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noch Wasser aus demselben ausfloß, vielmehr nur der obere
Stoß anfing naß zu werden. Am 27. früh, dem Unglücks—
tage selbst, fand der zur Wetter-Untersuchung die Strecke
befahrende Wettermann Wasser aus dem Bergmittel aus—
fließen. Die etwas später anfahrende Belegschaft, bestehend
aus 2 Häueru und 1 Schlepper, gewahrte vor Ort inner—
halb des Bergemittels ein ziemlich großes Loch, durch
welches reichlich, aber ruhig, klares Wasser abfloß. Offen—
bar war das Bohrloch nach und nach in seiner untern
Hälfte vom Wasser weiter in dem milden Bergmittel ausge—
spült worden.
Ihrer Instruction gemäß zog sich die Mannschaft aus
der Strecke zurück, um vorerst Meldung von der Sachlage
bei dem Abtheilungssteiger Karl Ries zu machen. Dieser
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dem Schlepper vor Ort. Während alle 4, nach Aussage
des überlebenden einen Häuers und des Schleppers, vor dem
Stoße sich befanden und der Steiger eben untersuchen wollte,
wie stark wohl noch die anstehende Schwebe bis zum alten
Bau sein möchte, brach plötzlich aus dem vorhandenen Loche
das Wasser durch, der gewaltige Strom warf in einem
Nu die 4 Männer zu Boden und riß sie mit fort Es
war dies kaum einige Minuten nach Ankunft des Steigers
vor Ort geschehen, gegen 813 Uhr Morgens.
Zwei Bergleuten, dem Hauer Friedr. Spengler und
dem Schlepper Michel Weber, an denen noch unmittelbar
vorher der Steiger im Querschlage vorbeigefahren war, und
welche eben bei der Mündung der Grundstrecke in den
Querschlag beschäftigt waren, einen Wagen Holz auf das
Gestänge der Grundstrecke zu schaffen, stürzten plötzlich große
Wassermassen mit starkem Getöse aus der Grundstrecke ent—
gegen, so daß sie in einem Augenblicke schon bis über die
Kniee im Wasser standen. Ohne Zögern drangen beide so—
fort dem Wasser entgegen in die Grundstrecke vor. Sie
bemerkten hier gleich einen bis an die Brust im Schlamme
und Wasser steckenden Mann, den Hauer Michel Weiler,
und dicht bei ihm noch einen zweiten, von dem nur die
Füße hervorragten. Letztern zu befreien gelang nicht, da
er mit dem Kopfe unter einem Förderwagen steckte, der
quer in die Grundstrecke eingeklemmt war. Gleich daraus
kam von Osten her der Steiger Schmidt mit dem Schlepper
Jung, den er ebenfalls aus dem Wasser und Schlamme her—
ausgezogen hatte. Mit Hülfe noch einiger hinzugekommener
Leute gelang es, den eingeklemmten Wagen loszumachen und
den unter demselben liegenden Verungluͤckten hervorzuziehen.
Es war der Steiger Karl Ries, leider bereits im Wasser
erstickt und eine Leiche. Der erwähnte Hauer Weiler war
ohne große Mühe, zwar stark, aber doch nicht lebensgefährlich
verletzt, herausgeschafft worden. Den noch vermißten vierten
der bei dem Durchbruche direct Betheiligten, den Hauer
Friedr. Leibrock, gelang es trotz aller Anstrengung erst
nach 16stündiger Arbeit, Nachts 12 Uhr, in der Nähe der
Abbaustrecke Nr. 7 todt aufzufinden und aus dem hier auf⸗
gestauten Wasser und Schlamme hervorzuziehen.
Die Gewalt des Wassers hatte in der Abbaustrecke
Nr. 4 nicht nur am Ortsstoße das ganze Bergmittel her—
ausgewaschen, sondern tief in's Liegende der Strecke einge—
wühlt. Die herabgeschlämmten Kohlen- und Bergemassen
füllten die 2 Meter hohe Grundstrecke auf eine bedeutende
Entfernung hin fast bis zur Firste aus.
Eine Schuld an dem traurigen Unglücksfalle, der den
Tod von zwei wackern Männern, sowie außerdem die Ver—
letzung von zwei andern veranlaßt hat, kann nach Lage der
Sache Niemanden zugeschrieben werden, da alle Vorsichts⸗
maßregeln erfüllt worden sind. Der plötzliche, heftige Durch—
hruch des Wassers ist wahrscheinlich so zu erklären, daß
hinter dem Bohrloche im alten Baue Anfangs die vorliegen⸗
den Bergemassen nur ein langsames Abfließen der Wasser
gestatteten, daß dieselben aber, als der Steiger Ries die
Stärke der Schwebe messen wollte und dabei vielleicht
mit dem Stocke die förmlich als Damm vorliegenden Berge—
massen lockerte, dem Drucke des Wassers nicht mehr wider—
tanden, und letzteres in einem gewaltigen Schwalle hervor—
türzte. Daß überhaupt an dem in Rede stehenden Punkte
aoch größere Wassermassen stehen konnten, war nicht mehr zu
vermuthen, seitdem bereits, wie bemerkt, die Abbaustrecke
Nr. 1 längere Zeit durchschlägig geworden war. Wahr—
scheinlich ist in dem alten Baue zwischen beiden Punkten
durch Einsturz des Hangenden eine Art Damm entstanden,
in Folge dessen oberhalb der Abbaustrecke Nr. 4 ein
zrößerer Wassersack sich bildete, der durch die Strecke Nr.
ĩkeinen Abfluß mehr hatte und sich jetzt bei Nr. 4 gewalt—
am Durchbruch verschafft hat.
Ursprung und Entwicklung des Bergbaues.
XIX.
Der Beginn des Erzbergbaus im hentigen Königreich
Sachsen wird für einige Bergwerke schon in's 10. Jahr⸗
hundert zurückversetzt, zu welcher Zeit die damaligen deutschen
Kaiser Bergleute von Goslar nach der Gegend von Meißen
Jinuüberzogen. Es wird sogar auch berichtet, — jedenfalls
tark überirieben — daß schon im Jahre 1005 auf einer
einzigen Grube bei Mitweida 5526 Bergleute gearbeite!
haben sollen. Indessen nach allen zuverlässigen Nachrichten
ällt die Entdeckung der Silberbergwerke bei Freiberg erst
unter die Regierung des Kaisers Friedrich J. Barbarossa
1152-1190), und sind die Freiberger Gruben sowohl die
aältesten, als auch die hauptsächlichsten der damaligen Mark⸗
grafschaft Meißen gewesen.
So wie die meisten übrigen Bergwerke, scheinen auch
die nachher so überaus bedeutenden Gruben bei Freiberg
ihre Entstehung dem Zufalle zu verdanken. Um das Jahr
1168 fand ein Fuhrmann von Goslar am Harze, der Salz
von Halle durch das Land Meißen nach Böhmen fuhr, in
dem Geleise der Straße, da wo jetzt auf luftiger Ebene
Freiberg steht, ein Stück Erz, dessen Glanz ihn verleitete,
es aufzuheben und mit sich nach Goslar zu nehmen. Als
aun dort beim Probiren des Erzes sich ergab, daß dasselbe
noch viel reichern Silbergehalt hatte, als selbst das Gos—
lar'sche Erz, zog alsbald eine Anzahl Knappen von Goslar
nach dem Lande Meißen hin. Die guten Nachrichten, die
sie in ihre Heimath sandten, bewogen dann nach und nach
biele andere Bergleute vom Harze, ihnen dorthin nachzu—
folgen, zumal die Bergwerke am Harze zu dieser Zeit in
Folge von Kriegsereignissen theilweise zerstört waren. Der
Markgraf Otto von Meißen, der nachher von dem reichen
Ertrage der in seinem Lande gegründeten Bergwerke den
Zunamen „der Reiche“ erhielt, unterstützte die eingewanderten
Bergleute nach Kräften und begann 1171 für sie eine Stadt
anzulegen. Da die Bewohner der letztern mit vielen Frei—
heilen ausgestattet wurden, so nannte man die Stadt „den
kreien Berg“ oder „Freiberg.“
Daß die Bergwerke in der Umgebung von Freiberg
schon in den ersten Zeiten sehr ergiebig gewesen sein müssen,
heweist der damals fast unerhörte Reichthum des Markgrafen
Otto von Meißen und seiner Nachfolger. Auch die Berg—
leute und Gewerken erlangten in Folge der Ausbeuten aus
den Gruben einen bedeutenden Wohlstand, der noch durch
die mit dem Bergbau zusammenhängenden Gewerbe und