Full text: Der Bergmannsfreund (3.1873)

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schrieb und allabendlich im Herrenstübchen im „Adler“ saß. 
Die Adlerwirthin meinte oft, sie sei doch eine ersahrene 
Frau, aber daß der Herr Förster noch immer so seinen ge— 
raden Gang hab' heimwärts, das nehm' fie Wunder! 
Und die Andern, die im Herrenstübchen saßen? der 
Chirurgus? der Faktor von der Papiermühle? der Geo— 
meter? — die hatten alle schon ihre Weiber, und der Herr 
Pfarrer gar die Zweite. Nein, das war Nichts. Der, wel⸗ 
cher kommen sollte, der mußte noch kommen, die Lisbeth 
wollte sein warten und müßt' sie — was? — sie wußt' es 
nicht recht, die alte Uhr hatte sie unterbrochen: 
Tick, tack im Pendelschwung! 
Mädchen, bleibst nicht immer jung, 
Mädchen, mußt dich sputen! 
Tick, tack, früh und spät 
Ruhelos die Zeit vergeht, 
Jahre wie Minuten! 
Das war eine erste Mahnung und ein Wort zu seiner 
Zeit; die Lisbeth verstands wohl. „Ja, ja, die Zeit ver— 
geht!“ sprach sie vor sich hin, und wie bäumend berührte 
ihr Fuß das Trittbrett des Rades, griff ihre Hand nach 
dem Faden, da schnurrte und sauste das Rädchen und sang 
„Dreh mich lustig, dreh mich rund, 
Faden zieh und Fädchen, 
Gute Laune schaff ich und 
Haus und Hof, mein Mädchen! 
Schnurr, schnurr, gelber Flachs, 
Grauer Hanf in Flocken, 
Daß des Hauses Giebel wachs', 
Sitzt die Frau am Rocken.“ 
Und vom Fenstersims her kam es wie süße Kinder— 
stimmen, das waren die Vergißmeinnicht, die der Conrad 
hingelegt hatte. Ach, wie klang das so innig, so flehend, 
so liebevoll! 
Vergiß mein nicht im bunten Schimmer 
Des Wahngebilds, das dich umflicht! 
So wie ich liebe, liebt dich nimmer 
Ein Herz — ach Lieb', vergiß mein nicht! 
Jetzt schossen der Lisbeth Thränen in die Augen, und 
es drang ihr so warm zum Herzen. „Kommt, arme 
Blümlein,“ sagte sie, „ihr könntet frieren draußen,“ und 
steckte sie in's Mieder. 
Und was ward noch für eine Mahnstimme laut? 
War es die Stimme der Fee, die segnend an ihrer Wiege 
gestanden? war es der Giebel des Hauses, der es herab— 
sang? was es auch war, es war ein guter Spruch und 
werth, über eines Hauses Eingang und in eines Weibes 
Herzen geschrieben zu sein. — Es klang — 
Seines Hauses Mißgeschick 
Wehrt des Maunes Schweiß. 
Eine Burg dem Erdenglück 
Baut der Frauen Fleiß! 
Daß die Burg gefestet sei 
Wie mit Thurm und Wall, 
Soll die Liebe frisch und frei 
Walten überall! 
„Gott segne die Arbeit!“ pflegte die Mutter zu sagen, 
und das unverstandene Wort kam dem Mädchen jetzt auf 
die Lippen, und mit einem Male verstand sie's. War nicht 
der Mann, der im Schweiße seines Angesichts des Hauses 
Mißgeschick abwehrte, ein ritterlicher Kämpfer, ein Drachen— 
sieger? War nicht in dem geordneten Hause die sorgende 
Frau eine Königin? Schlang nicht die Liebe um Mann 
und Weib ihre Purpurgewänder, ihre blühenden Kränze? 
Nein. die Wunder sind nicht vorbei. alle Tage, alle Stun— 
den geschehen Wunder, schöner, als je ein Märchen oder 
Sage sie geträumt. 
Die Lisbeth stand auf, ihr war so leicht und fröh— 
lich, sie hätt mögen ein Vogel sein, und doch auch wieder 
herzinnig weh war's ihr, wenn sie dachte, wie schnöd sie 
den Conrad behandelt. 
Draußen verglühte das Abendroth, blasses Dämmer— 
licht hing um die Büsche, nur die Kuppen der Berge strahlten 
noch röthlich, und der Kirchthumknopf mit dem Wetterhahne 
zlühte wie ein Karfunkel durch den bläulichen Rauch der 
Schlote, denn es war Nachtessenszeit, und jetzt klang auch 
die Abendglocke und läutete Pfingsten an. Die Lisbeth 
zing vor's Haus, sie mußte doch sehen, ob Eltern und 
Beschwister heim kamen vom Markte und das Gesinde 
vom Feld. 
Es war noch still draußen auf dem Weg, nur die 
Glocke läutete und tönte über das stille Dorf. 
Pfingsten will kommen, 
habt ihr's vernommen, 
Ihr Gottesgeweihte, 
Den Ruf der Freude? 
Geistes Weben 
Und ewiges Leben, 
dimmlische Freude künd' ich euch an. 
pfingsten will nah'n. 
So klang es über Berg und Thal, und wer stand dort am 
Bartenzaun? wen rief's mit dem Ruf der Freude? Der 
Lonrad war's, der die Liebste kommen sah mit seinem 
Strauße vor der Brust. 
Ob sie ihn auch sah? — ob sie davonlief? — Wir 
glaubens nicht, denn Pfingsten, das Fest der Freude, ging 
noch oft mit Glockenklang und Blüthenschmuck über der 
Mühle am Bach auf, darinnen ein fleißiges, heiteres Weib 
dem Glück eine Burg gebaut hatte, und ein tüchtiger Mann 
chaffte und sorgte als seines Hauses rechter Fürst. Und 
nuis der Mühle heraus sprang eine gesunde Schaar Knaben 
und Mädchen — wie sahen sie nicht dem Conrad ähnlich 
and der Lisbeth! Und da und dort nach allen vier Winden, 
wohin eines seinen Stab trug und sein Gezelt aufschlug, 
nahm es einen Stein mit fort aus der Burg des Glückes 
und der Arbeit, daß es seines Hauses Eckstein werde und 
Giebelschmuck. — Das war der ersten Fee Geschenk. — 
Aber auch die Zweite sei nicht geschmähet im schimmernden, 
dielfarbigen Glanze, wenn sie zu der Ersten dienend sich 
gesellt. 
Deutsche Sprũche. 
Wer Gott vertraut, mit regem Fleiß 
Des Lebens Stunden nützt: 
Der ärntet Segen für den Schweiß 
Und ist von Gott beschützt. 
Der Eine macht's, der Andre betracht's. 
Der Dritte veracht's, was macht's! 
Auflösung des Räthsels in voriger Nummer: 
Heuschreck 
Marktpreise am 6 Dezember 1873. 
zu St. Johaun. 
— 
1 2 — 
— 18 6 
— 10 
Centner Kartoffeln 
Pfund Butter 
Dutzend Gier 
Seouder und Nerlecier: Hlbürstder Rear in Saarteen rrdeign der Scdarhracer Zeibnan.*
	        
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