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Mit leeren Hünden
0 Nachdruck verboten.
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5 helle Schläge der Standuhr durchbrachen die nächtliche
LA Stille. Die Meierbaͤunerin lag wach in den Kissen und zählte
die verklingenden Töne. — Zwölf Uhr!
Tastend fuhr ihre Hand hinüber in das andere Bett. Ein tie—
fer Seufzer entrang sich ihrer Brust. Das Bett war leer. Er
war also noch nicht zurück. Mit zitternden Fingern zog Frau Klara
an der Lichtschnur und das Zimmer erstrahlte in blendender Helle.
Die Bäuerin richtete sich auf und faltete die Hände. „Herr—
gott im Himmel,“ flehte sie, „hilf doch du! Laß ihn nicht so zu—
grunde gehen!“ Ein Gebet nach dem anderen entrang sich dem
gequälten Frauenherzen. Mit tränennassen Wangen sank Frau
Klara zurück. Ihre Blicke irrten im Rau—
me umher und blieben an ihrem Braut—
bilde haften. Die Vergangenheit zog her—
auf. — Die Bäuerin sah sich als acht—
zehnjähriges Mädchen. Ein junger stram—
mer Bursche schritt mit ihr Hand in
Hand die blumenbesäten Wiesen entlang.
Schmeichelnde Worte flüsterte er in ihr
Ohr. Dann riß er sie an sich und bat
sie, die seine zu werden. Mit Tränen
in den Augen hatte sie zu ihm aufge—
sehen und ihm gesagt, daß sie ihn gern
habe und sich kein größeres Glück den—
ken könne, als an seiner Seite leben zu
dürfen. Aber das alles könne niemals
sein, da sie ja ein armes Mädchen sei
und er der Sohn des größten Bauern
im Dorf. Niemals würde dieser seine
Einwilligung zu diesem Bunde geben.
„Darum ist es das Beste, Franz, ich ver—
lasse das Dorf und suche mir in der
Stadt eine Stellung,“ hatte sie ihm er—
klän. Der junge Mann aber wollte da—
von durchaus nichts wissen und erstickte
alle ihre Einwände mit seinen wilden
Zärtlichkeiten. Er nahm ihr das Verspre—
chen ab, im Orte zu bleiben und alles
andere ihm zu überlassen. Einige Monate
später durcheilte die Schreckensbotschaft
das Dorf, der Meierbauer und seine Frau
seien schwer verunglückt. Bei einer Fahrt
in die Stadt waren die Pierde gescheut
und der Wagen eine hohe Böschung hin—
abgestürzt. Der Bauer war sofort tot,
während die Bäuerin zwei Tage später
ihren Verletzungen erlag. Nun wurde
Franz, der kurz zuvor das zweiund;zwan—
zigste Lebensjahr vollendet hatte, der
Herr des großen Hofes. Nach dem Trau—
erjahr führte er sie an den Altar. Mit
welch neidischen Blicken hatten die Maäd—
chen die schone, glückstrahlende Braut gemustert, besonders die
reicheren Bauerntoͤchter hatten Mühe gehabt, ihre Wut zu unter—
drücken. Mit welch hoffnungsvollem Herzen hatte sie, die junge
Meierbäuerin, ihr künftiges Heim betreten! Zu ihrem Gaätten
hatte sie aufgesehen wie zu einem Gott. Alle Wunsche las sie
ihm von den Augen ab und suchte ihm das Daheim so gemütlich
wie nur möglich zu machen. Die ersten Jahre ainaga auch alles
nach ihrem Wunsche.
Franz, der in früheren Jahren gerne beim Kruge gesessen
hatte, blieb zu Hause und umgab seine junge Frau mit seiner
ganzen Liebe! Nach und nach aber wurde er ihr gegenüber lau
und gleichgültig und suchte häufig die Wirtschaften auf. Das
wurde von Jahr zu Jahr ärger. Auf ihre Mahnungen hin gab
er entweder keine oder grobe Antworten. Bald hatte sie heraus—
gefunden, daß ihm das Liebste sein Geldsack war. Konnte er
seine Erzeugnisse zu Wucherpreisen abseßen, so war er glüucklich.
Bot sich irgendeine Gelegenheit, seinen Geldhaufen zu vergrö—
ßern, so nütte er sie aus. Für arme Leute war er überhaupt
nicht zu sprechen. Sobald er merkte, daß sie gut zu den Armen
war, machte er ihr die häßlichiten Szenen und schreckte sogar
nor Mißhandlungen nicht Wrück
„Nach der Schicht“
Heft 8 1934
Mit wehem Weinen barg die Meierbäuerin ihr Gesicht in den
stissen. Ach, was hatte sie nicht alles von dieser Ehe erwartet!
Warum war es nicht geblieben wie in den ersten Jahren? Wie
Ilücklich war sie immer gewesen, wenn sie an der Seite ihres
Mannes die Kirche besuchte. Aber das hatte bald aufagehört
Warum wohl?
Einmal hatte ihr Franz von einem Stammhalter vorge—
chwärmt, aber dieser war ihnen versagt geblieben. Sollte darin
der Grund liegen? Und plötzlich kam Frau Klara die Erkenntnis.
Seit ihr Gatte wußte, daß ihnen niemals ein Kind geschenkt
verden würde, war er anders geworden. Er haätte sich von ihr
zurückgezogen, ging nicht mehr in die Kirche und lebte nur mehr
einem Hof und seinem Vermögen.
NMachdem nun die Meierbäuerin den Grund für das Verhalten
ihres Mannes erkannt hatte, zermarterte sie sich den Kopf, wie
diesem Zustand abgeholfen werden könne. Bald glaubte sie, das
Richtige gefunden zu haben. Daß sie
auch nicht schon früher daran gedacht
hatte! Sie hatte doch eine Schwester in
der Stadt, die verheiratet war und ein
halbes Dutzend Kinder ihr eigen nannte.
Wie oft hatte sie diesen mit Lebensmit—
teln ausgeholfen und wie dankbar war
Anna immer gewesen. Sicher würde
diese ihr einen der Buben auf den Hof
geben, den er später erben würde. Bei
diesem Gedanken erfüllte eine stille Freu—
de das Herz der Bäuerin. Sie zweifelte
keine Sekunde daran, daß ihre Schwe—
ster ihr ein Kind abtreten würde. Dem
Knaben würde es an nichts ermangeln,
er wäre an Kindesstatt angenommen,
wie ein eigener Sohn gehegt und gepflegt
worden und hätte dereinst den großen
Hof zugeschrieben bekommen. Wie wun—
derbar schön wäre es gewesen, wenn
frohes Kinderlachen in diesem Hause er—
schallte. Mit einem frohen Lächli auf
dem Mund schlief die Bäuerin endlich ein.
Am fogenden Morgen erhob sich Frau
Klara zeitiger denn je. Sie war fest ent—
schlossen, den traurigen Zustand ihrer Ehe
ein Ende zu machen. Mit liebenden Hän—
den bereitete sie das Frühstück. Als sie
nachher ihrem Mann im Wohnzimmer ge—
genüber saß, begann sie von ihrem Plan
zu sprechen. Als sie geendet, hingen ihre
Augen in ängstlicher Erwartung am Ge—
sichte des Gatten, der ruhig sein Früh—
stück einnahm. Er schien sich die Sache
gründlich zu überlegen. Dann aber lachte
er grob auf.
„Würde mir gerade noch einfallen,
fremdes Vack auizuziehen! Sind mir
eigene Kinder nicht vergönnt, so brauch'
ich auch keine fremden!“
Wie verbittert seine Stimme klingt!
dachte die Bäuerin und ihr Herz krampite
iich zusammen. Inniges Mitleid erfüllte sie Aber iie konnte
doch auch nichts dazu.
„Es ist nun einmal Gottes Wille, und gegen diesen sollte sich
ein Mensch aufbäumen. Ist es eigentlich nicht besser so, als
venn wir ein Kind hätten, das uns Schande und Kummer be—
reiten würde und schließlich so enden müßte wie des Nachbars
Sohn, der sich im Schuppen erhängte? Gottes Ratschlusse sind
eben unerforschlich und weise sind seine Wege.“
Schweigend hatte der Bauer den Worten seiner Frau gelauscht.
Als Frau Klara den milden Zug in seinem Gesicht erblickte,
chöpfte sie neue Hoffnung. Zärtlich erariff sie seine Hand und
ah ihn bittend an.
„Franz, sei mir nicht bös, ich würde ja selbst gern süße Kin—
der haben. Laß uns deshalb eines von Annas Kindern aufneh—
nen. Wie schön wäre es, wenn solch ein lebenslustiges Geschopf
n Haus und Garten umhertollte. Und abends, wenn du nach
dause kommst, würden sich dir ein Paar Aermchen entgegen—
trecken, ein zartes Körperchen sich an dich schmiegen. Sag' selbst,
franz, wäre das nicht herrlich? Und sagt es nicht der Heiland
elbst, wer eines dieser Kleinen auinimmt, der nimmt mich auf!“
Dieie Moarte hliehen nicht ganzs ohne Mirkung Meer noch wollte
Sternennacliit. Von Ludwig Richter.
Die Himmelslichter sind doch wirklich, wie
die Außgéen am Alenschen, offenere oder zar-
ter hedéckte Stellen der Welt, wo die Seele
hveller durchscheint Wuütthine CClauchius)—