Full text: Nach der Schicht (24)

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derschleudern. Niemals übers Ohr gehauen zu 
werden wird einem wohltätigen Menschen kaum 
zelingen; es kann sich nur darum handeln, 
durch Vorsicht und Klugheit sich vor größeren 
„Hereinfällen“ zu bewahren. Man suche also 
ein Almosen in möglichst sichere Hände 
zu bringen: Hausarme, Waisenkinder, alte 
alleinstehende Leute, Kranke und Arbeitsun— 
*ꝛähige. Dann die bekannten religiösen Vereine, 
vie Karitasverband, Bonifatius-Missionsverein. 
Da die Kirche Gottes ein einziger großer 
Liebesbund ist und in ihm jenes Feuer brennen 
soll, das Jesus auf die Erde gebracht hat 
und will, daß es entbrenne, deshalb müssen 
alle, die echte Christen sein wollen, auch wohl— 
ätig sein. Hierzu gehört nicht nur Geld — 
vieviele haben kein übriges, sind selber arm — 
ondern, was mehr ist, ein gutes, wohlwollendes 
Bruderherz, das darauf sinnt und denkt, wie 
es etwas Gutes stiften kann in Wort und 
Werk. 
Oft sind gerade die Armen so 
vohltätig und edel. Ein Bettler bekam 
von einer armen Witwe 2 Pfennig. Das rührte 
hhn so, daß er von seinen Bettelpfennigen ein 
Laib Brot kaufte und es der armen Frau als 
Gegengeschenk brachte. — Ein Geselle war bei 
rinem armen Meister. Er hielt aus bei karger 
Kost und wenig Lohn in dem Gedanken, daß, 
vwenn er fortgehe, sich etwas Besseres zu suchen, 
der Meister wohl keinen Gesellen finden wird, 
der dableibt. Das ist Seelengröße. — Ein 
Student an der Universität setzte seinen Kom— 
militonen (Studentenwort für Kamerad) die 
Kegel auf. Was sie ihm gaben, schenkte er 
einem armen Mitstudenten. — Ein armer Junge 
schenkte sein Taschengeld zwei Orgeldrehern. 
Ein Herr sah es, erkundigte sich nach dem 
Jungen und ließ ihn studieren. Der brave 
aleine Wohltäter ist Priester geworden. — Eine 
Magd gewann ein gutes Stück vom großen 
dos. Ihre Herrschaft waren verarmte Edel—⸗ 
leute. Sie bestand darauf, daß der Gewinn 
)azu verwandt wurde, den Söhnen des Hauses 
zum Studium zu verhelfen. — „Hoch klingt 
das Lied vom braven Mann“, singt der Dichter. 
Die Brabvheit ist das Opfer im Dienst 
des notleidenden Mitmenschen, das Freund und 
Brudersein, wie es Jesus getan hat und will. 
Die Sucht, das eigene Ich in den Vordergrund 
zu schieben, ist schuld an so vielen Uebeln, 
christliche Solidarität, allseitige echte Nächsten— 
liebe ist der Weg, das Volk zum Aufstieg zu 
führen und den Völkerfrieden anzubahnen. 
ů — 
—J 
Verlossen 
Roman von Ga. MNaogner. 
27] Nachdruck verboten. Jortseßung. 
Efunter sah ein wenig enttäuscht aus. ... 
MI] Vielleicht etwas, was ihr nicht ange— 
8 nehm wäre, wenn ihr Mann es erfährt?“ 
fragte er weiter. 
‚Es war ein Geheimnis zwischen 
„ach der Schicht“ 
pnen,“ antwortele Parsey; „nichts Entehrendes, 
ber doch etwas, was beide vor der Welt zu 
erbergen suchten.“ 
In Hunters Gesicht leuchtete es bei diesen 
Worten plötzlich auf. 
„Mr. Parsey,“ rief er aus vollster Ueberzeu— 
jung, „so wahr ich hier stehe, ist Ihr Sohn 
vurch die Hand der Lady Temple oder War— 
ens, des Majors Harding Diener, dem Tode 
jahe gebracht. Ich nehme das letztere an, und 
ann hat sie ihn dafür bezahlt. Ist sie bei 
zer Sache nicht beteiligt gewesen, dann bin 
ch mit Blindheit geschlagen und ein Neuling 
n meinem Geschäft!“ 
„Sie sind bestürzt, Mr. Parsey“ fuhr Hunter 
ort. „weil sie eine hochgestellte Dame ist; aber 
— 
Nachtgebet der Mutter. 
Stumm und still die Welt so weit 
Ruht in Schlummer sanft gewiegt; 
Ich muß wachen — laftend liegt 
Auf der Brust das Mutterleid. 
dehn mich übers Fensterlein, 
Scheinen hell die Sterne — 
Ach, mit Tränen, ferne, ferne 
Folgt mein Sehnen ihrem Schein. 
Ueber Tal und Bergeshöh'n 
zu dem fremden Lande fort — 
Ob mein armes Kind sie dort 
Auch wohl freudlos wandern seh'n? 
Ib der Arme meiner denkt 
And zu dieser Stunde 
lus dem mondscheinhellen Grunde 
Zerz und Aug' zur Mutter lenkt? 
Beten muß ich in der Nacht. 
BWenn die frommen Sterne glüh'n, 
daß sein Schifflein möge zieh'n 
deimwärts bald in Engelswächt. 
Sternlein, woll't als Weiser steh'n 
durch das Sturmgetriebe. 
Haß im Hafen meiner Liebe 
Treu er mag vor Anker geh'n. 
Sterne, sollt mir Boten sein! 
ßrüßt ihn tausend⸗ tausendmal, 
Friede träufle jeder Strahl 
Ihm ins kranke Herz hinein. 
Schmachtend wie die Biume steht 
Er an fremden Wegen! 
Bringt als Tau ihm meinen Segen. 
Frommer Mutter Nachtgebet! 
VXVFODCAXCCCOCOCCCC.VI 
ch sage Ihnen, es gibt noch höhergestellte, die 
bensolche und noch größere Verbrechen be— 
jangen haben!“ 
„Und wäre sie eine Herzogin,“ rief der alte 
Farsey erbittert, „ich würde sie nicht schonen, 
denn ich sie schuldig wüßte! Ich würde sie von 
hrer Höhe herabstoßen. Ich vermied es ab— 
ichtlich, gIhnen zu sagen, in welchem Verhältnis 
ie zu meinem Sohne stand, weil ich Ihren 
ßerdacht nicht von vornherein auf sie lenken 
vollte, aber ich sage Ihnen jetzt, daß ich sie 
on Anfang an für schuldig gehalten habe. Sie 
nag ihn erkannt und zu diesem Mittel gegriffen 
aben, um ihn für immer und sicher zum 
zchweigen zu bringen. Sie hielt ihn seit länge— 
er Zeit für tot —“ 
Heft 27, 1928 
„Und wollte diesmal seinen Tod zur Gewiß— 
seit machen,“ fiel ihm Hunter ins Wort. „Wenn 
Zie mir die Vollmacht verschaffen, Sir, werde 
ch Lady Temple sogleich verhaften.“ 
Mr. Sewell äußerte seine Bedenken gegen 
in solches Verfahren und mahnte zur Vorsicht. 
„Ich wiederhole es, es wäre nicht weise 
ehandelt,“ schloß er seine Vorstellungen. „Alles, 
vas Sie als Beweis anführen, ist eigentlich 
iur Vermutung, hergeleitete aus ganz äußeren 
Imständen, und auf so oberflächliche Verdachts— 
zründe hin eine hochgestellte Dame zu ver— 
saften, wäre gewagt. Bedenken Sie, welch ein 
Alufsehen es machen würde und welche Nach— 
eile entstehen könnten, wenn wir einen Fehl— 
griff machten.“ 
„Und wenn es mein halbes Vermögen kostete,“ 
rief Parsey, „ich will Gerechtigkeit haben! Ihr 
Rang soll sie nicht vor Strafe schützen! Lady 
Temple, Alice Sherwin oder Mrs. Parsey — 
als was sie auch befunden werden mag — soll 
ioch vor morgen abend in sicherem Gewahrsam 
ein!“ 
„Ich würde einen solchen Schritt nur als 
etztes Mittel anraten,“ ermahnte Mr. Sewell 
iochmals. „Unserm Jreund Hunter mag die 
Zache ganz klar sein; aber eine nicht unwichtige 
Frage ist die, ob nicht etwa ein Verdacht nach 
rgend einer andern Seite hin vorliegt.“ 
„Ehe ich wußte, daß ein Geheimnis zwischen 
2ady Temple und Mr. Parsey bestand, konnte 
ch an ihre Schuld auch nicht glauben,“ sagte 
Hunter, „jetzt aber ist mir die Sache so hell 
vie das Tageslicht.“ 
„Vergessen Sie nicht, daß Sie sehr leicht 
inen Fehlgriff tun können,“ bemerkte Sewell. 
Sie beginnen mit einer dunkeln Idee, einem 
eisen Verdacht auf eine gewisse Person und 
uchen dann aus einzelnen Tatsachen und Um— 
tänden, die sich nur irgend mit Ihren Theorien 
ereinigen lassen, Beweise herzuleiten. Sie ver⸗ 
hwenden darauf Ihre ganze Tätigkeit und 
draft und entfernen sich gleichzeitig vielleicht 
mmer weiter von der rechten Spur. Wären 
Zie nicht von einer starken Ueberzeugung von 
hrer Schuld befangen, so wäre es Ihnen leicht, 
benso fest an ihre vollständige Unschuld zu 
lauben.“ 
„Möglich,“ sagte Hunter gedankenvoll, „aber 
'in Haftbefehl kann keinesfalls schaden. Wenn 
dady Temple in diese Angelegenheit verwickelt 
st, wird der Schreck bei Vorzeigung des Be— 
ehls sie verraten. Ich begreife wohl, daß es 
inem Gentleman schwer wird, zu glauben, eine 
ocharistokratische Dame sei einer solchen Tat 
ähig, aber ich sage Ihnen, daß uns in unserm 
sßeruf Dinge vorkommen, worüber andere 
Renschen, falls sie ans Licht kämen, die Hände 
iber dem Kopf zusammenschlagen würden.“ 
„Darin gebe ich Ihnen vollkommen recht,“ 
agte Sewell, „und auch in dieser Sachlage 
nag die Wahrheit, wenn sie ans Licht kommt, 
die Welt in Erstaunen setzen. Dennoch bin ich 
iberzeugt, daß Sie sich auf einem Irrweg be— 
refinden; denn auch ich bin nicht müßig ge— 
vesen, so lange ich hier bin, und habe erfahren, 
aß Lady Temple reich ist; sie hat für ihren 
genen Gebrauch zehntausend Pfund in der 
zank. Das beseitigt gewiß den Verdacht, daß 
ie das Geld hat, das Mr. Parsey gestohlen 
urde.“ 
Hunter wurde stutzig.
	        
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