Full text: Der Bergmannsfreund (5.1875)

V. Zahrgang. 
Nr. 2. 
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——— 
Eaarbrücken, 
—AX 
Wocheublatt zur Unterhaltung und Belehrung für Berglente. 
Erscheint jeden Freitag. Bestellungen nehmen die Erpedition in Saarbrücken, alle Postanstalten, sowie auf den hiefigen Gruben und den 
benachbarten Ortschaften die besonderen Boten entgegen. 
kreis für das Vierteljahr bei der Expedition 30 Moypfg. durch die Poftanstalten oder durch die besondern Boten bezogen 40 Mofg. 
Der Abonnementsvpreis ist im Laufe des ersten Ronas w berichtigen. 
Vom Gotthard⸗Tunnel. 
11. 
Die Arbeiten im innern Tunnel geschehen Tag und 
Nacht mit achtstündigem Wechsel. Die Mannschaft von je 
acht Stunden heißt ein, Posten“ und hat ihre ,Postenchefs.“ 
zIn der Regel sind innerhalb dieser Zeit Bohrlöcher so 
zahlreich gestoßen, daß die Maschinen zurückfahren können, 
and „abgeschossen werden kann. Einzelne besonders be— 
stimmte Lente schieben die Dynamit-Patrone ein, an welcher 
die Zündschnur befestigt ist, dämmen,“ das ist stopfen das 
Loch und — machen, daß 'sie fortkommen. Vie Schnur 
zrenut ungefähr zwei Minüten, so daß bei einiger Vorsicht 
Befahr für die Arbeiter nicht vorhanden ist. Welche Ge⸗ 
walt die Entladung äußert, macht sich durch das mächtige 
Betöse begreiflich, weiches weil ins Thal hinausdringt. 
Banz ohne Unglücksfälle blieb die Wirkung des gefährlichen 
Sprengstoffes indeß doch nicht, denn unlängst entzündete 
sich eine Patrone beim Hineinlegen durch die Hide des 
frischen Bohrloches und Ferschmetterte die in dar Nähe 
ttehenden Arbeiter. Nach einer vorgeschriebenen Zeit geht 
die Mannschaft wieder hinein, räumt die Splitter auf“ die 
urch Pferde heraufgeführten Wagen und setzt die Ma— 
schinen von Neuem an, nachdem zuvor die Schienen nach— 
gelegt sind,. Je weiter diese vorschreiten, desto mehr wird 
auch das Rohr, welches die komprimirte Luft hineinführt, 
derlüngert. Eine besondere Ventilation für die Arbeiter 
st bis jetzt noch nicht erforderlich. Die Luft, welche die 
Bohrmaschinen ausstoßen, thut diesen Dienst und strömt 
zuch während der Zeit ein, wo die Maschinen nicht bohren. 
Die gefüllten Steinwagen werden von lleinen Jungen, 
sämmtlich Italiener, deren eine große Anzahl hier ihr Brod 
zerdient, bis zur Rampe geschoben und sausen dann in schnellem 
Schuß hinab, dem Ausgange des Tunnels zu. Einer oder 
mehrere der Burschen hoͤcen hinten auf und mahnen durch 
lautes Tuten Jeden, aus dem Wege zu weichen. Am Ein— 
Jange rangirt sich so der Zug und wird von einer Loko— 
motive hinausgezoͤgen, um entleert zu werden. Eine Loko— 
motive, ja — aber ohne Dampf. Den letztern ersetzt die 
Füllung eines riesigen, wohl dreißig Fuß langen eisernen 
Kessels — viederuin verdichtete Luft — welcher als Ten— 
der hinter der Lokomotive fährt. Ein Schlauch verbindet 
beide. Ein anderer wird, wenn die Spaunnung der Luft 
erschöpft ist. mit den Kompresiren in ab gebracht 
und vermittelt die neue Füllung. Dieses einfache Verfahren 
muß jeden Zuschauer auf das Aeußerste überraschen. Dabei 
erscheint es fast, als ob der Schornstein der Lokomotive 
Dampf aushauche, aber es ist nur die mit Feuchtigkeit ge⸗ 
ättigte Luft, welche eine trübe Färbung annimmt. 
In der Regel, wie gesagt, wird dreimal in vierund— 
zwanzig Stunden gesprengt, und das ist gleichbedeutend 
mit einem Vorschreiten von drei Metern für den Tag. 
Zuweilen gelingt es viermal. Die neuen Maschinen stoßen 
etwa in fünfzehn Minuten die volle Länge des Bohrers in 
das Gestein. Im Monat beträgt die gewonnene Tiefe etwa 
sjundert Meter. Was für Hindernisse sich noch einstellen 
verden, ist nur annähernd zu ermessen. Das Gestein wird 
chwerlich härter werden, als es zur Zeit sich bietet. Da— 
zegen erwartet man, stellenweise auf Glimmerschiefer zu 
toßen, der Zerklüftungen und Wasserspalten zu haben pflegt. 
Anter Andermatt wird der Tunnel dem Bette der Reuß 
iemlich nahe kommen, weiterhin führt derselbe unter einem 
Alpensee hin. Auf der italienischen Seite erschwerten die 
interirdischen Wasser zeitweise schon die Arbeii. 
Je tiefer der Tunnel hineinreicht, desto mehr verwickelt 
ich der Arbeitsbetrieb. Die erwähnte Rampe muß be— 
zreiflicherweise weichen, und schon jetzt steht das eiserne 
»ewegliche Gerüste, welches dann spaͤter die Schuttwagen 
uuf das obere Stockwerk hinaufheben soll. Vermuthlich ist 
zuch für diese Arbeit wiederum die verdichtete Luft in Aus— 
icht genommen. Um Zeitverlust und Abspannung der Ar⸗ 
heiter zu vermeiden, werden dieselben bald milt Pferden 
um Arbeitsplatz gefahren werden müssen. Zum tiefsten 
Punkte ist es jetzt bereits eine halbe Stunde Weges auf 
chlüpfrigem Gestein. 
Eine besondere Arbeit im Innern des Tunnels, welcher 
hier noch zu gedenken ist, bildet das Auswölben. Der 
Festigkeit halber und zum Schutze gegen einsickernde Wasser 
vird dies auf den meisten Strecken zu geschehen haben 
ind ist in der Nähe des Einganges bereits vollendet. Die 
zroßen keilförmigen Granitstücke, welche dabei zur Verwen⸗ 
»ung kommen, werden an verschiedenen Stellen auf den 
iußern Abhängen gebrochen und behauen. Die Steine 
verden wie bei jedem Gewölbe über große Holzbogen auf— 
geschichtet. Eine eigenthümliche Schwierigkeit bietet nur 
das Einsetzen des Schlußsteines. Um diesen von oben herab 
insenken zu können, muß an der höchsten Stelle die Fels— 
vecke noch etwas weiter fortgesvrenat sein Nwischen dem
	        
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