XVIII. Jahrgang.
Nr. 41.
Saarbrücken
den 12. Oktober 1888.
Ho gmanng, —
—8*
—
3
Wochenblatt zur Unterhaltung und Belehrung für Bergleute.
— — B—
Erscheint jeden Freitag. Bestellungen nehmen die Expedition in Saarbrücken, alle Postanstalten, sowie auf den hiestgen Gruben und
den benachbarten Ortschaften die besonderen Boten entgegen.
Preis für das Vierteljahr bei der Expedition 30 Mpfg. durch die Postanstalten oder durch die besondern Boten bezogen 40 Mupfg.
Der Abonnementspreis ist im Laufe des ersten Monats zu berichtigen.
Der Aufenthalt in den Wolken. l
Ein englischer Reisender, Sir Robert Lasch, erzählt
olgende merkwürdige Naturerscheinung, die er auf seiner
Bebirgsreise in den nördlichen Pyrenäen 1863 beobachtete.
Als er in Gesellschaft zweier Gefährten und eines
Führers den Pic du midi d'Osseu, der sich mehr als 10000
Fuß über der Meeresfläche erhebt, erstiegen hatte, sah er
iuf einer nahe liegenden Anhöhe eine Wolke von äußerst
sonderbarer Form gelagert. Die Entfernung von seinem
Standpunkte mochte ducch eine sanftgeschwungene Thalfläche
etwa eine halbe Stunde betragen und die Neugier trieb
hn an, eine so romantische Gelegenheit, sich in eine, wie
es schien, langsam vorüberziehende Wolke des Himmels zu
hüllen, nicht üngenützt vorbeigehen zu lassen.
Er begab sich daher mit dem Führer dahin, seine Be—
gleiter blieben indessen auf dem ersten Standpunkte zurück.
Kaum war er aber in die dichten und feuchten Nebel der
Wolken hineingedrungen und war einige hundert Schritte
weit in derselben fortgegangen, als auf einmal sein Führer
derschwunden war.
Kaum fünf Schritte um sich vermochte er irgend einen
Begenstand zu unterscheiden, es befiel ihn eine unerklärbare
Angst, er rief nach seinem Führer, seine sonst so starke
Stimme wurde aber ganz und gar von dem dichten Dunste
derschlungen, so daß er sich kaum selbst zu hören vermochte;
unter diesen Umständen getraute er sich nicht mehr weiter
zu gehen; in der That wußte er auch nicht, woher er ge⸗
sommen war, noch in welcher Richtung er sich wieder
herausfinden sollte. Ueberdies fürchtete er bei iedem Schritte,
in einen Abgrund zu stürzen.
Endlich bemächtigte sich seiner die größte Verzweiflung,
er setzte sich auf einen Stein, zog den Pelz um sich und
erwartete in banger Furcht sein weiteres Schicksal. Die
—XV
olicklich in Schnee, der Auswurf seines Speichels in kleine
Hagelkörner, und wo nur die Haare seines Pelzes der Luft
ausgesetzt waren, überzogen sie sich von der Ausdünstung
eines Körpers mit Eis, so daß fie einer mit Glas über—
zogenen Hechel glichen.
Eine Zeit lang unterhielt noch die Bewegung seiner
Hände und Füße die natürliche Wärme, allein nach Ver⸗
uf ven etwäeiner Stunde fühlte er allgemach seine Glieder
ermatten, eine sanfte Müdigkeit überfiel ihn, und ob der
zwar wohl wußte, daß unvermeidlicher Tod durch Erstarrung
die Folge sein würde, so war er doch nicht mehr imstande.
sich derselben zu erwehren.
Auf einmal ereignete sich ein neues Phänomen, das
ihn wieder ein wenig zu sich selbst brachte, die Wolke fing
nämlich zu schneien an. Zuerst fiel der Schnee von oben
herab, allmählig aber senkte sich die Erzeugung des Schnees
iefer nieder, und er entdeckte, daß sich die zarten Sternchen
vor seinen Augen bildeten, ihr Dasein durch einen hellen
Blick an zeigten, und indem sie sich bei langsamem Falle
herumtrieben, aneinander froren und größere Flocken
bildeten.
Bei jeder anderen Gelegenheit würde er sehr erfreut
gewesen sein, der Natur gleichsam in ihre geheimnisvolle
Werkstätte zu blicken; aber auch in seiner jetzigen Lage
vurde er dadurch mit einigem Troste erfüllt, da die Er—⸗
zeugung des Schnees wenigstens auf eine veränderte Tem⸗
heratur und auf die allmähliche Bewegung der Luft deutete,
Wirklich begann sich auch ein immer stärker werdender
Wind zu erheben, der endlich die Wolke von ihrem bis⸗
herigen Lager wegtrieb. Plötzlich geriet er aus einem
dämmernden und den Atem fast hemmenden dichten und
eisigen Nebel in den hellsten Sonnenschein und sah seinen
anvermeidlichen Tod, wenn sein Zustand nur einige Mi—
uuten länger gewährt hätte, in der Gestalt eines weißen
Vessieises vom Berggipfel in die Niederungen hinab⸗
liehen.
Sein Führer war von ihm kaum einige hundert Schritte
entfernt und versicherte, daß er ohne Unterlaß geschrieen und
gepfiffen, und daß sein Hund gebellt hätte, ohne daß der
Reisende imstande war, eiwas davon zu vernehmen. In⸗
dem er Gott dankte, der augenscheinlichen Lebensgefahr
entronnen zu sein, gesellte er sich wieder zu seinen Begleitern,
sie stiegen den Berg hinab und kamen abends wohlbehalten
in Luze an.
Herr Robert Lasch hat späterhin als ein wackerer Tourist
noch diele Reisen in und außer Europa gemacht und manche
höheren Berge bestiegen, nie ist ihm aber wieder die Ver—
uchung gekommen, einer Wolke des Himmels seinen Be⸗
uch zu machen.