XVIII. Jahrgang.
Nr. 40.
H gmannz,, ⸗
Saarbrücken
den 5. Oktober 1888.
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Wochenblatt zur Unterhaltung und Belehrung für Vergleute.
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Erscheint jeden Freitag. Bestellungen nehmen die Expedition in Saarbrücken, alle Postanstalten, sowie auf den hiestgen Gruben und
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Woran liegrs?
(Ein Lebensbild.)
die Familienglieder nichts weniger als begeistert für diese
Lebensweise find. Mag es auch manchmal schwer fallen,
an einem Metzgerladen mit seinen appetitlichen Waaren
porüberzugehen, ohne einzutreten, nun es fällt auch dem
irmeren Manne auf dem Lande schwer, im Herbste zur
Bezahlung der Brotschuld und zur Anschaffung der nötig—
ten Kleidungsstücke für den Winter das Schwein herzu—
geben, das er mit vieler Mühe großgezogen hat. Der Mann,
hon welchem ich rede, thut's regelmäßig. Er entbehrt mit
den Seinigen auch einen selbstverständlichen Genuß, um nur
einen Schuldnern gegenüber als ein Mann von Wort da—
zustehen. Schon seine Religiösität würde ihn daran hindern,
zu borgen und nicht zu bezahlen. Denn religiös ist er mit
einem ganzen Hause. Nirgends sonst ist es mir so klar,
als bei ihm geworden, daßz die fromme Gesinnung allein
Schweres als etwas Selbstverständliches tragen lehrt und
den stärksten Damm wider die Ueberflutungen der Unzu—⸗
friedenheit bildet. Würde er das Wirtshaus nur so häufig
As das Gotteshaus besuchen, so wäre es wohl längst um
seinen und um den Frieden seines Haufses geschehen.
Möchte diese Gesinnung und dieses jahrelange treue
Aushalten in schlimmen Verhältnissen endlich auch äußerlich
delohnt werden! Der Mann ist selbst schuld, daß dieser
Wunsch unerfüllt bleibt. Er hat seine Kinder nicht richtig
erzogen. Zwar kreuzbrav sind auch sie, musterhaft ist ihr
tindlicher Gehorsam. Aber sie machen sich auch gar nicht
mit dem Gedanken vertraut, daß sie, mündig geworden, in's
feindliche Leben hinaus müssen und daß es ihnen drautzen leichter
As daheim fallen würde, zum gemeinsamen Fortkommen
etwas Wesentliches beizutragen. Hat die wirkliche Not
einmal ein Kind aus dem warmen Mest herausgetrieben,
so sucht es dasselbe bald genug wieder auf, weil der erste
Flug nicht vollständig geglückt ist. Und so leben denn Eltern
und Kinder zusammen, arbeiten, wenn's Arbeit giebt, darben
aber auch, wenn die Arbeit mangelt. Unrichtiger Stolz
lenkt ihre Schritte oft auf's falsche Arbeitsfeld. Das Fa⸗
milienhaupt ist Bürger der Gemeinde: deshalb hat die Fa⸗
milie das Recht, an gewissen Tagen im Gemeindewalde
Holz zu lesen. Es wird seiten ein Holztag vorübergehen,
an welchem sie von diesem Rechte keinen Gebrauch macht,
auch wenn sie noch einmal so viele Kleider als im Tage⸗
lohn zerreißt und der Verdienst kaum halb so gut ist als
dort. Der Vater des Mannes war ein Bäuerchen zu einer
Zeit, in welchem die Arbeit in fremdem Dienste selten, der
Er thut mir jedesmal in der Seele leid, der arme Mann,
venn er, seine KLast Holz auf dem Rücken, an meinem
Ddause vorüberkeucht. Und wenn ich seine abgezehrte und
ürftig gekleidete Frau am Brunnen Wasser holen sehe,
o frage ich mich kegelmäßig: Woran liegt's, daß solche
deute auch gar nicht vorwärts kommen?
Am maͤngelnden Fleiß liegt's wahrlich nicht. Denn
sie rühren sich wacker von früh bis spät. Sie würden jeden
Tag sfür verloren halten, dessen Stunden sie nicht redlich
genützt hätten. Auch an Geschick zur Arbeit fehlt es wenig⸗—
tens dem Manne nicht. Er ist zu mancherlei Dingen brauch—
har und handhabt die Axt so gut wie den Vreschflegel.
Ja selbst die Kopfarbeit ist ihm nicht fremd. Er rechnet
ind schreibt gut und hat bei Gemeindearbeiten oft schon
eine Art Aufsicht über eine größere Zahl seiner Mitbürger
geführt. Neulich noch sah ich auf dem ersten Blatte seiner
Bibel eine von ihm geführte Chronik des letzten deutsch⸗
französischen Krieges, die sich durch ihre Genauigkeit aus—
zeichnete und durch die dem Bericht über den Frankfurter
Frieden beigefügte Mahnung: Nun danket alle Gott! Dann
ennt er das Wirtshaus vielleicht zu gut? Daß Gott er⸗
»arm! Er sieht's nicht einmal am Jahrmarkt von innen;
ind wenn er auch noch nicht oft und ernstlich krank war,
er hat trotzdem schon mehr Arzneigläser als Branntwein-
zläser geleert. Uuch häusliche Unordnung ist an seiner
schlimmen Lage nicht schuld. Nichts im Hause ist verwahr⸗
ost. Die schadhast gewordenen Dielen auf dem Stuben—
»oden sind mit Steinen von verschiedener Farbe und Ge—
talt geflickt. Die Mannigfaltigkeit wäre schön, wenn einem
zicht immer wieder einfiele, worin sie ihren Grund hat.
An den sauber getünchten Wänden hängen Bilder von
Blutsverwandten in Amerika und von Geistesverwandten
nus Deutschland, die vor drei Jahrhunderten in den Kampf
ür die Erneuerung der Kirche eintraten. Die Gläser über
den Bildern sind hell, alle Rahmen so blank, als wären sie
neu. Aber die Ordnungsliebe der Hausfrau ist nicht größer
als ihr Sparsamkeitssinn. Ihr Fabrikarbeiter in den größern
Städten würdet Euch wundern, könntet Ihr einmal jahraus
jahrein den Küchenzettel so mancher ländlichen oder halb—
fstädtischen Tagelöhnerfamilie lesen. Er ist Mittag um
Mittag dem vegetarianischen Kochbuch entlehnt, auch wenn