergessen, welchen Dienst der alte Wohlmuth einst ihm und 
seinem Vater geleistet, und suchte jetzt seinen Dank an dessen 
fünftigem Schwiegersohne abzutragen. In das sonst so 
friedliche und gemütliche Försterhaus hielten Sorge und 
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Kummer ihren Einzug, und nur in der treuen Johanna 
Veit hatten die Frauen einen Engel des Trostes gefunden, 
der bei ihnen seit dem Tode des alten Lehrers seine Wohmung 
aufgeschlagen hatte. Von ihrem Verlobten, dem Lehrer 
Franz Rosenbaum, trafen öfters Briefe ein, welche von 
der reinsten Liebe und Hoffnung eines baldigen Wieder⸗ 
sehens atmeten; es war dem Schreiber bisher stets gut 
ergangen. obgleich er die blutigsten Schlachten mitgekämpft 
und die Auszeichnung des eisernen Kreuzes erworben hatte. 
Von dem jungen Willert war seit einer ganzen Woche 
kein Brief mehr im Forsthause angekommen und von den 
bangsten Sorgen gequält saß an einem Morgen die Familie 
Wohlmuth beieinander, als endlich der ersehnte Briefbote 
erschien, jedoch keinen Brief an Margarethe, sondern nur 
eine kurze Nachricht von Franz Rosenbaum an Johanna 
brachte. Während die beiden Mädchen das Schreiben 
durchlasen, konnte Margarethe sich der Thränen nicht enthalten 
und laut schluchzend warf sie sich an die Brust der Freundin. 
„Was hast Du, Margarethe?“ frug diese, während 
ihr gleichfalls die Augen feucht wurden; „fasse Mut und 
Vertrauen, am Ende wird doch noch alles gut werden.“ 
„Johanna, seit mehreren Tagen schon kann ich den 
fürchterlichen Gedankrn nicht los werden, daß Carl nicht 
mehr unter den Lebenden sei. Ach! hätte ich nur zu ihm 
zekonnt und ihn pflegen können .. ...“ 
Da hielt ein Fuhrwerk vor dem Hause und der alte 
Willert trat mit niedergeschlagener Miene in das Zimmer. 
Bei seinem Anblick fing Margarethe an, am ganzen Körper 
zu erzittern und im größten Schmerze sagte sie zu dem 
alten Manne: 
„Gevatter Willert, Ihr bringt keine gute Nachrichten? 
Ich sehe es Euch an.“ 
„Du hast Recht, Kind“ sagte dieser gepreßt, „mit dem 
Steiger geht es nicht zum Besten, wie Johannes geschrieben 
hat. Wir müssen uns auf dos schlimmste gefaßt machen ...“ 
Mit einem lauten Aufschrei fiel Margarethe in die 
Arme ihrer todesbleichen Mutter: „Der Carl ist tot! Meine 
Ahnung hat sich erfüllt!“ — — (Fortsetzung folgt.) 
Sprüche. 
O, wie viele Freuden, 
Wenn man sie bescheiden 
Nicht verschmäht, 
Sind, wohin wir wallen, 
Ueberall uns allen 
Hingesä't! 
Waz du gelernt hast, 
Kann dir enifliehen, 
Was du gelesen, 
War dir geliehen. 
Was du erlebt und erlitten, 
War dein in Herzensmitten. 
Auflösung des Rättel 
Küs 
n voriger Nummer: 
aͤfse. 
Marktpreise am 24. November 1888. 
zu Saarbrͤcken. zu St. Johaun. 
Mark VIg. NMark Pfg. 
spon 6 40 6 40 
bis 7 40 7 40 
svon 2 — 2 — 
zbis 2 50 2 50 
von — 80 —80 
bißs — 90 — 90 
100 Kilo Kartoffeli.— 
1 Kilo Butter. 
1 Dutzend Eier 
Drucker und Verleger: Gebrüder Hofer in Saarbrügen. Erpedition der Saarbrücker Zeitung, 
Rerantwortlicher Redacteur: H. Waaner in Saarbrücken.
	        
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