Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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kleiner Schachteln und Kisten mit Marzipan gehen um die 
Zeit aus der alten Hansestadt in alle Welt hinaus. So 
seß denn auch der Kaufmann einen großen schönen Kuchen, 
welcher eine prächtige Ansicht der doppeltürmigen Marien⸗ 
klirche zeigte, wohlverpackt und von freundlichen Grüßen be— 
gleitet an den Bergmann absenden, und bezahlte selber 
Post- und Bestellgeld. „Die werden sich freuen!“ dachte 
er, sich schmunzelnd die Hände reibend. „Das ist eine 
Ueberraschung, die den Kleinen schmecken wird und den 
Vroßen dazu, haben sie doch damals so tapfer auf das 
zrobe Brot eingehauen und den dünnen Kaffee ohne Zucker 
vergnügt getrunken — wie wird ihnen erst dies feine und 
süßze „Brot des heiligen Markus“ munden!“ (denn das 
heißt eigentlich Marzipan, abgekürzt aus Marci panis,.) 
Das ist der Segen jeder freundlichen und gütigen 
Handlung, daß sie auch den Wohlthäter fröhlich stimmt. 
Ein Dankschreiben erhielt der Kaufherr nicht, denn ob— 
gleich alle als Kinder schreiben gelernt haben, greifen viele 
Leute doch nur höchstselten zur Feder. 
Zwei Jahre vergingen, ehe er sich wieder einmal los⸗ 
machte und das liebgewonnene Bad von neuem aufsuchte. 
Filsen stand noch auf dem alten Fleck und hatte sich wenig 
verändert; auf einem Spaziergan ge fand er auch das Berg 
mannshäuschen wieder und beim Eintreten die Familie da— 
heim. Auch hier hatte sich wenig verändert, nur waren 
die Kinder größer und Vater und Mutter etwas älter ge— 
worden. Sie erkannten ihn sogleich und begrüßten ihn 
sichtlich erfrent. Und nach den ersten Fragen: Wie gehts? 
Wie steht's sprach die gute Frau: „Es ist mir wirklich 
lieb, daß wir Sie 'mal wiedersehen. Nun können wir 
Ihnen endlich auch für das unverhoffte Weihnachtsgeschenk 
danken. Es ist wirklich ein sehr schönes Bild — wir haben 
es aber auch gleich einrahmen lassen und in Ehren gehalten 
— sehen Sie, Herr, da ist es!“ 
Und richtig! an der Wand hing unter Glas und 
Rahmen die alte Marienkirche, und war noch kein Bröck⸗ 
lein davon verzehrt. Was kennt der Bauer von Karamellen, 
oder ein schlichter Bergmann von Marzipan? Ich weiß 
nicht, ob der lühische Herr die guten Leute eines andern 
belehrt hat, und zweifle fast, ob er wohl daran gethan 
hätte. Die Form gewährte ihnen jedenfalls länger Genuß, 
als der bloße Stoff vermocht hätte; besser ein offaes Auge 
für das Schöne als eine feine Zunge für Leckereien; Torten 
und Kuchen sind selbst zum Kinderglück nicht unbedingt 
erforderlich; man kann bei einfacher Speise gesund und 
fröhlich bleiben und sich ein langes Leben hindurch redlich 
nähren, ohne jemals Marzipan zu kosten. 
Auf und in der Erde. 
krzählung aus dem Forst- und Bergmannsleben 
ovon Conrad Herrmann. 
(Fortsetzung.) 
Von sachkundigen Händen war bald eine entsprechende 
weite Oeffnung geschaffen und eine feste Leiter in die Tiefe 
gelassen, in welcher die unten befindlichen Maänner unter 
der Leitung der beiden Steiger alle Maßregeln trafen, um 
das zutagesteigen so sicher und ungefährlich als nur 
möglich zu machen. Willert erbat sich die Ehre, die erste 
Probe zu machen, um oben alles das anzugeben, was zur 
Heraufbeförderung des verwundeten Barons notwendig schien. 
Schweigend und gespannt sahen die Umstehenden den 
Vorbereitungen zu, welche von den herbeigeeilten Behörden 
unter Beistand von Aerzten getroffen wurden und wie groß 
war der JZubel, als nach einer Stunde, welche als Leine 
Ewigkeit erschien, der Baron halb ohnmächtig, unterstützt 
von dem Steiger Schwarz an der Oeffnung erschien und 
von seiner vor Freude weinenden Gemahlin und den 
Angehörigen senes Hauses auf die rührendste Weise begrüßt 
wurde. Der Baron ließ nicht von der Stelle fahren, bis 
auch der Letzte seiner braven Leidensgenossen wie er sich 
dankbar ausdrückte, zu Tage gefördert war. Dankes- und 
Freudenthränen flossen viele und die herzlichsten Begrüßungen 
wurden unter den zahlreichen Umstehenden ausgetauscht. 
Nur Gregor stand schweigend und niedergeschlagen allein; 
ihn schienen sie alle vergessen zu haben. Daplötzlich setzte 
sich der Baron in seinem Wagen aufrecht und frug: „Wo 
ist denn der mutige Gregor?“ Die beiden Steiger führten 
hn an den Wagen des Gutsherrn und dieser reichte dem 
Manne die Hand und sprach mit lauter Stimme: „Hab' 
Dank, Gregor! Du hast Dich als ein braver und auf— 
pfernder Mann bewährt! Wer kann wissen, ob jemals 
Finer von uns wieder an das Tageslicht gekommen wäre, 
venn Du nicht gewesen wärst!“ Auch die Baronin streckte 
dem schweigend Dastehenden beide Hände gerührt entgegen 
und sagte: „Gregor, ich werde für Dich und die Deinen 
Sorge tragen!“ Das war das Zeichen, daß jetzt auch alle 
Uebrigen sich beeilten, dem armen Manne Unerkennung 
und Dank zu zollen, bis er, einer Ohnmacht nahe, mit 
den andern verschüttet gewesenen Opfern der Explosion nach 
Ellern gebracht wurde, woselbst ihnen die sorgsamste Pflege 
zu Teil wurde. 
Das war der letzte Akt des großen Treibjagens, auf das 
sich dessen Veranstalter und sämmtliche Teilnehmer so sehr 
gefreut hatten. 
Fünftes Kapitel. 
Schwere Kämpfe. 
Das Volk steht auf, der Sturm bricht los, 
Wer legt noch die Hände feig in den Schoß? 
Monate waren seitdem vergangen, und die Ereignisse, 
velche sich in dem großen Forst und im Innern des ehe— 
maligen Erzschachtes zugetragen hatten, waren allmälig in 
den Hintergrund getreten. Baron Greifenstein war längst 
vieder vollkommen hergestellt, auch die Kopfwunde, welche 
Hegemeister Wohlmuth bei dieser Gelegenheit davongetragen 
hatte, war geheilt. Der ehemalige Schmuggler Gregor war 
bon dem Baron in Dienst genommen und ein ganz anderer 
Mensch geworden. Margarethe Wohlmuth war schon lange 
mit dem braven Steiger Fest verlobt und Lehrer Rosen— 
baum wollte mit Johanna am 15. Juli 1870 ebenfalls 
seine Verlobungsfeier begehen, als am Abend dieses Tages 
die Familie des Hegemeisters wie gewöhnlich in traulichem 
Kreise vereinigt gewesen war. Da, noch am späten Abend 
trat der Zechenschmied Reinhard in das Zimmer und frug 
hastig: 
drNun wißt Ihr das Neueste schon? Ich komm aus 
Namingen und dort ist alles in großer Aufregung. Die 
Franzosen haben uns wirklich den Krieg erklärt“, sagte 
der Mann, eine Depesche aus der Tasche holend und dem Förster 
reichend. 
Obgleich hierauf vorbereitet, wirkte diese Nachricht dennoch 
wie ein Donnerschlag aus heiterer Luft. Die Frauen eilten 
nach Hause und die drei Männer erwogen den Fall nach 
allen Richtungen hin. 
„Schade, daß ich zu alt bin, und nicht mitmarschieren 
kann“, sagte Wohlmuth, „ich hätte auch mal gerne den 
Champogner an der Quelle getrunken. 
„Ich werde Euch einige Flaschen schicken“, lachte der 
wackere Schmied, „und Fest kann mich daran erinnern, 
wenn ich es vergessen sollte.“
	        
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