Full text: Der Bergmannsfreund (0.1870)

Spaten zur Hand, um zuzusehen, wie es an den verwüsteten 
Slellen an der Erde aussieht. Aber was finden wir? Da, wo 
der scheußliche Schwarzpelz sich mästet, finden wir höchstens einige 
Reste von abgestorbenen Pflanzen und ab und zu vielleicht auch 
cin Wurmchen, einen Engerling oder eine Puppe; wo der Maul⸗ 
wurf aber seinen vermeintlichen Unfug noch nicht getrieben hat, 
da finden wir, namentlich am Rande des zerstörten Gebietes, 
eine Menge Ungeziefer aller Art. Wir haben alle Ursache, auf⸗ 
merksam zu werden, und bestellen vorläufig den Maulwurfsfänger 
wieder ab, um zu sehen, ob vielleicht der Maulwurf diesen Fleck 
auch aufsuchen wird, und was dann erfolgt. Wir brauchen nicht 
lange zu warten. Nach einigen Tagen beginnt auch hier die 
Mineurarbeit des schwarzen Gesellen. Zahlreiche Hügel und Gänge 
zeigen zur Genüge, daß er sehr thätig ist, und in kurzer Zeit 
ist auch dieser Fleck Zoll für Zoll durchwühlt. Greifen wir nun 
wieder zum Spaten, um wo möglich zu sehen, was der Zerstörer 
da getrieben hat, so finden wir sehr bald, daß die vor Kurzem 
hier noch so zahlreichen Würmer, Engerlinge und Maden fast 
ganz verschwunden sind. 
Hier könnten wir wohl füglich aufhören, denn ein Kind 
reimt sich nun den Schluß: Bevor der Maulwurf eingerückt war, 
wimmelte Alles von Ungeziefer, kaum ist er in dem Reviere 
heimisch geworden, so ist das Zeug verschwunden und, setzen wir 
gleich hinzu, nicht etwa vor dem Maulwurfe fortgelaufen, sondern 
bon ihm aufgefressen mit Stumpf und Stiel, mit Haut und 
Haaren. Wir wollen nun noch weiter forschen, wie dies zugeht. 
Der gespenstige Stollen. 
Aus den „Dorfgeschichten“ von W. O. von Horn. 
GFortsetzung 
M. 
Tiefer Haß und heiße Liebe sind nicht von gestern. Was 
so recht tief ins Herz hineingewachsen ist, das will Zeit dazu 
gehabi haben. So war's mit dem Hasse Kaspar's und des Stei⸗— 
ger's — und, daß ich's geradeheraus sage — mit der Liebe 
der schönen Util und des Jacob, ihrer Kinder. 
Das Dorf, in dem diese Geschichte sich zutrug, lag an ei— 
nem Bergabhange, der den Hochwald bedeckte. Die Flur dehnte 
sich rechts und uͤnks neben dem Dorf aus, und vor demselben 
zog fich ein Wiesenthälchen hinab, dessen Seiten wieder mit Wald 
hedeckt waren. Dort hinab führte ein näherer Fußpfad nach Sim⸗ 
mern und ein Bächlein hüpfte, von Erlen und Weiden begrenzt, in 
die tiefere Senkung des Wiesenthals hinab. Das Dorf war lang. 
Wiesengärten, mit Hainbuchengehäge umschlossen, lagen meist 
zwischen den Häusern. Etwa zweihundert Schritte von den bei— 
den letzten, durch das Bächlein getrennten Häusern war an der 
linken Seite des Berghangs die große Halde und der Stollen 
gelegen, von dessen gespenstigem Wesen seit acht Tagen und län— 
ger das ganze Dorf sprach. 
Mit diesem Stollen war es so. Von dem Dorfe eine halbe 
bis dreiviertel Stunden entfernt, lag ein anderes, wo seit lan⸗ 
gen Jahren ein Silberbergwerk betrieben wurde, ohne daß jedoch 
der Ertrag eben bedeutend gewesen wäre. Ein Oberbergbeamter 
hatte nach genauer Besichtigung der Erzgänge nach Mannheim an 
die Hofkammer berichtet, er vermuthe, daß die besten Erze gewon— 
nen würden, wenn man auf der andern Seite des Berges einen 
Stollen eintreibe. Das war vor etwa vierzig bis fünfzig Jahren 
geschehen. 
Da kam denn von Mannheim der Befehl, man sollte den 
Stollen anbauen. Leopold war damals ein junger Mann. Er 
tammte aus dem Odenwald und diente auf dem Silberwerk als 
Steiger. Ihm wurde der Auftrag zu Theil, jenen Stollen an— 
zulegen. Er kam ins Dorf; brachte Knappen mit und begann 
sein Werk. Man versprach sich außerordentlichen Vortheil; aber 
nach jahrelanger Arbeit, nach schweren Kosten, gewann man die 
Ueberzeugung, daß Alles vergeblich sei. Die Arbeit wurde ein— 
gestellt, und Niemand dachte mehr an den Stollen. Im Laufe 
der Zeit wuchs an der Halde Gesträuch auf, welches bald den 
Fingang des Stollens verdeckte. Wie überall das Volk an solche 
oerlassene Bergwerke wunderbare Mähren anknüpft, so geschah es 
denn auch hier. Der und Jener hatte es darin rumoren gehört; 
andere sahen Flammen drin — kurz, es kam so weit, daß sich 
am hellen Tage Niemand in die Nähe wagte. Und die Geschichte 
der alten Bille war vollends das Mittel, ihn zu einem Orte des 
Schreckens zu machen. Der Stollen war zwar außer Thätigkeit 
gekommen, und der Steiger hätte können an das Silberwerk zu— 
rücktehren; der blieb aber da, legte Fäustel und Eisen bei Seite 
und wurde ein — Bauer. 
Das war kein Werk der bösen Geister, sondern ein Paar 
blauer Augen, so blau wie der Himmel im Mai, hatten's bewirkt. 
Was können nicht schöne blaue Augen, zumal wenn sie aus ei— 
nem so schönen Gesichtchen heraus blitzen? 
Unfern von dem Stollen lagen die zwei letzten Häuser des 
Dorfes. Dec Bach trennte sie, und über den Bach lag früher 
ein eichener Steg, den aber einmal das Winterwasser mitnahm, 
und die Bauern meinten, das sei sehr gut gewesen. Kam auch 
tein neuer mehr dahin, sondern die Bewohner der beiden Häuser 
mußten weiter oben den Bach überschreiten. In dem einen die— 
ser Häuser, und zwar in dem auf dem linken Ufer des Baches, 
wohnte früher der alte Fried und später sein Sohn Kaspar, wel— 
cher nach seinem Geschlechtsnamen Weierich hieß, und eben das 
Amt seines Vaters, der Schultheiß gewesen, und seinen ansehn— 
lichen Reichthum geerbt hatte. In dem Hause oder besser Häuschen 
auf dem rechten Bachufer wohnte ein armer Mann mit seinem 
Weib und seinem schönen Kinde, dem blonden Gretchen, mit den 
verwetterten blauen Augen. 
Wer das Mädchen ansah, dem war's angethan für allzeit. 
Die Augen aber waren's nicht alleine. Der Hunsrück ist nicht 
arm an schönen Mädchen, und ich möchte fast sagen, es sei kaum 
ein Landstrich reicher dran. Wer das Gretchen sah, mußte aber 
alsbald bekennen, daß eine schönere Jungfrau kaum werde gefun— 
den werden. Sie war groß, wie alle Hunsrücker Mädchen, und 
kräftig gebaut; aber eine Tanne ist nicht schnacker. Ihr Haar 
war an Farbe und Zartheit wie der schönste Laubacher Flachs, 
und wenn es herabhing, konntie sie sich drauf setzen. Röthere 
Bäckchen hatte kein Herrenapfel, und einen Mund hatte sie und 
Zähne drin — Nein, die Kirschen von Salzig sind nicht frischer 
und der Schnee nicht weißer. 
Des Fried's Kaspar hätte müssen stockdumm sein, wenn er 
nicht gesehen hätte, welch' ein Staatsmädel da drüben aus dem 
Fenster sah. Er hatte auch keinen Waldkiesel, wo andere Leute 
das Herz haben — kurz er verliebt sich in das Gretchen bis über 
die Ohren. Nichts begreiflicher, wie das. 
Man konnte nun gar nicht sagen, daß ihm das Gretchen 
hold gewesen; auch nicht, daß es ihn verabscheuet; aber lieb hatte 
es ihn nicht. Er war eben auch nicht sonderlich schön. Mit 
dem einen Augen sah er in die Brachflur — das heißt, er schielte 
mehr, als es nöthig gewesen, um die Leute im Zweifel zu las— 
sen, wohin er sähe! Seine Haare waren röthlich, so wie die ei— 
nes Kohlfuchses, daher er auch bei dem jungen Volke diesen Na— 
men trug; aber er hatte Geld, war der einzige Sohn, sein Va— 
— 
in Simmern, und da meinten die Alten, das Gretchen saße da 
warm. Wenn man's ansah, war's nicht uneben. Vater und 
Mutter machten nun, daß das Gretchen mit ihm ging, obwohl 
der alte Fried damit nicht ganz einverstanden war; denn Gret—
	        
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