Full text: Nach der Schicht (24)

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den einzelnen Christen gehen will. Von ganz 
Kleinem anfangend, soll sich das Seelenleben 
entfalten und entwickeln zu großer Schönheit 
und reicher Tätigkeit und doch klein und ver— 
boigen bleiben vor dem eigenen Denken und 
Bewußtsein. 
Ein leuchtendes Vorbild dieses Weges der 
geistigen Kleinheit und Kindheit hat Gott für 
unsere und die kommende Zeit aufgestellt in 
der heiligen Theresia vom Kinde Jesu. Bene— 
dikt XV. hat anläßlich des Abschlusses ihres 
Seligkeitsprozesses eine bedeutsame Ansprache 
an das Kollegium der Kardinäle gehalten und 
darin betont, daß es der göttlichen Vorsehung 
so gefallen habe, in der Person dieser seiner 
armen und demütigen Magd, uns den Weg 
zu zeigen, der rasch und leicht zum ewigen 
Leben führt und den alle gehen können. die 
guten Willens sind. 
Diesem Wege der geistlichen Kindheit liegt 
die Wahrheit zugrunde, die Jesus auf das 
feierlichste ausgesprochen und durch sein Beispiel 
gelehrt hat: „Vater unser, der Du bist in dem 
Himmel.“ Wer kann die ganze Tragweite 
dieser Worte ausdenken? Jesus hat selben 
damit im vollsten Umfang Ernst gemacht 
Grenzenlos war seine Hingabe an den Vater. 
Am Oelberg sprach er sein letztes großes: 
Fiat! Es geschehe! Und bis zum „Consum- 
matum est“! Es ist vollbracht! hat er das 
Unaussprechliche gelitten. Seine Treue hat uns 
erlöst. 
Unter den lieben Heiligen, die ihm, dem gött⸗ 
lichen Vorbild, Schritt für Schritt nachgefolgt 
sind, nimmt die „kleine Heilige“ von Lisieux, 
wir möchten behaupten, eine ganz eigenartige 
Stellung ein. Sie ist die Führerin nicht auf — 
dem Wege zu großen, heldenhaften Leistungen, — 
wohl aber zur täglichen Treue im Kleinen, zu wWo⸗ Fonsun 
Opferliebe und Hingabe, zur Geduld und Er— 2 AA ortsetuun 
gebung, zur Demut und kindlichen Liebe gegen 2* antwortete nicht. Es lag etwas wie 
den Vater. 35 5758 3 
Ihrem Vorbilde folgen heute schon allent⸗ B———— gir e er gendn 
halben in der Welt viele, eifrige Christen, die F Harding sie fülchtete und sich danach 
es sich zur Ehre anrechnen, dem kleinen Licht⸗ * sehnte, fich mit ihr zu versohnen 
lein zu folgen, das Theresia in der Hand trägt. Wollen Sie mich heute befuchen?* fragte 
„Ist jemand ganz klein, so komme er zu mir,“ adebn dee sen 5 e 
sagt die Schrift. Und der Heiland spricht: Sie mit mir kommen und mit alles ergählen, 
„Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder, so was sich zugetragen hat in der Zeit uder 
werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen.“ wir uns nicht gesehen haben? Nach — * 
Wenn man es recht bedenkt, so ist das etwas Lieber Herrgott, melde mich zur Stelle.“ Und ch von Ihnen dehört hade, hälle ich erhartet 
ganz selbstverständliches. Der unendlich grozße uim Abend: „Lieber Herrgott melde mich ab.“ JIhr Aussehen ganz anders zu finden“ 
Gott kann nur sich däterlich neigen derjenigen Der Gedanke ist jedenfalls sehr richtig. — Al⸗ „Weshalb sollte ich anders aussehend enl 
vernünftigen Kreatur, die ihr eigenes Nichts Philipp II. von Spanien einmal am Hof einer gegnete Alice stolz. Es liegt ja mur bei nir 
anerkennt und sich dem Schöpfer freiwillig hin- Jüngling traf und ihn fragte: „Wem gehörs Lord Temple hieder“di Gallin añgugei den 
gibt. Hat er doch das absolute und vollkom- du an,“ gab dieser zur Antwort: „Ich gehör „Sie haben sein Aneibielen eez 
mene Anrecht auf den Dienst und die Hingabe nir selber.“ „Dann hast du einen sehr dummen fragte Lady Hardind im höchften Erngmen 
seitens der Kreatur. Zderrn“, lautete die schlagfertige Antwort. Ir „Ja.“ 
Es ist unsäglich traurig zu sehen, wie der dieser bodenlosen Torheit leben aber alle dahin „Sie sind ein seltsames Weib, ich habe Sie 
arme schwache Mensch auf Erden sich wie an die nicht an Gott sich halten wollen, wie jenen nie recht erforschen und verstehen n en 
einen Strohhalm anklammert an sein eigenes ozialistische Dichterling, der folgende Verse ver „Schließt Ihre Einladung für heute abend 
Ich. Er will etwas sein und gelten, sich durch- vFrochen hat: Mr. Lindsay ein?“ unterbrach Alice sie plötzlich 
setzen, andere auf die Seite schieben, sich Ehre „Ja wir haben keinen Vater im Himmel, „Natürlich! Er ist Ihr treuer· Verehrer n 
und Ruhm verschaffen, wie jene Riesen des Man muß aushalten im Weltgetümmel er gefällt mir besser als früher —* halten 
Altertums, die den babylonischen Turm er— Auch ohne das. Sie von Chandos?“ * 
bauten. Unsere Zeit ist deer töricht ae darüber las, „Er ist sehr hübsch.“ 
mit dem wgoij / Rgkard, Rekord. Was ist das Bei christlichen Philosophen Sie werd on i 
ine ee ee Lockt keine Katze vom Ofen.“ Sie ihn — 8 cn han ven 
der Welt Jezei Ais ass denr Wie kann. man einen solchen Unsinn schteiben. Wie lange haben Sie ihn denn schon 
Eisbetz schan Rtesen fchiff Atanie c Wlefeugeistter er Woltgesnchte habent· den kind · gegnnt · 
auf das Ian r aminnig stosz. wär Ins lichen Geist gegen den Valer Im inict gehabt r it benahe Lechsundzwanzig Jahre mein 
Meer Zu auchene, Dustümsee, berblendete Men- und sich Iorin, glüchlich geiihllz Demgegenüber Sklayß gemesenee 7 
Heft 46/ 1928 
jaben wir eine Reihe von Zeugnissen, aus 
denen das ganze innere Unglück derjenigen 
hervorgeht, die ohne Gott leben. Und zwar 
gerade von solchen, die in äußeren sehr guten 
Berhältnissen waren. „Mein Leben ist eine 
Hölle,“ klagt der englische Dichter Byron. „Es 
ist das ewige Wälzen eines Steins, keine sechs 
Wochen hatte ich ein Behagen,“ jammert Goethe 
im Alter. Aehnlich Franz Anatole und noch 
viele andere. 
Wie man es im Weltgetümmel aushält ohne 
»en Vater im Himmel, ohne Hoffnung auf das 
ꝛwige Leben, ist ja bekannt: Der Mensch wird 
vie ein wildes Tier, wenn er die Macht in die 
Hand bekommt, er versinkt in Sinnengenuß. 
im sich zu betäuben, er gerät in dumpfe Ver— 
zweiflung, wenn er leiden muß, kurz er wird 
uinglücklich und macht andere unglücklich. Und 
venn auch manche sich ein nach außen hin 
behagliches Leben verschaffen können, sich mir 
diel Abwechslung über die Leere und Oede ihres 
Herzens hinwegtäuschen, es fehlt ihnen stets 
die Hauptsache, der Seelenfriede. 
Stehen wir also treu zum Glauben, treu zum 
VBater im Himmel, treu zu Jesus und zum 
heiligen Geist: „Selig ein Kind zu sein.“ 
Selig, sich als Kind Edttes betrachten zu 
dürfen.
	        
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