Full text: Nach der Schicht (30)

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Mit leeren Hünden 
0 Nachdruck verboten. 
—DDDDD—— 
5 helle Schläge der Standuhr durchbrachen die nächtliche 
LA Stille. Die Meierbaͤunerin lag wach in den Kissen und zählte 
die verklingenden Töne. — Zwölf Uhr! 
Tastend fuhr ihre Hand hinüber in das andere Bett. Ein tie— 
fer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Das Bett war leer. Er 
war also noch nicht zurück. Mit zitternden Fingern zog Frau Klara 
an der Lichtschnur und das Zimmer erstrahlte in blendender Helle. 
Die Bäuerin richtete sich auf und faltete die Hände. „Herr— 
gott im Himmel,“ flehte sie, „hilf doch du! Laß ihn nicht so zu— 
grunde gehen!“ Ein Gebet nach dem anderen entrang sich dem 
gequälten Frauenherzen. Mit tränennassen Wangen sank Frau 
Klara zurück. Ihre Blicke irrten im Rau— 
me umher und blieben an ihrem Braut— 
bilde haften. Die Vergangenheit zog her— 
auf. — Die Bäuerin sah sich als acht— 
zehnjähriges Mädchen. Ein junger stram— 
mer Bursche schritt mit ihr Hand in 
Hand die blumenbesäten Wiesen entlang. 
Schmeichelnde Worte flüsterte er in ihr 
Ohr. Dann riß er sie an sich und bat 
sie, die seine zu werden. Mit Tränen 
in den Augen hatte sie zu ihm aufge— 
sehen und ihm gesagt, daß sie ihn gern 
habe und sich kein größeres Glück den— 
ken könne, als an seiner Seite leben zu 
dürfen. Aber das alles könne niemals 
sein, da sie ja ein armes Mädchen sei 
und er der Sohn des größten Bauern 
im Dorf. Niemals würde dieser seine 
Einwilligung zu diesem Bunde geben. 
„Darum ist es das Beste, Franz, ich ver— 
lasse das Dorf und suche mir in der 
Stadt eine Stellung,“ hatte sie ihm er— 
klän. Der junge Mann aber wollte da— 
von durchaus nichts wissen und erstickte 
alle ihre Einwände mit seinen wilden 
Zärtlichkeiten. Er nahm ihr das Verspre— 
chen ab, im Orte zu bleiben und alles 
andere ihm zu überlassen. Einige Monate 
später durcheilte die Schreckensbotschaft 
das Dorf, der Meierbauer und seine Frau 
seien schwer verunglückt. Bei einer Fahrt 
in die Stadt waren die Pierde gescheut 
und der Wagen eine hohe Böschung hin— 
abgestürzt. Der Bauer war sofort tot, 
während die Bäuerin zwei Tage später 
ihren Verletzungen erlag. Nun wurde 
Franz, der kurz zuvor das zweiund;zwan— 
zigste Lebensjahr vollendet hatte, der 
Herr des großen Hofes. Nach dem Trau— 
erjahr führte er sie an den Altar. Mit 
welch neidischen Blicken hatten die Maäd— 
chen die schone, glückstrahlende Braut gemustert, besonders die 
reicheren Bauerntoͤchter hatten Mühe gehabt, ihre Wut zu unter— 
drücken. Mit welch hoffnungsvollem Herzen hatte sie, die junge 
Meierbäuerin, ihr künftiges Heim betreten! Zu ihrem Gaätten 
hatte sie aufgesehen wie zu einem Gott. Alle Wunsche las sie 
ihm von den Augen ab und suchte ihm das Daheim so gemütlich 
wie nur möglich zu machen. Die ersten Jahre ainaga auch alles 
nach ihrem Wunsche. 
Franz, der in früheren Jahren gerne beim Kruge gesessen 
hatte, blieb zu Hause und umgab seine junge Frau mit seiner 
ganzen Liebe! Nach und nach aber wurde er ihr gegenüber lau 
und gleichgültig und suchte häufig die Wirtschaften auf. Das 
wurde von Jahr zu Jahr ärger. Auf ihre Mahnungen hin gab 
er entweder keine oder grobe Antworten. Bald hatte sie heraus— 
gefunden, daß ihm das Liebste sein Geldsack war. Konnte er 
seine Erzeugnisse zu Wucherpreisen abseßen, so war er glüucklich. 
Bot sich irgendeine Gelegenheit, seinen Geldhaufen zu vergrö— 
ßern, so nütte er sie aus. Für arme Leute war er überhaupt 
nicht zu sprechen. Sobald er merkte, daß sie gut zu den Armen 
war, machte er ihr die häßlichiten Szenen und schreckte sogar 
nor Mißhandlungen nicht Wrück 
„Nach der Schicht“ 
Heft 8 1934 
Mit wehem Weinen barg die Meierbäuerin ihr Gesicht in den 
stissen. Ach, was hatte sie nicht alles von dieser Ehe erwartet! 
Warum war es nicht geblieben wie in den ersten Jahren? Wie 
Ilücklich war sie immer gewesen, wenn sie an der Seite ihres 
Mannes die Kirche besuchte. Aber das hatte bald aufagehört 
Warum wohl? 
Einmal hatte ihr Franz von einem Stammhalter vorge— 
chwärmt, aber dieser war ihnen versagt geblieben. Sollte darin 
der Grund liegen? Und plötzlich kam Frau Klara die Erkenntnis. 
Seit ihr Gatte wußte, daß ihnen niemals ein Kind geschenkt 
verden würde, war er anders geworden. Er haätte sich von ihr 
zurückgezogen, ging nicht mehr in die Kirche und lebte nur mehr 
einem Hof und seinem Vermögen. 
NMachdem nun die Meierbäuerin den Grund für das Verhalten 
ihres Mannes erkannt hatte, zermarterte sie sich den Kopf, wie 
diesem Zustand abgeholfen werden könne. Bald glaubte sie, das 
Richtige gefunden zu haben. Daß sie 
auch nicht schon früher daran gedacht 
hatte! Sie hatte doch eine Schwester in 
der Stadt, die verheiratet war und ein 
halbes Dutzend Kinder ihr eigen nannte. 
Wie oft hatte sie diesen mit Lebensmit— 
teln ausgeholfen und wie dankbar war 
Anna immer gewesen. Sicher würde 
diese ihr einen der Buben auf den Hof 
geben, den er später erben würde. Bei 
diesem Gedanken erfüllte eine stille Freu— 
de das Herz der Bäuerin. Sie zweifelte 
keine Sekunde daran, daß ihre Schwe— 
ster ihr ein Kind abtreten würde. Dem 
Knaben würde es an nichts ermangeln, 
er wäre an Kindesstatt angenommen, 
wie ein eigener Sohn gehegt und gepflegt 
worden und hätte dereinst den großen 
Hof zugeschrieben bekommen. Wie wun— 
derbar schön wäre es gewesen, wenn 
frohes Kinderlachen in diesem Hause er— 
schallte. Mit einem frohen Lächli auf 
dem Mund schlief die Bäuerin endlich ein. 
Am fogenden Morgen erhob sich Frau 
Klara zeitiger denn je. Sie war fest ent— 
schlossen, den traurigen Zustand ihrer Ehe 
ein Ende zu machen. Mit liebenden Hän— 
den bereitete sie das Frühstück. Als sie 
nachher ihrem Mann im Wohnzimmer ge— 
genüber saß, begann sie von ihrem Plan 
zu sprechen. Als sie geendet, hingen ihre 
Augen in ängstlicher Erwartung am Ge— 
sichte des Gatten, der ruhig sein Früh— 
stück einnahm. Er schien sich die Sache 
gründlich zu überlegen. Dann aber lachte 
er grob auf. 
„Würde mir gerade noch einfallen, 
fremdes Vack auizuziehen! Sind mir 
eigene Kinder nicht vergönnt, so brauch' 
ich auch keine fremden!“ 
Wie verbittert seine Stimme klingt! 
dachte die Bäuerin und ihr Herz krampite 
iich zusammen. Inniges Mitleid erfüllte sie Aber iie konnte 
doch auch nichts dazu. 
„Es ist nun einmal Gottes Wille, und gegen diesen sollte sich 
ein Mensch aufbäumen. Ist es eigentlich nicht besser so, als 
venn wir ein Kind hätten, das uns Schande und Kummer be— 
reiten würde und schließlich so enden müßte wie des Nachbars 
Sohn, der sich im Schuppen erhängte? Gottes Ratschlusse sind 
eben unerforschlich und weise sind seine Wege.“ 
Schweigend hatte der Bauer den Worten seiner Frau gelauscht. 
Als Frau Klara den milden Zug in seinem Gesicht erblickte, 
chöpfte sie neue Hoffnung. Zärtlich erariff sie seine Hand und 
ah ihn bittend an. 
„Franz, sei mir nicht bös, ich würde ja selbst gern süße Kin— 
der haben. Laß uns deshalb eines von Annas Kindern aufneh— 
nen. Wie schön wäre es, wenn solch ein lebenslustiges Geschopf 
n Haus und Garten umhertollte. Und abends, wenn du nach 
dause kommst, würden sich dir ein Paar Aermchen entgegen— 
trecken, ein zartes Körperchen sich an dich schmiegen. Sag' selbst, 
franz, wäre das nicht herrlich? Und sagt es nicht der Heiland 
elbst, wer eines dieser Kleinen auinimmt, der nimmt mich auf!“ 
Dieie Moarte hliehen nicht ganzs ohne Mirkung Meer noch wollte 
Sternennacliit. Von Ludwig Richter. 
Die Himmelslichter sind doch wirklich, wie 
die Außgéen am Alenschen, offenere oder zar- 
ter hedéckte Stellen der Welt, wo die Seele 
hveller durchscheint Wuütthine CClauchius)—
	        
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