Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

nicht nur beim schlichten Bürger und Bauer, sondern auch 
dei solchen Leuten, die da glauben sich einbilden zu dürfen, 
daß fie „nicht ganz ohne“ sind. Wie oft hört man nicht 
die Meinung aussprechen, daß mit dem Wechsel des Mond⸗ 
ichts anderes Wetter eintreten werde.; das eine mal soll 
derselbe Regen, das andere mal Sonnenschein bringen! 
Ja, es ist grade der Wechsel des Mondlichts, welcher bei 
dielen die bestimmte Hoffnung erweckt, daß er ihnen 
bdesser zusagendes Wetter bringen werde. Vor diesem ziem— 
sich allgemein verbreiteten Volksglauben haben verschiedene 
zelehrte Männer so viel Respekt gehabt, daß sie durch längere 
Zeit dauernde Beobachtungen und eingehende Untersuchungen 
ingestellt haben, um auf Grund derselben festzustellen, ob 
die Anschauung, der Mond beeinflusse das Wetter, berechtigt 
ei oder nicht. 
Dabei hat sich nun ergeben, daß der Lichtwechsel des 
Mondes einen Einfluß nicht ausübt. Daß dies richtig ist, 
wird jeder überzeugt sein, der sich einmal die Mühe gegeben 
hat, über den Mondlichtwechsel eingehender nachzudenken. 
Aendert der Mond vielleicht plötzlich sein Gesicht, springt 
er von einem Viertel zum andern? Nein, nur ganz all— 
nählich wird die der Erde zugekehrte erleuchtete Mondfläche 
größer oder kleiner; sie vergrößert oder verkleinert sich von 
Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde, bei Nacht 
und Tag. Etwa volle sieben Tage dauert es, bis der Mond 
oon einem Viertel zum andern anwächst oder abnimmt. 
Wie kann diese ganz allmähliche Veränderung die Ursache 
werden für den in unsern Breiten meist plötzlich eintretenden 
Witterungswechsel? — Es kann zugegeben werden, daß 
mitunter mit dem Eintritt einer neuen Mondphase auch ein 
Wetterumschlag eintritt; gewiß eben so oft tritt aber ein 
olcher nicht ein. 
Kann somit dem Wechsel des Mondlichts ein Einfluß 
auf den Wetterwechsel nicht zuerkannt werden, so wäre es 
doch falsch behaupten zu wollen, daß der Einfluß des Mondes 
nuuf das unsre Erde umgebende Luftmeer gleich Null wäre. 
Zum besseren Verständnis des Nachfolgenden muß 
porausgeschickt werden, daß der unsere Erde umkreisende 
Mond nicht immer gleich weit von derselben entfernt ist. 
Er ist vielmehr bei dieser Reise, die er in einem Jahre 
nahezu dreizehnmal vollendet, der Erde bald näher, bald 
ferner und zwar weicht dieses Mehr und Weniger um etwa 
an von seiner mittleren Entfernung ab, die bekanntlich 
31000 Meeilen beträgt; die Astronomen sprechen deshalb 
oon einer Erdnähe und Erdferne des Mondes. 
Es ist nun auch auf Grund von Beobachtungen, die man 
durch eine ganze Reihe von Jahren fortgesetzt hat, festzu⸗ 
stellen gesucht worden, ob und welchen Einfluß der ver— 
schiedene Ubstand des Mondes von der Erde auf die Tem—⸗ 
peratur und den Druck der Luft, sowie auf die Feuchtigkeit 
derselben ausübt. Dabei hat sich ergeben: 
Wenn der Mond sich in der Erdnähe befindet, so ist 
es durchschnittlich etwas kälter, als wenn er in der Erd⸗— 
ferne ist; der Unterschied beträgt aber nut etwa 30 C.; 
das ist eine Größe, der man einen nennenswerten Einfluß 
znuf die Wettergestaltung kaum zuerkennen dürfte. Den 
Luftdruck betrefsend, ist festgestellt, daß er in der Zeit, in 
welcher der Mond am entferntesten von der Erde ist, etwas 
größer ist als zur Zeit der Mondnähe; der Unterschied ist 
aber noch weit geringer, als hinsichtlich der Wärme, so ge⸗ 
ring, daß er nur mit ganz vorzüglichen Barometern erkaunt 
werden kann. 
Hinsichtlich des Feuchtigkeitsgehalts der Luft und der 
von ihm abhäugigen Regenfälle und Regenmengen haben 
die Beobachtungen ergeben, daß zur Zeit der Mondferne 
Regen etwas seltener ist, als in der Zeit der Mondnähe, 
doch ist auch hier die Differenz außerordentlich klein. Von 
1000 Regenfällen kamen auf die Zeit dex Mondferne 488. 
auf die der Mondnähe 5123. 
—AV 
der Mond auf die Gestaltung des Wetters einen Einfluß 
nicht ausübt. Wir brauchen von ihm keine Aenderung des 
Wetters, wie sie den jeweiligen Wünschen entspricht, zu er⸗ 
varten, und wir dürfen ihn nicht verantwortlich machen, 
wenn die Witterung unsern Wünschen nicht entspricht. Er 
würde ja auch unsern Unwillen lächelnd ertragen, sei es 
daß er der nach Regen dürstenden Erde seine hellen Strahlen 
zusendet oder der mit Wassermengen gesättigten sein Ange— 
sicht hinter Regen kündenden Wolken verbirgt. 
Am runden Tisch. 
Von H. Kniebe 
Der runde Tisch „in der Tulpe“ zu Niederhof ist das 
gemütlichste Plätzchen, welches nur zu finden ist, und man— 
her Bruder Studiosus, der dort mit gesessen, rechnet seinet— 
wegen Niederhof unter die „famosesten Bierdörfer“ der 
Welt. Allabendlich versammeln sich dort die Honoratioren 
des Ortes und thun dem guten Stoff des Tulpenwirts 
alle Ehre an. 
Da sitzt zunächst der lange Karl, gewöhnlich Karl der 
Große genannt. Er ist in Potsdam beim ersten Garde— 
regiment Flügelmann gewesen, und wenn das Wort auf 
Wahrheit beruhte, welches mein Nachbar in S. so gern 
auf seine lange Person bezog, daß nämlich „in einem großen 
Körper auch ein großer Geist wohnt,“ so hätte die Welt 
staunen müssen ob solcher Geistesgröße. Leider bezieht sich 
bei Karl das Staunen nur auf den äußeren Menschen, wie 
denn ein Fremder, der neulich als Gast in der Tulpe weilte, 
danz verwundert ausrief, als sich der Karl so allmählich 
von seinem Sitze erhob: „Potz Wetter, nimmt denn der 
Kerl kein Ende?“ Unter jeder Thür bückt er sich, denn da 
seine Stirn oft schlimme Erfahrungen gemacht, so ist ihm 
das Bücken zur Gewohnheit geworden, mag die Thür auch 
noch so hoch sein. Nach dem Ausspruche seines Nachbarn, 
des philosophischen August, ist Karl alle Tage zwei mal zu 
bewundern. Morgens, wenn er mit unerschütterlicher Ruhe 
die schmeichelhaften Ehrentitel seiner Gertrud über seinen 
amnordentlichen Lebenswandel hinnimmt, und abends, wenn 
er trotzdem seinen Weg wieder zum Gasthaus lenkt, um sich 
einen neuen kleinen Rausch zu holen. 
Neben ihm sitzt August, der Gelehrte und Witzbold 
der Gesellschaft. In jüngeren Jahren Kaufmann, hat er 
sich, als sein Prinzipal fallierte, von den Geschäften zurück— 
Jezogen, und lebt nun von seinen, bezw. seines Vaters 
Renten, dem zum Glück kürzlich ein sehr reicher Onkel in 
Holland gestorben, und von Wermuthbittern, wovon er un— 
laubliche Quantitäten vertilgt. Vor einiger Zeit hat er 
zine Vergnügungsreise auf den Schauplatz seiner früheren 
Wirksamkeit gemacht, ins bergische Land, und erzählte bei 
der Rückkehr mit Begeisterung von dem herzlichen Ent— 
gegenkommen, das er bei allen früheren Genoffen gefunden. 
denn: 
„Wo ein Bär den andern sah, 
Da hieß es: Petz ist wieder da!“ 
Seitdem führt er unter den Bekannten nur den Spitznamen 
Petz.“ 
— — Zeit, welche ihm vom Schlafen, Essen und Trinken 
noch übrig bleibt, benutzt er zum Lesen geographischer und
	        
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