Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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Der Fernsprecher oder das Telephon. 
Ziner der wichtigsten Vorzüge des Menschen ist die 
ihm gegebene Fähigkeit, seine Gedanken mitteilen zu können, 
liegt doch in diesem Vorzug die Grundbedingung seiner 
stulturentwickelung. Durch das gesprochene und durch das 
geschriebene Wort übermittelt er sein Wissen und sein Wollen; 
doch es ist der Schall, dessen er für die erste Art der Ueber⸗ 
mittelung bedarf, ein langsamer und bald ermattender Bote, 
und auch der Weg, den er für die Uebermittelung des ge⸗ 
schriebenen Wortes zurückzulegen gezwungen ist, nimmt in 
bielen Fällen allzuviel Zeit in Anspruch. — Von jeher ist 
es daher der Wunsch des Menschen gewesen, schnellfüßigere 
Boten, die gewaltige Wege in der kürzesten Zeit zurücklegen, 
sich zu verschaffen und sich durch sie von Entfernungen 
möglichst unabhängig zu machen. 
Es hat der langen Zeit vom Sein des ersten Menschen 
bis zu unserm Jahrhundert bedurft, bis diesem Streben 
der gewünschte Erfolg wurde. Jahrhunderte hindurch 
wußte man nichts besseres, als durch Feuerzeichen wichtige 
Botschaften weiten Bezirken zu verkünden. Später kam ein 
Franzose auf den Gedanken, auf Hügeln oder hohen Ge— 
bäuden Masten zu errichten, an denen seitlich angebrachte 
Flügel durch verschiedene Stellungen weithin sichtbare Zeichen 
vpon verabredeter Bedeutung gaben. Noch vor 50 Jahren 
waren auch in Deutschland solche optische Telegraphen 
in Gebrauch. Sie redeten allerdings eine Sprache, denn 
die einzelnen Zeichen vertraten Buchstaben und die Buch— 
staben ließen sich zu Worten verbinden; doch es war der 
Wert dieser Fernschreiberei nur ein geringer; Nebel, Regen 
und das Dunkel der Nacht machten sie zudem unmöglich. 
Eine den größten Anforderungen genügende Fernschrift be— 
durfte eines sicheren Boten, der womöglich so schnell wie 
Licht, zu allen Zeiten und allen Umständen zu reden 
wußte. 
Einen solchen Boten entdeckte der menschliche Scharf⸗ 
sinn in der Electrizität. Nicht blos ebenso schnellfüßig 
als das Licht, sondern noch bei weitem schnellfüßiger als 
dieses, ist sie seit nun etwas über 50 Jahren der Bote, 
dessen sich der Mensch bedient, wenn er seine Gedanken 
in denkbar kurzer Zeit auf große Entfernungen mitzuteilen 
gesonnen ist. Soll dies durch Schrift geschehen, so benutzt 
er den electrischen Telegraphen, soll es durch das gesprochene 
Wort geschehen, so bedient er sich des Telephons oder 
Fernsprechers. Während ersterer schon seit 30 Jahren im 
Dienst des Menschen steht, ist letzterer erft seit etwa 12 
Jahren in Benutzung genommen. Will man die Jahre, in 
denen der Fernsprecher noch in den Kinderschuhen steckte 
und nichts rechtes zu leisten vermochte, seinem Gebrauchs⸗ 
alter hinzuschlagen, so stellt sich sein Alter auf 27 Jahre; 
er ist also ein Kind unserer Zeit, mit uns aufgewachsen 
und zu Kräften gekommen — es ist auch nicht ausge— 
schlossen, daß er im reiferen Alter noch ganz andere Kräfte 
zeigen wird, als die, die ihm jetzt schon hohe Wertschätzung 
verschafft haben. — Diesen unsern interessanten Zeitge⸗ 
nossen wollen wir jetzt naäͤher in Augenschein nehmen. 
So großartig und merkwürdig die Leistungen des 
Fernsprechers sind, so außerordentlich einfach ist seine Zu— 
sammensetzung; besteht er im wesentlichen nur aus drei 
Teilen — einem Magneten, einein mit Seide übersponnenen 
Kupferdrahte und einer dünnen Eisenplatte. Der Magnei-⸗ 
stab, der eine Laͤnge von etwa 25 em. hat, muß ein kräf⸗ 
tiger Bursche sein, d. h. im Stande, schwerere Eisenstücke 
anzuziehen und festzuhalten. Sein eines Ende ist mit einem 
langen, mit Seide übersponnenen Kupferdrahte in vielen 
Windungen umwickelt; die Enden des Drahtes sind am 
Magnetstab entlang geführt und in Klemmschrauben befestigt. 
Diese Umwickelung führt den Namen Induktionsspirale“. 
Beide, Magneistab und Induktionsspirale sind von einem 
jölzernen Gehäuse umschlossen und in diesem festgeftellt. 
Anmittelbar vor dem mit der Induktionsspirale umwickelten 
Ende des Magnetstabes befindet sich eine sehr dünne Platte 
von gewalztem Eisen, die zur Verhinderung des Rostens 
nit einem Lacküberzuge versehen ist. Auch diese Platte ist 
)urch Schrauben in dem sogenannten Mundstück in unver⸗ 
inderliche Lage gebracht. 
—A 
wollen, in Fernsprech-Verbindung gesetzt werden, so schließt 
nan an das eine Ende der Induktionsspirale im Orte 4 
einen Leitungsdraht, wie er auch bei den Telegraphen ge— 
braucht wird, und führt ihn oberirdisch oder unterirdisch 
aach B, ihn hier wieder mit dem einen Ende der In— 
duktionsspirale verbindend. Das jetzt noch freie Ende der 
Spirale wird sowohl in A als in B in leitende Ver—⸗ 
nenes mit einer in den Erdboden gelegten Eisenplatte 
gesetzt. 
Wird jetzt in einem der Orte gegen die dünne Platte 
des Fernsprech Apparates gesprochen, so hört man in dem 
andern Orte, wenn man den gleichen Apparat ans Ohr 
hält, die gesprochenen Worte, ja man erkennt auch den 
Sprechenden, wenn dies jemand ist, mit dem man schon 
von Ungesicht zu Angesicht sich unterhalten. Der Leser, 
welcher noch keine Gelegenheit gehabt, sich von der Wahr⸗ 
sjeit des Vorstehenden zu überzeugen, wird ungläubig den 
copf schütteln und sich sagen: Wie ist das moͤglich? Ja 
nan sollte es auch nicht für möglich halten und vor 20 
JFahren gab es auch noch niemanden, der z. B. zu behaupten 
zewagt hätte, daß ein in Saarbrücken lebender Vater sich 
mit seinem in Trier bei den Husaren weilenden Sohne 
unterhalten habe und daß ersterer ganz deutlich die Bitte 
aus seines lieben Sohnes Munde vernommen habe, daß 
er ihm doch einige Mark schicken möge, weil der Dienst 
doch gar zu anstrengend und das Kasernen-Essen allzu frag⸗ 
würdig sei. 
(Schluß folgt.) 
Unschätzbar, doch oft unterschätzt. 
Erzählung von Wilhelm Fischer. 
Heinrich Overlach war der Sohn eines armen Aus⸗ 
äufers in Hamburg, der seine Kinder fleißig zur Schule, 
jebenbei aber, des lieben Brotes wegen, schon früh zu allerlei 
Arbeit anhielt. Der begabte und wißbegierige Knabe hätte 
jerne studiert, doch dazu reichten die Mittel nicht hin; um 
o eifriger war er in der Volksschule, eignete sich eine 
chöne Handschrift an, las mit Ausdruck und Verständnis 
ind rechnete auf der Tafel und im Kopf gewandt und sicher. 
Doch konnte er einen gewissen Neid nicht unterdrücken, wenn 
er auf glücklichere Kameraden, die Söhne reicher Eltern, 
die Englisch und Französisch, Geographie und Geschichte, 
Mathematik und Naturwissenschaften, ja selbst Lateinisch 
and Griechisch lernen durften, waährend er auf die beschei— 
denen, von ihm fast gering geachteten Elementor⸗Oenninisse 
deschränkt blieb. 
Als er dreizehn Jahr alt war, schickte ihn sein Vater 
eines Tages mit einem Packet Bücher zu dem berühmten 
Professor Schröder hin, der seiner großen Gelehrtheit wegen 
in der ganzen Stadt im höchsten Ansehen stand und auch 
von Heinrich oft bewundernd angestarrt worden war, wenn
	        
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