Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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Die Todten sind nun freilich nicht wieder ins Leben 
zurückzurufen, ihren Frauen, Kindern und Eltern nicht wie— 
derzugeben. Eine Lehre aber kann jeder Bergmann aus 
diesen zwei Unglücksfällen entnehmen. Möchte ein jeder 
unsrer Leser dieselbe sich einprägen und in dem Kreise seiner 
Kameraden verbreiten: 
Das Schießen beim Vorhandensein schla— 
gender Wettter ist im höchsten Gradegefährlich 
und daher unbedingt zu unterlassen, wenn auch die Menge 
der Wetter anscheinend nur gering ist. Niemals sollte 
ein Bergmann in einem Steinkohlenflötze, welches irgend 
mit schlagenden Wettern behaftet ist, einen Schuß wegthun, 
ohne sich vorher durch sorgfältige Untersuchung mit der 
Sicherheitslampe überzeugt zu haben, daß weder an der 
Stelle des Schusses noch in der Nähe der Arbeit die ge— 
ringste Spur von schlagenden Wettern vorhanden ist. 
In beiden hier beschriebenen Fällen ist nicht anzunehmen, 
daß behufs Entzündung des Schusses die Sicherheitslampe ge— 
öffnet worden; es ist vielmehr wahrscheinlich, daß sowohl Po— 
dehl, als Kruse zum Anzünden sich des Feuerschwammes bedient 
haben, welcher mit Feuerstein und Stahl zum Glimmen ge— 
bracht war, wie dies für den Fall vorgeschrieben ist, daß die 
Entfernung der schlagenden Wetter gelingt. Letztere sind aber 
in beiden Fällen nicht völlig entfernt und durch glühende 
Pulvergase oder unverbrannt herausgeschleudertes Pulver 
zur Explosion gebracht worden. Nicht allein das eigene 
Leben gefährdet, wer in schlagenden Wettern schießt, sondern 
auch das Leben aller in der Nähe arbeitenden Kameraden, 
und was noch schlimmer ist, das Leben derer, welche den 
Tollkühnen selbst und seine Opfer zu retten herbeieilen und 
todesmuthig, wenn auch zuweilen unüberlegt, weil ohne 
Aussicht auf Erfolg, ihre Existenz aufs Spiel setzen. 
Finden sich also beim Untersuchen vor dem Wegthun 
des Schusses, bei welchem die äußerste Sorgfalt nicht genug 
zu empfehlen ist, auch nur Spuren schlagender Wetter, so 
darf unter keiner Bedingung geschossen werden, bevor die 
Beseitigung des gefährlichen Gases vollständig gelungen ist. 
Um dies aber zu bewirken, muß dem betreffenden Steiger, 
beziehungsweise dem Betriebsführer, Meldung gemacht 
werden. 
Die obenerwähnte Polizeiverordnung für die Zeche 
Erin schreibt vor: „Die Schießarbeit an solchen gefährlichen 
Betriebspuncten kann nur unter persönlicher Verantwortung 
des Abtheilungssteigers erfolgen, und ist den Bergleuten 
ohne dessen Genehmigung nicht gestattet.“ 
In dem Kruse'schen Falle hatte der Betriebsführer die 
Leute ausd rücklich angewiesen, sobald sie schlagende Wet— 
ter bemerkten, nicht zu schießen, und damit sie im Verdienst 
nicht geschmälert würden, inzwischen die Streckenzimmerung 
zu repariren, wobei sie 198 Thlr. Schichtlohn erhielten. 
Wenn nun auch jeder fleißige Bergmann bemüht ist, ein 
möglichst hohes Lohn zu verdienen, so muß er sich doch 
durch dieses an sich ganz lobenswerthe Bestreben nicht ver⸗ 
leiten lassen, sich einer so ungeheuren Verantwortlichkeit aus⸗ 
zusetzen. Außer dem eigenen Leben, der eigenen Gesund⸗ 
heit und Freiheit, setzt er Leben und Gesundheit seiner 
Kameraden und Vorgesetzten aufs Spiel und muß sich, wenn 
er selbst mit dem Leben davon kommt, immerdar die bitter— 
sten Vorwürfe machen. 
Der Beruf des Bergmannes bietet schon Gefahren ge— 
nug, welche sich nicht verhüten lassen. Unverzeihlich ist es, 
dieselben noch durch Fahrlässigkeit und Tollkühnheit zu ver— 
mehren! Darum vor Allem: „Gehorsam gegen die ge— 
setzlichen Anordnungen!“ Damit aber Niemand über 
diese Anordnungen selbst in Unkenntniß bleibe, muß jeder ver— 
ständige Bergmann sich genau mit den zur Sicherung des 
eigenen Lebens und des Lebens seiner Mitarbeiter erlassenen 
Vorschriften aus eigenem Antriebe bekannt zu machen suchen; 
bei dem Vorlesen derselben zugegen sein und aufmerksam 
zuhören; die durch Anschlag zu Jedermanns Kenntniß ge— 
brachten Verordnungen sorgfältig lesen und sich über das, 
was er nicht zu verstehen glaubt, bei seinem Beamten Rath 
erholen. 
Daß jeder Bergmann das Lesen gelernt und das Ge— 
lernte nicht vergessen habe, ist eine Voraussetzung, welche 
leider nicht allemal zutrifft, obwohl die Gelegenheit den 
Meisten geboten ist. 
Wanderungen deutscher Bergleute.“) 
Die Auswanderung deutscher Bergleute in größerem 
Maaßstabe hat vermuthlich schon zu Anfang des gegenwär— 
tigen Jahrtausends, jedenfalls im zwölften Jahrhundert be— 
Jonnen. Damals waren in den südlichen und östlichen Grenz— 
ändern zahlreiche Silbergruben entdeckt worden, von deren 
scheinbar unerschöpflichem Reichthume, ebenso wie bei den 
im Alterthum berühmten Bergwerken von Attika und Spanien, 
heute fast Nichts als der Name geblieben ist. Damals aber 
brachte die Entdeckung eine Umwaͤlzung hervor, ähnlich der— 
jenigen, welche fpäter der Entdeckung der amerikanischen Sil— 
berminen und in unseren Tagen der Goldfelder in Califor— 
nien und Australien folgte. Mögen immer die Berichte der 
Geschichtschreiber märchenhaft erscheinen, so viel steht als 
historisch überliefert fest, daß mehrmals — in den Jah— 
ren 870 und 948 — durch gesetzliche Verbote dem Verlas— 
sen der Feldarbeit und dem Zudrange zu den Bergwerken 
gesteuert werden mußte, weil die Aecker ungebaut liegen blie— 
ben und große Hungersnoth das Land überzog. 
Natürlich zogen solche, so zu sagen californische Zustände 
starke Einwanderung herbei, vorzüglich aus dem dichter be— 
völkerten Sachsen, in welchem ebenfalls ein blühender Sil— 
berbergbau betrieben wurde, dessen Alter zwar nur bis auf 
Kaiser Otto den Großen zurückgeführt werden kann, aber wahr— 
scheinlich weit höher hinaufreicht. 
Nicht etwa als gedungene Arbeiter kamen die deutschen 
Bergleute in die slavischen Grenzländer. Sie waren die 
Herren des durch ihren Kunstfleiß und wohl auch durch ihr 
uapital gegründeten Bergbaues. Sie gaben demselben ihre 
Sprache und ihre Gesetze. Sie schlossen Verträge darüber 
mit den Landesherren. Sie gründeten Colonien, von welchen 
aus die deutsche Cultur sich in den slavischen Landen ver— 
breitete. Dies gilt namentlich von Niederschlesien, wo un— 
ter den Herzogen Heinrich J. und II. durch deutsche Ein— 
wanderer die Bergstädte Löwenberg und Goldberg gegründet 
wurden. Das Löwenberger Goldrecht wurde in deutscher 
Sprache 1278 aufgezeichnet. Schon in der Schlacht bei 
Wahlsiadt (1241) aber kämpften die deutschen Bergleute von 
Boldberg neben den deutschen Rittern unter Herzog Heinrich 
I. dem Frommen gegen die Tataren und wendeten durch 
ihre siegreiche Niederlage die zerstbrende Fluth der mongo— 
sischen Schaaren von Deutschland ab. Keiner floh, keiner 
wurde gefangen, alle waren geblieben, aber das Heer der 
Mongolen lenkte seinen Marsch nach Ungarn ab, um nicht 
noch einmal deutschem Widerstande zu begegnen. 
Die deutschen Bergleute scheinen im 12. Jahrhundert 
noch weiter als in die slavischen und romanischen Grenzlande 
vorgedrungen zu sein. So nach Massa Maritima in Tos— 
*) Nach einem gleichnamigen Aufsatze von Dr. Klostermann 
in der Zeitschrift für Bergrecht 1872. 1 Heft.
	        
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