Full text: Der Bergmannsfreund (18.1888)

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Begleitung, die mir nicht gefiel. Ist das vielleicht deine 
Quelle?“ Heinrich schwieg hartnäckig. Ich will dir was 
sagen“, sprach Dr. Samuel nachdrücklich, vor dem Maune 
hzüte dich!“ 
Es ist doch einer von euren Leuten“, murmelte Heinrich. 
„Umso eher solltest du auf mich hören. Muß ich dir 
erst sagen, daß es bei uns auch schlechte Kerle gibt? 
Du hättest freilich nicht zu uns zu kommen brauchen, sondern 
unter deinen eigenen Glaubensgenossen einen finden können, 
der diesem kein Haar breit nachgiebt, wenn du z. B. an 
den lahmen Krott geraten wärest. Laß dich warnen! Bleib' 
von ihnen. Lumpe nicht mehr. Folg' deinem Vater. Nein, 
laß dein Geld nur stecken; von dem Gelde will ich nichts. 
Du kannst mich später bezahlen, von rechtschaffen verdientem. 
Und nun geh', es ist Zeit. Kühle fleißig.“ 
Daß die Kopfwunde von einem Fall herrühre, glaubte 
der alte Winkler vielleicht nicht recht, begnügte sich aber mit 
dieser Ausrede. 
Zwei Wochen später rückten die jungen Burschen des 
Dorfes, lustig blasende Musikanten an ihrer Spitze, in aller 
Frühe aus, der Kreisstadt zu, wo die Aushebung stattfand. 
Mit dem Zehrgelde, das der Vater ihm seufzend eingehän⸗ 
digt, hätte Heinrich freilich nicht viel anstellen können, allein 
er wußte ja nun schon, wie man's machte, und fand deu 
gefälligen und verschwiegenen Freund auch daheim. So 
onnte er sehr anständig auftreten, sang und trank nicht 
schlecht, schwang jubelnd den neuen Stock und trug bunie 
Seidenbänder an der Mütze, so reich und lang wie der 
Beste. Denn er war tauglich befunden worden, und das 
ihn und sogar das treue Lorchen mehr, als den 
Vater. 
Als die Zeit des Eintritts heranrückte, bemerkte der 
alte Winkler einmal bei Tisch: „Ein paar Jahre geh' ich 
wohl noch mit, obgleich ich täglich steifer werde Aber 
wenn du wieder los kommst, so wär's am besten. dich bald 
uu verheiraten.“ 
„Jawohl“, rief Heinrich mit ungewohnter Lebhaftig— 
keit, das hab' ich auch schon gedacht.“ Stina wurde rot. 
zanz unnötiger Weise. 
Der Abschied von ihr und vom Vater fiel ihm nicht 
schwer. Anders war's bei Lorchen. Sie weinte, und auch 
ihm wurden die Augen feucht. Dann trösteten sie einander 
wieder und versprachen sich Treue und Standhaftigkeit. 
Endlich rissen sie sich notgedrungen los. In ernster Stim— 
mung schritt er davon. Als er eine Weile später in seine 
Westentasche griff, fand er, sorgfältig in Papier eingewickelt 
eine glänzende Doppelkrone darin; die hatte ihm das treue 
Mädchen unvermerkt bei der letzten Umarmung zugesteckt. 
Zum Zurückgeben war's nun zu spät. „Aber es soll ihr 
nicht unvergolten bleiben“, gelobte er sich. 
SGanz mit leeren Händen war er auch von Hause nicht 
weggegangen, so daß er für die nächste Zeit keine fremde 
Beihilfe nötig hatte. Aber drei Jahre sind lang — er 
nahm doch noch mehrmals seine Zuflucht zu der verborgenen 
Quelle. Der Dienst bekam ihm wohl. Er gehörte eben 
zu den vielen Leuten, die sich nicht besser befinden, als 
unter strenger Leitung, wenn dieselbe nur zugieich weise. 
zerecht und wohlwollend ist. 
Als er zum erstenmal, schlank und stattlich und mit 
dlühenden Wangen, auf Urlaub kam, fand er einen Stein 
des Anstoßes aus dem Wege geräumt. Der Notariats- 
BGehilfe, wieder im Gehalt erhöht, hatte Lorchen in aller 
Form einen Heiratsantrag gemacht, und als sie ihm ebenso 
entschlossen einen Korb gegeben, Knall und Fall um ihre 
beste Freundin angehalten, die nicht nein sagte, und sich 
wohl dabei stand. Darüber freute sich Heinrich sehr, wie 
Lorchen sich ihrerseits über sein vortreffliches Aussehen und 
und seine straffe Haltung freute. Er kam ihr stattlicher 
und selbstbewußter, mit einem Worte männlicher vor. Nur 
zu schnell gingen die schönen Tage vorüber. 
Aber auch die Jahre gingen vorüber, für Heinrich 
in den Abwechselungen des Soldatenlebens noch verhält— 
nismäßig rasch, langsamer für Lorchen, die fortwährend in 
demselben ruhigen Hause blieb. Sie lebte noch stiller und 
eingezogener, als früher; sie ging zum bloßen Vergnügen 
ast niemals aus; sie arbeitete und sparte, sie hoffte und 
harrte in treuer Geduld. Und endlich kehrte ihr Geliebter 
mit guten Zeugnissen und unveränderten Gesinnungen in 
die Heimat zurück. 
Er war seinen Vorsätzen treu geblieben und trotz aller 
Versuchung in seinen Ausgaben mäßig gewesen. Ulles in 
allem hatte er nur vierhundert Mark nach und nach von 
Marum entnommen und ihm darüber, nach erreichter Voll⸗ 
ährigkeit, bereitwillig eine bindende Schuldverschreibung 
nusgestellt, ‚„um Lebens und Sterbens willen — sonst wär's 
ja unter Ehrenmännern nicht nötig, he?“ Und der Ehren⸗ 
mann drängte ihn durchaus nicht. Im Gegenteil. Er 
hzätte ihm mit Vergnügen noch mehr geliehen. 
So konnte Heinrich mit sich selbst und seiner Lage, und 
nehr noch mit dem Empfange daheim zufrieden sein, wo 
man freilich von seiner Schuld nichts wußte. Lorchen weinte 
vor Rührung und Freude beim Wiedersehen. Uber auch 
der Vater war ziemlich gnädig. Stina kochte dem heim— 
zekehrten Krieger zu Ehren etwas besser als gewöhnlich, 
und die ersten Tage verliefen friedlich und freundlich. 
Das änderte sich, als der Alte wieder von den Hei— 
ratsplänen, und Heinrich, mit ungewohnter Entschiedenheit, 
von Lorchen begann. Der alte Winkler starrte ihn an, 
als ob er seinen Ohren nicht traue, und brach dann, auch 
zanz wieder Gewohnheit, in polterndes Schimpfen aus: 
„Das Waisenlind? Die Tochter des verlumpten Tagelöhners, 
der sich zu Tode gesoffen hat! Ich hab' ihrer Mutter 
manches Brot geborgt, das nicht bezohlt ist, manches Al— 
nosen gegeben, als sie mit ihren arnen Würmern im Elend 
saß, und die Letzte aus dieser sauberen Familie wolltest 
du mir ins Haus führen? Das Bettelm ensch? Es kann dein 
Ernst nicht sein!“ 
Er war selbst weder vornehm noch reich, und blickte 
doch mit unendlicher Verachtung auf Lorchen und ihre El— 
ern herab. Es ist merkwürdig, wie hochmütig ein paar 
—— gewisse Leute den ganz Besitzlosen gegenuͤber machen 
önnen. 
„Das verdient sie nicht!“ erwiderte Heinrich, rot vor 
Zorn. Stina hatte den Tisch verlassen und sich in die 
nüche begeben, die Zwischenthür aber nur angelehnt. 
Lorchen ist kein Bettelmensch, sondern das beste und lieöste 
Peädchen im ganzen Ort. Schreib' die Rechnung für ihre 
Mutter, wenn du noch was zu fordern hast; sie bezahlt's! 
Sie hat Geld genug auf der Sparkasse, ehrlich verdient.“ 
Der Vater merkte, daß er zu weit gegangen war, und 
fuhr rubiger fort: „Freut mich zu hören. Dann wär' sie 
eine paßßende Frau für unseren Gesellen, aber noch lange 
aicht für dich. Sei verständig. Du kannst eine bekommen, 
die doppelt so viel Thaler hat, als die arme Magd Mark. 
a man erweibt, braucht man nicht zu erhansen. Nimm 
die Stina —“*
	        
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