Full text: Nach der Schicht (24)

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beim Tag alles gut angeschaut. Vorsichtig 
tappend, schlich er direkt dem Saustall zu. 
Das Schwein grunzte ein wenig, als er die 
Türe öffnete, der nächtliche Besuch kam ihm 
wohl nicht sehr gelegen. Der Wastei holte vor⸗ 
erst einen schweren Gegenstand unter dem Rock 
hervor. Dann strich er ein Zündhölz an und 
sah die Sau faul hingestreckt gerade vor sich 
liegen. Da hob er schnell den schweren Gegen⸗— 
stand, es war ein ziemlich großer Hammer, 
und ließ ihn mit aller Wucht auf den 
Schweinskopf niedersausen. Die Sau tat nur 
einen wehen Schnaufer und ein paar Schnagg⸗ 
ler und lag dann regungslos da. Der Wastei 
grinste und rieb sich die Hände. So glatte 
Arbeit hatte er sicherlich nicht erwartet. Jetzt 
handelte es sich nur mehr darum, die Beute in 
Sicherheit zu bringen. Der Wastei horchte vor⸗ 
erst vorsichtig nach allen Seiten, aber im Hause 
rührte sich nichts. Einen Hund gab's nicht 
im Rabenhofe, und die Leute schliefen den 
Schlaf der Gerechten. Da war also nichts 
zu fürchten. Es haperte nur mit dem 
Weg in's Freie. Das Haustor hatte der 
Bauer doch bumfest verschlossen und ein 
Stallfenster war wohl für den Wastei 
ein hinreichender Ausschlupf aber die 
schwere große Sau konnte unmöglich durch 
eine so kleine Oeffnung hindurchgezwängt 
werden. Der Herr Krawirxer hatte offen— 
bar mit diesen Schwierigkeiten von vorn⸗ 
herein gerechnet und sich, entsprechend aus— 
gerüstet. Denn er zog jetzt einen Strick 
aus der Tasche, schlang ihn der Sau zwei— 
mal um den Leib, machte einen kunstvollen 
Knoten und zerrte dann seine Beute bis 
zum Haustor. Was hatte er nur vor? 
Durch das Tor konnte er doch nicht. Er 
machte auch gar keine Anstrengungen, das 
Vorhängeschloß zu entfernen. Sein findiger 
Kopf hatte ihm einen anderen Ausweg ge— 
zeigt. Gings nicht durch das Tor, so war 
doch der Weg über das Tor, über die Hof⸗ 
mauer frei. Aber wie die Sau da hinüber— 
bringen? Hm, der Wastei war ein Schlau— 
kopf. Er schlang sich nun das andere Ende 
des Strickes selbst um den Leib und 
kraxelte dann, die Querbalken des Tores 
als Leiter benützend, rasch in die Höhe 
und ließ sich auf der anderen Seite hinab. 
Aha, jetzt war es klar, was er wollte: 
Zuerst selbst hinauskommen und festen 
Boden unter den Füßen gewinnen und dann die 
Sau am Strick empor- und über die Hof— 
mauer hinausziehen. Aber, aber, mein lieber 
Wastei, die Geschichte kann einen Haken be— 
kommen! Siehst, da hast es schon! Der Herr 
Dieb war beim Abstieg ausgerutscht und wäre 
jedenfalls sehr schnell am Boden angelangr, 
wenn — ja, wenn er nicht das Seil um den 
Leib geschlungen gehabt hätte, das Seil, an 
dessen anderem Ende die Sau hing und das so 
kurz war, daß es an der Außenseite der Hof— 
mauer nicht mehr bis zum Erdboden hinab— 
ceichte. So zappelte denn der Wastei, am Seil 
hängend, in der halben Höhe des Hoftores 
wie ein FJisch an der Angel. Die schwere 
Sau, gegen die er ein Schneidergewicht hatte, 
hielt ihn fest und der Strick schnürte ihm bald 
derart sein Bäuchlein zusammen, daß ihm so ach 
und weh, und so gottsjämmerlich zu Mute 
wmurde daß er sich nicht mehr zu hoöolfen mußte 
„Nach der Schicht“ 
ind aus Leibeskräften zu jammern und zu 
rüllen anfing. Auf das hin wurde es im 
dabenhofe sehr schnell lebendig. Bauer und 
zäuerin, Kinder, Knechte und Mägde kamen 
m Sturmschritt herbei, inzwischen war der 
Nond aus den Wolken getreten und so 
ihen sie denn den Saudieb in Todesängsten 
rampeln. Na, das Hallo, das jetzt los ging! 
ind dann — o armer Wastei! Was da alles 
n Knüppeln und Stecken in Bewegung gesetzt 
»urde! Und wie man auf den so schön vor der 
dase hängenden Sünder losdrosch! Der Wastei 
hrie nicht mehr er heulte in langgezogenen 
könen so erschrecklich, daß sogar die Sau, 
iie durch den Schlag mit dem Hammer nur 
hnmächtig geworden war, wieder zu sich kam 
ind in den schönen Gesang mit einstimmte. 
Als der Rabenhofer sein liebes Schweinl quiet— 
schen hörte wurde sein Herz von Mitleid ge— 
Begräbnis der Opfer von Dinkelscherben. Unter den 
Toten dieser furchtbaren Eisenbahn-Katastrophe be— 
anden sich auch vier vom Kölner Turnfest heimkehrende 
Turner, die am 4. 8. in ihren Heimatorten Miesbach und 
Sschliersee feierlich bestattet wurden. Oben: Der Trauer— 
ug mit den von Turnern getragenen Särgen auf dem 
Bege zur Gruft. — Unten: Während der Trauerfeier 
auf dem Friedhaf von Miesbach (Bayern) 
ührt und er gab Befehl, von dem fürchterlich 
erbläuten Sünder abzulassen. Ein kräftiger 
zchnitt mit dem Taschenmesser und der Wastei 
lumpste zu Boden. Ein paar wohlgemeinte 
Ihrfeigen und der Wastei war in Gnaden ent— 
issen. Ja, ja — das Leben ist ein Kampf, 
esonders wenn's um a schwere Sad geht! 
————————— ———— — 
EFin trautes Stübchen. 
Gott segne das Haus und das Stübchen, 
Wo heiliger Friede wohnt, 
Wo mitten unter den Menschen 
Das Herz des Erlösers thront, 
Wo gerne sich jede Stunde 
In Arbeit und Baten teilt 
And jedem Kinde zur Seite 
Fin Engel des Himmels weilt. 
In 'olchem Stüblein, wär's noch so klein. 
Da möächt aqauch ich zu Gasio soin“ 
Heft 381928 
Mit Kamera und Feder 
zu Fuß um die Welt. 
Fortseßung. 
] 
Uunter den Räubern der arabischen Wüste. — 
die verbotene Stadt. — In der Hand der 
Wahabiten. 
NNhfendi (Herr), ich kann es immer noch 
* nicht glauben, daß du dieses so gefähr— 
liche Land der Wahabiten zu Juß 
F durchreisen willst, wo ein Ungläubiger 
575 wie ein Hund verachtet ist, in dem 
in Nichtmuselmann beim Betreten dieses 
randes auf ganz bestialische Weise ermordet 
ird?“ 
Ja,“ antwortete ich. 
„Effendi, ich liebe die Christen nicht 
und wünsche, daß Allah (Gott) sie alle 
vberdammen möge, doch dich möchte ich 
warnen vor den Gefahren, denen du ent⸗ 
gegengehst, wenn du nach Medina 
ziehst.“ 
So sprach Achmed, mein Führer, mit 
dem ich das Sinaigebiet durchwanderte 
und auf dem Wege nach Medina war. 
Achmed war ein sonderbarer Kerl. Auf 
Sinai, im Zeltlager der Beduinen, lernte 
ich ihm kennen. Als früherer Dragoman 
(Fremdenführer) war er in verschiedenen 
Fremdenplätzen des Orients tätig und be— 
)errschte einige europäische Sprachen. Vor 
dem Zelte des Beduinenscheichs Abdalah, 
»ei dem ich zu Gaste war, bat er mich 
nit den im Morgenlande so sehr be— 
zannten Worten: „Backschisch, Effendi“ 
Trinkgeld, o Herr). Der Orientale erach⸗ 
et sich berechtigt zu sein, von jedem Frem— 
»en, Nichtmuselmann, den Tribut für sein 
?and in Form eines Almosens in Empfang 
u nehmen. Es gilt nicht als Schande, 
in Bettler zu sein. Hat doch der Prophet 
Nohammed selber die berühmten Worte 
esprochen: „Die Armut ist mein Stolz.“ 
ich gab Achmed einige Piaster Bakschisch 
ind lud ihn ein, am Boden neben mir 
BPlatz zu nehmen. Achmed war eine auf— 
jeschossene, hagere Gestalt, sein Anzug 
hatte anscheinend schon viel durchgemacht, 
er sah nicht am besten aus. Ich erprobte 
hn in verschiedenen Sprachen und ersah daraus, 
;aß er sie ganz gut verstand. Und eigentümlich 
rugenblicklich flogen mir die Gedanken darch 
en Kopf, den intelligenten Muselmann mit— 
unehmen durch das den Christen verbotene 
'and der Wahabiten. Gleichzeitig fing auch 
Uchmed in zögernder Sprache an und schilderte 
nir in krasser Weise die gefahrvolle Gegend. 
)en Janatismus der Bewohner. Und in 
ittender Art bat er mich ihn doch mitzunehmen. 
nich begleiten zu dürfen. Ich wies ihn auf 
die für ihn als Muselmann in Betracht 
ommenden Unannehmlichkeiten und Gefahren 
vin. Doch es half nichts. Achmed wollte mit. 
Der Scheich war nicht wenig erstaunt, mich, 
einen Gast, in Gesellschaft eines Arabers ? 
inden. Mit dem Ausruf des Erstaunens ließ 
r sich neben mir am Boden nieder Ich er⸗ 
ählte ihm meinen raschen Entschluß, Achmed 
Us meinen Bogleifer nirnn —
	        
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