—
———
„Ja, Reinhard“, entgegnete dieser, „etzt wird die
Finberufungsordre nicht mehr lange auf sich warten lassen.“
Frau Wohlmuth und ihre Tochter aber ließen den
Kopf hangen und der letztexen standen die hellen Thränen
in den Augen. „Wie wird Johanna erschrecken, wenn sie
die Nachricht erfährt“, klagte die Freundin, und als wie
gerufen trat diese an dem Arme ihres Verlobten, des Leh—
ters Rosenbaum, in den Kreis der Familie. Der letztere
var schon von der Sache unterrichtet und gefaßter, als
man am Vorabend seiner Verlobung es hätte erwarten
sollen. „Mein Verlobungsfest gestaltet sich für uns also
zum Abschiedsfest“, sagte er entschlossen, „hoffen wir zu Gott,
daß es nicht auf Nimmerwiedersehen ist!'“ Die Männer
reichten sich die Hand, Frau Wohlmuth, Margarethe,
Johanna und Brigitte aber hatten sich in die Nebenkammer
zurückgezogen, um hier eine Vorfeier der Abschiedsstunde
gjeräuschlos zu begehen. Im ganzen Orte, wo es sonst
so stille gewesen ist, hatte eine vollständige Umwandlung
stattgefunden. Die heerespflichtigen Männer zogen patriotische
Lieder singend, in den Straßen umher und am andern Tage
schon haite ein Jeder auch die Ordre in der Hand,
unverweilt unter die Fahne zu eilen. Die Flamme der
Begeisterung und der Vaterlandsliebe hat in ganz Deutschland
wohl noch nie so hell geleuchtet als in jenen Tagen,
wo die Ahnung von dem neuerstehenden Reiche wie der
Odem Gottes in jede Brust eingezogen war. Alle Er—⸗
eignisse dieser großen Zeit und die Heldenthaten des
‚deutschen Volkes in Waffen“ sind noch eben so frisch im
Gedächtnis des Volkes als der Schmerz und die Trauer
am den frommen Heldenkaiser, unter dessen F.uhrung Preußen
und Deutschland zu seiner jetzigen Macht und Größe heran—
gewachsen, ein Trutz gegen die Feinde und ein Schutz des
Weltfriedens geworden ist. In unserer Erzählung können
vir über dieselben hinweggehen und sie in kürzester Weise
zu Ende bringen.
Der Herbst war wieder herangekommen, die welken
Blätter fielen zur Erde, um der treuen Mutter zu dem
kommenden Fruͤhlingskleid den schuldigen Tribut zu zollen.
Nach den Herbsitagen des Jahres 1870 kamen recht trübe
und traurige Tage, die selbst durch den Glanz der herrlichsten
Siege nicht erhellt werden konnten, welche die Blüte der
deutschen Nation mit ihrem Blut und Sterben freudig er—
kauft hatte mit Gott für Recht und Ehre, für König und
Vaterland. Mit vielem Interesse folgte der alte Wohlmuth
dem blutigem Ringen der beiden Völker; seine Gesundheit
war jedoch seit der Verwundung bei dem s. g. „Arsenal“
zerrüitet; die Kräfte nahmen zusehends ab und eines
Morgens fanden ihn die Angehörigen tot in dem Lehnstuhl
sitzen: ein Herzschlag hatte seinem Leben ein piötzliches
nuͤd unverhofftes Ende gemacht. Als die Familie den tiefen
Schmerz kaum überwünden hatte, traf sie ein neuer
Unglücksschlag: Carl Fest, der wackere Steiger und Verlobte
Magarethens, welcher als Unteroffizier im 9. Husaren⸗
cegiment diente, war in einem Treffen südlich von Amiens
schwer verwundet worden, wie Johannes, der Sohn des
Kalkbrenners Willert schrieb, der mit ihm, weniger gefährlich
derwundet, in einem und demselben Hospital untergebracht
worden war und wie ein Bruder für den Kameraden sorgte,
soweit es nur möglich sein konnte. Der Brave hatte nicht
dergessen, welchen Dienst der alte Wohlmuth einst ihm und
seinem Vater geleistet, und suchte jetzt seinen Dank an dessen
fünftigem Schwiegersohne abzutragen. In das sonst so
friedliche und gemütliche Försterhaus hielten Sorge und
192
Kummer ihren Einzug, und nur in der treuen Johanna
Veit hatten die Frauen einen Engel des Trostes gefunden,
der bei ihnen seit dem Tode des alten Lehrers seine Wohmung
aufgeschlagen hatte. Von ihrem Verlobten, dem Lehrer
Franz Rosenbaum, trafen öfters Briefe ein, welche von
der reinsten Liebe und Hoffnung eines baldigen Wieder⸗
sehens atmeten; es war dem Schreiber bisher stets gut
ergangen. obgleich er die blutigsten Schlachten mitgekämpft
und die Auszeichnung des eisernen Kreuzes erworben hatte.
Von dem jungen Willert war seit einer ganzen Woche
kein Brief mehr im Forsthause angekommen und von den
bangsten Sorgen gequält saß an einem Morgen die Familie
Wohlmuth beieinander, als endlich der ersehnte Briefbote
erschien, jedoch keinen Brief an Margarethe, sondern nur
eine kurze Nachricht von Franz Rosenbaum an Johanna
brachte. Während die beiden Mädchen das Schreiben
durchlasen, konnte Margarethe sich der Thränen nicht enthalten
und laut schluchzend warf sie sich an die Brust der Freundin.
„Was hast Du, Margarethe?“ frug diese, während
ihr gleichfalls die Augen feucht wurden; „fasse Mut und
Vertrauen, am Ende wird doch noch alles gut werden.“
„Johanna, seit mehreren Tagen schon kann ich den
fürchterlichen Gedankrn nicht los werden, daß Carl nicht
mehr unter den Lebenden sei. Ach! hätte ich nur zu ihm
zekonnt und ihn pflegen können .. ...“
Da hielt ein Fuhrwerk vor dem Hause und der alte
Willert trat mit niedergeschlagener Miene in das Zimmer.
Bei seinem Anblick fing Margarethe an, am ganzen Körper
zu erzittern und im größten Schmerze sagte sie zu dem
alten Manne:
„Gevatter Willert, Ihr bringt keine gute Nachrichten?
Ich sehe es Euch an.“
„Du hast Recht, Kind“ sagte dieser gepreßt, „mit dem
Steiger geht es nicht zum Besten, wie Johannes geschrieben
hat. Wir müssen uns auf dos schlimmste gefaßt machen ...“
Mit einem lauten Aufschrei fiel Margarethe in die
Arme ihrer todesbleichen Mutter: „Der Carl ist tot! Meine
Ahnung hat sich erfüllt!“ — — (Fortsetzung folgt.)
Sprüche.
O, wie viele Freuden,
Wenn man sie bescheiden
Nicht verschmäht,
Sind, wohin wir wallen,
Ueberall uns allen
Hingesä't!
Waz du gelernt hast,
Kann dir enifliehen,
Was du gelesen,
War dir geliehen.
Was du erlebt und erlitten,
War dein in Herzensmitten.
Auflösung des Rättel
Küs
n voriger Nummer:
aͤfse.
Marktpreise am 24. November 1888.
zu Saarbrͤcken. zu St. Johaun.
Mark VIg. NMark Pfg.
spon 6 40 6 40
bis 7 40 7 40
svon 2 — 2 —
zbis 2 50 2 50
von — 80 —80
bißs — 90 — 90
100 Kilo Kartoffeli.—
1 Kilo Butter.
1 Dutzend Eier
Drucker und Verleger: Gebrüder Hofer in Saarbrügen. Erpedition der Saarbrücker Zeitung,
Rerantwortlicher Redacteur: H. Waaner in Saarbrücken.