Full text: Nach der Schicht (48)

sole 6258 
(17. Fortsetzung) 
Mndessen war es Herbst geworden. 
Als Vinzenz eines Sonntagsmorgens 
juf der Alm auftauchte, da merkte 
Gitili, wie sehr er sich zu seinem 
Vorteil geändert hatte. Oder war es 
nur geschickte Verstellung? Aber es 
hatte sich doch schon länger herum- 
zesprochen, daß der Niederhofer 
Vinzenz auf einmal wie ausgewech- 
selt sei. Er tut wieder gut, sagten 
die Leute. Gittli schrieb diese Ver- 
änderung mit Recht ihrem Einfluß 
mu und freute sich darüber, daß es 
hr geglückt sei, einen Menschen auf 
jen rechten Weg zu bringen. 
Da Vinzenz num nach längerer Zeit 
wieder vor ihr stand, konnte sie 
ıicht anders als ihn gut behandeln. 
Vinzenz aber glaubte nichts anderes, 
als daß sie nun auch seinem Herzen 
näher zerückt sel. 
‚£s wird alles noch recht werden“, 
irohlockte er. „Ich seh es schon kom- 
men. du ziehst noch ein auf den Nie- 
derhof als Bäuerin.“ 
Sie blieb ihm die Antwort darauf 
schuldig. Ung als er drängte, sagte 
sie: 
„Da zerbrechen wir uns heute den 
Kopf noch nel. Wie's kommt, so 
sommt es.“ 
Auch ein Trost, wenn auch nur ein 
nalber, dachte sich Vinzenz auf dem 
Heimweg. Aber schließlich lag es ja 
an ihm, das Schicksal ein bißchen zu 
korrigieren. Vielleicht lebte sie es. 
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senn mun sıch nur immer in größe- 
ren Zeitabstanden sah? Er wollte 
sich auf jeden Fa!l seltener machen 
and war eite! genug, zu glaıben. daß 
ste dann selbst nach ihm Sehnsucht 
bekam; denn schließlich konnte er 
doch über kurz oder lang einen Hof 
und em Erbe sein eigen nennen, auf 
das die künftige Bauerin schon stolz 
sein konnte. 
Oh ja. er war recht gut gelaut. der 
Vinzenz und er sah mit stoizen Hoff- 
nunsen in den kommenden Winter 
Bald darauf wurden die Almen 
pevayımt. Auf den Hohen war der 
prs:e Schnec gefallen und eınes Ta- 
ge. sah Vinzenz das Gittlı drüben 
auf dem Oberhof schuften 
Das war fur Ihn ein neuer Antrieb. 
Jeizt koennte das Cit‘li selber sehen, 
wie er werkte und tatia wär in Hof 
iu.d Feld. Eı verrichteric seine Arbeit 
Aöndig in der angesehenen Vorstel- 
tür, dus Git!li habe nichts anderes 
zu tun, als Nüch ihm auszuschauen 
Dem Gittl, aber stand der Sinn 
Nach Kunz anderem. Droben auf der 
Ay halte sie nur ınr e.zines Leid 
Pe züden; Jelzt aber mul ie sie düäs 
Id der beiden alien Oberhof eute 
MM fezen. Sie sah in ihre Herzen, 
Pr] wenn ihre Gespräche nur BanZ 
sen in che Vergangenheit glitten, 
vo fühlte Gitth doch schmerzhaft, 
wo dus Leid in ihnen weonnte. Die 
alten Leute aufzuheitem, war Gitt- 
KA schonste Aufgehe. Wenn ihr das 
wieder und wicder gluckte, dann 
könnie €s geschehen, daß der Ober- 
hofer einen Augenblick sıine schwere 
Hand auf ihren Scheitel legte und 
wie selbst vergessen sagte: 
„Rıst ein braver Dırndh Girlie" 
Rai nur soie 
„Nach der Schicht“ 
Nummer 41 
Werun die 
rn r ax 
atpfon- se" Täufen 
Mitten in seinen Gedanken hörte 
er ein Geräusch hinter sich. Es waı 
eine Radfahrerin und Florian wollte 
zur Seite treten, als die Radfahrerin 
neben ihm abstieg. Sofort erkannte 
er das Mädchen wieder, das ihn am 
Morgen vor der Kirche gegruüßt 
hatte. Sie grüßte wieder sehr freund: 
„Grüß Gott, Gartmeier Georg.“ 
„Grüß Gott, Dirndl“, erwiderte er. 
„Wir haben gleichen Weg zusam. 
men.“ 
„Ja, ich weiß. Nur geht's bei mp 
'angsamer.“ 
„Oh, es eilt mir auch nicht. Komm 
ı10ch früh genug heim zum Essen 
Möcht gem mit dir gehen.“ 
„Hab nichts dagegen.“ 
Das Mädchen schob das Radl ne- 
zen ihm ker und er hatte ein wenig 
Zeit, sie Mäher zu betrachten. Sie 
zonnte einem schon gefallen. Ihr 
nelblaues Kleid umschloß knapp die 
Formen ihres Körpers. Ein goldenes 
Xettchen trug sie am Hals und ein 
ınderes, ganz feines an ihrem lim- 
+en Handgelenk. 
Sie schwiegen eine Weile. Einmal 
ıtieg bei ihrem Nahen eine Schar 
Vögel aus dem Maisfeld auf und 
schwang sich in die glasblaue Luft 
„Du mußt nicht Sie zu mir sagen“ 
meinte das Mädchen und sah ihn 
Ireundlich an. „Es ist nicht Brauch 
unter uns Siediern. Wir sind doch 
eine Gemeinschaft, hier im deı 
Fremde. Und du gehörst doch auct 
zchon zu uns.“ 
„Bei dir kann einem das Du ne‘ 
ichwer fallen. Aber sag einmal, wie 
xommt es, ich hab dich noch gar ne‘ 
oft gesehen in der Siedlung.“ 
Das Mädehen lachte. 
„Glaub es schon. War bis vor kur- 
zum noch in Santiago. Aber wel 
meine Mutter in letzter Zeit etwas 
kränklich ist, hat mich der Vater 
heimgeholt. Ich hab dich aber gleich 
am ersten Tag gesehen. Geackeri 
hast auf dem Gartmeier seiner 
Grund.“ 
„Und da hast du gleich so obach' 
geben?“ 
„Bei uns fällt einem doch gleic 
jeder Fremde auf Und an deine! 
Größe kann man auch nicht gut vor: 
beisehen. Die andern Mlıdel habe 
dich auch net übersehen.“ 
Nun mußte Florian lachen. 
„Das hab ia ich noch gar net #- 
merkt.“ 
„Wirst es schon noch merken, wen! 
du mehr unter die Leute gehst.“ Da: 
Mädchen machte eine kurze Pause 
Dann fing sie ein anderes Gespräd 
an. „Wie gefalilt es dır denn her 
Garimejer?" 
„Recht gut! Besser hätt kch es 5} 
net erwischen kunnen. Da merk 
8 kaum, daß ich {remd bin.“ 
Ja. <ıe mugen dıch auch 7‘ 
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AG MUNCHEN. 
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Es war ein Sonntag. Die Glocken 
on San Anna läuteten hell in das 
ommerliche Land hinaus. Die Kirche 
var zu Ende und ein buntes Spra- 
hengewirr von deutsch und Sspa- 
sch erfüllte den schmucken Platz 
‚or der Kirche. Man kannte sie auch 
‚ußerlich sogleich auseinander, die 
7hilenen und die Deutschen. 
Einer schritt unter der Menge hin, 
ochgewachsen, das Gesicht von deı 
jonne braun gebrannt. Er kümmerte 
ich um niemanden und achtete es 
raum. als ein junges hübsches Ding 
hn grüßte, auffälliger als es die 
iortige Landessitte zuließ. 
Er hatte das Mädchen in der Sied- 
ung schon öfters gesehen, wußte 
‚uch das Haus, in dem sie daheim 
var, hatte aber weiter noch keine 
Jotiz von ihr genommen. Auch jetzt 
sab er nur den Gruß zerstreut zu- 
ück und steuerte auf ein Gasthaus 
u. 
Bei einem Viertel Wein — das Bieı 
Jortzulande war kaum zu genießern 
— vertrieb sich Florian Feichtner die 
Zeit. Am Fenster sitzend. sah er die 
Menschen draußen vorüberziehen 
Aanırde ein wenig eingelullt von dem 
"ärm ir der Gaststätte und vergß 
Jabei, was ihn seit Wochen schwer 
yedrückte. 
Er hatte sich bei seinem Herrn 
jem Gartmeier, schnell eingewöhnt 
är gefielt ihm leidlich. Nach einigen 
Wochen dachte er, es wäre an del 
Zeit. den Lieben daheim ein Lebens- 
‚eichen zu geben. Ausgerechnet an 
jiesem Tage aber hatte der Gart- 
neier Post von drüben bekommen 
ınter anderem auch einen Pack Zei- 
ungen. Seine Verwandten schickten 
hm von Zeit zu Zeit diese, und wenr 
«uch das jeweilige Geschehen kanps: 
iberholt war. für die Kolonister 
varen es doch immer Neuigkeiten 
Ind wie der Gartmeier so las. schob 
‚7 dem Florian eine Zeitung zu und 
agte: 
„Das mußt lesen, Georg. Das ist 
nteressant. Es gibt halt doch noch 
Uweil verwegene Burschen, die ’s 
Xıldern net lassen können “ 
„Ich sag ja nix vom Wildern, ob- 
gleich das ja auch net sein müßt. We 
käm denn der Sfaat da hin, wens 
ein jeder mausging ine Revier und 
sich sein Wildpret selber schießt? 
Aber einen Menschen totsehießen .. 
so einer gehört doch...“ 
„Man müßte die näheren Umstände 
v,ennen“, wich Florian aus und ging 
ınaus. An seine Eltern hat er nicht 
nehr geschrieben. Aber die Zeitung 
ıatte den betreffenden Artikel aus: 
zeschnitten und nun irägt er ihr 
seitdem bei sich in der Brieftasche 
5 war schon ein eigentümlicher 
zefühl, so eine Art Beglaubigungs: 
ıhreiben bei sich zu tragen, daf 
nan tot sei. Gut, so wollte er tol 
jein für die Heimat und alle Folgen 
maf sich nehmen. Er würde also nie 
vieder einen Gruß in die Heimai 
‚Ohicken. Er würde gestorben bleiber 
hir die da drüben... 
Aber vieleicht war es besser sa 
Nenn er gar nichts mehr wußte vor 
lrüben, von seinen Eltern, vom 
Zittli, vom schönen, lieben Oberhof 
jann war das Leben hier vielleicht 
ioch leichter zu ertragen. Es ließ sich 
;chon leben hier und wenn er auch 
he abgelaufene Regenzeit als jäm- 
nerlichen Winter empfand, jetzt 
waren wieder helle, hohe Sonnen- 
age, der Wein funkelte vor ihm im 
3lase und — ein Mädchen hatte ihr 
‚egrüßt. 
Ein sauberes Ding, diese Tochteıh 
les Siediers Berger. Schlank und 
chmal war sie und ihre Zopfe hat- 
en die Farbe reifender Kornfelder 
Vie nett und freundlich sie ihn ge- 
zrüßt hatte! Es war doch etwas 
Schönes für einen Toten, wenn ihr 
las junge, blühende Leben grußte 
Florian lachelte bitter in sich hin: 
\Ün und schüttelte den Kopf 
Es gab nur eine Liebe für mich 
lachte er Jene hehe Liebe, die ar 
Jährlingszaun begann und zu Ende 
zng an jenem Sonntagnachmittag, 
ale der verhuangnisvolle Schuß den 
Sirıch unter sein Leben zo. Gittlis 
Name lebte is ihm. v6d wenn € 
nanchmal vorm Einschlafen ihren 
Namen vor sich hınsprach, danp 
«lang es im Zimmer wie dunnes 
Slas, das zu tonen anfangt, wenn 
nun es mit den Fingern fein be- 
suhrt. 
Was wird sie wohl tun jetzt, das 
Sıttliı? Ob vielleicht schon ein aun- 
derer an seine Stelle getreten sein 
nur? Der Vinzenz viclleicht? 
Fiorians Brauen schoben sich fin- 
ster zusammen, Dieser Gedunke 
schmerzie ihn innerlich. Seine Faust 
amıkluinmerte das Weinglas, als 
Aulltie er es zerdrücken. Er zahite 
und King. 
Der Weg wär einsam nach Pena- 
Aur. Die Kirchganger hatten sich 
schen verloren. Vom Meer her kum 
in warneer Wind und es flusierte ir 
den hohen Maisfeldern, In unsehou- 
rer Große ruzten die Kerdilleren ir 
Jen seidenblauen Himmel. Da wal 
a selbst der Keffel noch ein Zwerg gern“, verriet sie ihm, „Die G»?T 
jezen die Riesen des Kordılleren. meierin hat es kürzlich bei uns ' 
zebirges. sagt.“ 
Schuchtern klangen die Giocker, „So? Kommt sie öfters zu cuch 
‚ce San Anna hinter ihm her. Hei, „Ja. darum weiß ich ja auch ® 
wie müßien jetzt die Glocken von nen Namen.” 
Roggenhausen läuten, die schwere „Und wie heißt denn nachher d' 
Stifisplocke, und die andern in schö- „Angekı!* 
ı1em Chore! Wie müßten sie das Er sprach den Namen ?lanss 
zanze blühende Tal hier erfüllen mit nach und lächelte in ihre Augen X 
Ahrem Aalınvenden Hallehiuing! an. 
/om Wilderer erschossen! 
Verzangenen Sonntag Nachmittag 
vurde der Buron von Eygenheim ir 
enem Jaydrevier erschossen aufse- 
unden. Als der Tat verduchtizt 
varde der Bauernsohn Florian 
veichtner am Morgen darauf verhaüf- 
et Auf dem Traunspert zum Gelung- 
is gelung ex diesem aber zu fuch- 
en Die Polizei verfolgte ıhn und 
nachte, da der fAuchtise WildinuD 
lem mehrfachen Anruf nicht nuch- 
am, von der Schußwatle Gebrauch 
Peichtner versuchte noch über eine 
Clamm zu kommen, stürzte über da- 
| ab und Wurde vom Wildwisser 
prigerIssen. Seine Leiche könnte bis 
etzt noch nıcht geborgen werden. — 
3Zaron von Fzzenheim war Hi! Vor- 
‚eiratet. Die Einwohner von ReuJc€n- 
yausen sind tief empourt uber das 
uchlose Verbrechen. 
Beinahe würe Flerian das Blätt 
{ntfallen. Ihm war es, als nahme 
km jemand ganz leise das Herz fort. 
Man hielt ihn also für tot! Ung er 
war gerade im Berriffe, seinen El- 
ern mitzuteilen, daß es ihm gut 
tehe! In den Sturm seiner Gedanken 
ad Empfindungen hinein frazte 
£t2zt der Gaurtmeier: 
Wac ecupct zu der Geschichte?“
	        
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