Nummer 36
u
„Nach der Schicht“
Die Mutter des Missionars
Nun ist meine liebe Mutter tot.
‚ch schäme Mich nicht es Dir zu
schreiben: mein Herz krampfte sich
m Schmerz zusammen, und heiße
Fränen etürzten mir in die Augen,
als ich die Nachricht von ihrem
Fode erhielt. Aber es war kein wil-
jer, trostloser Schmerz, der sich
neiner bemächtigte. Dafür kannte
ch mein Mütterlein zu gut. Wie
ıatte ich nur verdient. daß der liebe
Sott mir eine solche Mutter schenkte.
lie ganz Liebe und Opfer war.
ich zu mir: Wie heißt du, Mädchen?
— Johanna! — Er ergriff meine
land. Ich erscgrak heftig. Mädchen.
lu weißt nicht. wohin du morgen
jehen willst, sagte er mit ernster
Aiene. — Doch, ich trete meine neue
‘telle an. — Mädchen. wiederholte
r, und seine Augen ruhten mahnend
uf mir. Der Druck seiner Hand
‚urde fester: Hast du die Zustim-
aung deiner Eltern? Oder bist du
ar eine Waise? — Als ich katholisch
‚urde, haben mich meine Eltern ver-
toßen.,
Er ließ meine Hand wieder los und
chwieg lange Zeit, — Johanna, sugte
= dann feierlich ernst. willst du
neine Frau werden? Ich erschrak.
sleichzeitig aber klopfte mein Herz
or ahnender Freude. Ich brachte
ein Wort über die Lippen. Wieder
rgriff er meine Hand: Wenn du ja
ugst, dann darfst du morgen die
jeue Stelle nicht antreten. Gute
Jacht, Johanna. Morgen nach dem
Jochamt frage ich noch einmal. Prüfe
ch! ——
Du kannst Dir denken, mein lieber
Zub, daß ich in der folgenden Nacht
‚ein Auge zumachte. Ich überlegte
‚etete.,
Am anderen Morgen noch vor dem
Iochamt ging ich zum Herrn Pfarrer,
jier uns beide für den Nachmittag
Während ich diese Zeilen schreibe,
‚teht ein Bild vor meiner Seele, das
ich mir unvergeßlich tief einge-
arägt hat. Ich stand am Krankenbett
jer Mutter. Damals besuchte ich
och als Junge die Missionsschule
ch überraschte die Kranke mit der
*rage: Mama, wo ist denn dein Erst-
sommun;oenbild? Das von Vater
ıängt dort. Aber das Deine? Muttei
ächelte nachdenklich: Bub. als ich
‚ur ersten heiligen Kommunion
nn. da schenkte man mir kein
3ild. Eine kleine Pause entstund
<ind. fuhr die Mutter nach einer
Weile fort. komm setz dich cın we-
ug zu mir ans Bett Du bist jetzt
alt und verstandig genug, nven zu
zerstehen. Sie faßte meine Rechte
nit hren heiben, müden Han ten:
Mein lieber Bub, wenn du wirklich
lein hohes Ziel erreichst und ein
zuter Priester wirst, dann will! ich
nein Lebtag dem Herruott täglich
auf den Knicen danken, für all düs
Kreuz, das er mir anfgeladen und
‘ür die Dornen. die er auf meinen
‘ebensweg gestreut hat Dann be-
jchtete mir die Mutter, wie «le mıt
4 Jahren gegen den Willen ıhrer
Sltern katholisch geworden sei Nach
neiner Konversion stand ich mutter-
seelenallein in der Welt, Ich war
Juagestoßen. eine von den eigenen
sltern Verfluchte Man gab mich in
an fremdes Dorf zu einer protestan-
äüschen Familie in Stellung Zur
Kırche konnte ich damals nicht
sehen. Der Weg war zu weıt und
neine Herrschaft erlaubie es auch
ucht Trotzdern hielt ich, von allen
zerlassen, fest an meinem katholı-
«chen Glauben. Schließlich gab ıch
suf eigene Faust meine alte Stelle
auf und verdingte mich bei einer gut
Ahristlichen Familie, die in der Nahe
ner katholischen Kırche wohnte
Nun konnte ich wenigstens meinen
':elıgiesen Verpflichtungen nachkom-
nen. Das war für mich ein großer
Yrast in diesen harten, einsamen
Tahren. Da führte Colt einen Jungen
Katholiken auf meinen Weg. Eınen
Nanderburschen, Deimen Vater Ich
raf mit ıhm zusammen ausgerechnet
ın dem Tave, d@& ein Sieillenvermitt-
er ıns Dorf zekommen war und
unge Madchen für den Dienst in
nem Vergnugungslokal anwarb,
Damals wußte ich noch nicht wıe
‚schlecht die Welt it. Der Stellenver-
nıttler schilderte mir me.nen neuen
Arbeitsplatz ın den verlockendaten
Farben: wenıiz Arbeit, und leicht
dazu, feine Kleider, gutes Fssen.
zanen Lohn... Wie gesagt. in diesem
Augenblick trat Dein Vater ın me:n
Leben. Eın frischer, froher Wander-
aursch, den seine Gesellenfahrt, oder
sagen wir heber der gute Gott, in
Las Dorf gefuhrt hatte. An jenem
samstag sprach er mich an. als ıch
nach der Andacht das Gotteshaus
zerlicß, Wır kamen, weiß Gott wir
Ne Gesprach, und ich erzahite ıhm
‚on meiner neuen, ghkinzenden Siel-
ung. Kein Wunder, daß ıch so offen
war, noch nie im Leben hatte sıch 6:2
Mensch nach meinem Wohlbefinden
arkundigt. Der Bursche schwieg. Eı
ichaute nachdenklich in dıe Gegend
Mır kam es vor. als kampfe er in
diesem Augenblick mit sich Se)ba!
‘ch betete indessen fur den Fremden
Nit eın paar innigen Scufzern, Dann
vVvandte sıch der Wanderbursch DNlotz-
Die aal Boartesch
VONIJOSEF WEBER
ich selbst habe sie zwur nicht mehr
ekannt, aber den ältesten Dorfbe-
:‚oöhnnern ist sie noch ın guter Er-
anerung. Steinalt et »1te geworden
nd es schien fast, als ob sıe sıch am
terben vorbeidrucken wollte, Kein
Vunder. daß die damalige Genera-
on, besonders die Kinder, das runz-
ge alte Weiblern als „Hexe‘ ver-
rien, sagte man ıhr doch nach, daß
ıc mit dem leibhaftigen Gottseibei-
ns ın Verbindung stehe und daß
16 sıch jede Nacht, um nıcht eıin-
chlafen zu mussen, auf den Kleider-
aken setzte Man mied sic darum
nd heß ze ıhren eigenen Weg
chen Den unartızen Kındern
onnte man mit der einfachen Dra-
unz „Die aal Boartesch Kommt
hch holen“ Anzst und Schrecken
in)agen
Das Wohnhauschen der Alten, in
eM sie ganz allein hauste, stand ın
er Nahe des Friedhofes Gleich da-
‚I hatte sie auch ihr Brennholz auf-
estapelt, das eie mil Argusaugen
‚jewachte, damit ja kein Stuck an-
lera WO seiner Restimmung zuge.
ıhrt wurder
"riedhof vorbei, Da — was war das?
"raumte er oder narrte ihn ırgend-
un Gespenet, das im Grabe keine
Zuhe finden konnte. Am Holzstoß
ler aalen Boartesch sıtzt eine weiß
ermummte Gestalt, von dem Licht-
chein eines Oellampchens gelster-
vaft beleuchtet. Wenn ein Blitz vor
em Lehrer eingeschlagen hatte, der
‚chreck hätte nıcht großer sein kon-
en Die Angst schnurte ıhm die
Zehle zu und ‚er vermochte nicht
ch auch nur einen Schritt vorwarts-
ubewegen., O Schreck’ Jetzt erhebt
ıch die weiße Gestalt, ergreift das
acht und humpelt dem gegenüuber-
tehenden kleinen Hauschen zu. Es
lauerte noch eine geraume Weile,
vs sich der Bann beim braven Leh-
er kaste und er, wenn auch mit Ver-
natuneg, die Betslocke lauten konnt.
Das Ratsel dieses nächtlichen Spu-
65 war bald gelost Die aal Baoar-
e<sch stellte wieder einmal fest, daß
uanıge besonders schöne Scheitstücke
4n Neues Quartier bezogen hatten
In den Dieb einmal zu erwischen
weschoß sie, ihr Holz die ganze Nacht
u bewachen Zum Schutz gegen die
sicht che Kuhle hullte sie sich ın
4N langes weißes Bettuch und so
vartete sie auf das Fischeinen des
Tolzraubers, der sich aber diesma)
icht hleken hei
Jeden Margen wenn der Lehrzeit
die Retzrnucke lauten Ang halt er
erst von weitem Ausschau, 00
nicht wieder ein Gespenst” sen)
Acht has IInuavan tfrpıl-
Fe war an ecinem kalten Herbst-
yrgen, Finster war es noch drau-
en, nur die weißen Grabeteine
aichteten geisterhaft aus dem Dun-
el Selbst dem sonst! 20 Mul, gen
dorfschulmeister hef e& abwechselnd
alt und warm uber den Rucken, 4ie
r an diesem Morgen dıe Betglocke
Aulen ging. Ein Liedchen vor sich
onafaifand talnertie ar s83hbort am
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bestellte, Mein Bub, was wäre aus
nir geworden, wenn Gott in jenem
antscheidenden Augenblick Deinen
Yater nicht geschickt hätte? Wo wäre
ch jetzt? Und wo wärest Du? —
Meine Mutter wischte bei diesen
Norten einige Tränen aus dem Auge
Ich glaube, es waren Dankes- und
"reudentränen. Damals verstand ich
zum erstenmal im Leben, was das
Wort „göttliche Varsehung“ bedeu-
ete. —
Viel Sorge und Kummer, aber auch
re] Freude haben wir acht Kinder
ınseren Eltern bereitet. Kurz nach
jer Geburt des achten Kindes, — es
war am St. Stephanstage —, starb
nein Vater. Nun muß Gott für euch
sorgen, Kinder, sprach Mutter am
Page des Begräbnisses zu uns. Ihre
Augen waren rotgeweint. Aber ihre
itimme klang tapfer.
Die Kosten für Krankenhaus und
Beerdigung hatten die kleinen Kr-
;parnisse unserer Eltern fast aufzsze-
‚ehrt. Mutter saß nun Tag für Tug
and auch oft nachts bis in den däm-
nernden Morgen hinein an der Nah-
naschine, Sıe nähte und wusch und
‘ackerte sich ab. Die acht hungrigen
<indermäulchen schrien nach Brot,
Mein äitester Bruder ging nach sei-
1er Schulenflassung in die Fabrik.
die Arbeit dort schmeckte ıhm nicht
Aber er biß auf dıe Zähne und hielt
lurch. Wir Jungeren Geschwister
zingen zur Schule, spielten und toll-
en in sorglieser Freude, Was taten
xır nicht alles wegen einem Stück-
ein Brot. Und wie weh tat es, wenn
wir einmal hungern mußten. Tut
ijoch eure Kınder ins Waisenhaus
jet eines Tages die ub«'rkiuge Nacti-
Jarın meiner Mutter. — Nein, Nach-
darın, entgegnete meine Mutter
zewißB, sie haben dort mehr zu
sen, aber es fehlt ihnen die Mutter
Alk meine älteste Schwester aus der
schule kam, schickte sie Mutter auf
je Nahschule. Nach bestandenel
Prufung trat Gretel vor die Mutler
ın: Mutter, ich möchte gern Ins
Xioster. — Wenn Gott dich ruft, geh
N seinem Namen und werde glhuück-
ich Auch meine zweite Schwester
exgte die Nuhprufung ab und ging
ns Kloster. Ich schaffe es noch. gab
Mama zur Antwort, Mog‘ Gott dıch
‚e2nen! — Jetzi wird Imre wohl das
schreinerhandwerk erlernen, meın-
en mehrere Nachbarn (Die Mutter
1ötte das Handwerkszeug meınes
‚erstorbenen Vaterz, der Schreiner-
Deister gewesen war, sorglıch auf
dem Speicher verwahrt.) Aber da bat
ıch Mama: Ich mechte gern studieren,
Mutter — Und was willst du wer-
den” — Missionar, Mama! — Das
Koster aber einen schweren Batzen
'eld Und das fehlt uns. Aber Mut-
ter hatte viel Gottvertrauen Sıe um-
ırmte mich zeichnete mir ein Kreuz-
ten auf Stirne, Mund und Herz Das
War sazlıısaßen die Priesterweihe von
der Mult-ernand
50 oft ch nun nachts erwachte und
die Nahmaschine surren hörte, war
m.r als wurde das Surren lus‘ig und
ro klıinzen, Nicht +0 todernst wie
Shen Noch viele Jahre 1rusen
Matlters Sctvaltern die Sorge um de
Fenle Zu dem außeren Kreuz
beta Gott noch innere He mauchsune-
ZT TE
nicht berichten Die Kinder wurden
urabe Die Buarde leichter. Und der
obenzabend war senn;z und vol
Freden Den Hohepankt ın Muttera
Leben bildete der Tag. an dem der
Bischof mir de Hande auflezie und
Mich zum Priester werihte Und jener
andere, der bald feizte, da ich mein
erstes he ige Meßoyfer feierte Und
den Leib Christi an Brotsgestait der
Motten se open dur fie
Ehe ie Sonne uatırscht, hullı se
den Hammel noch einmal ein nn
WwWartnes Abendrot Mir scheint nm
st und seanend eng auch Matyas
Nonne unler um ım Jenseits eigen
unver2hachheh herilıichen Aufeaus
zu erlcbhen
AGs dem Ungarischen von le
Sach cht)