Full text: Nach der Schicht (24)

heft 14/1928 
und seine Augen starrten wild und entsetzt auf 
den Sohn nieder. 
„Du magst nur ruhig sitzen bleiben, Vater,.“ 
jagte Thomas scheinbar ruhig, aber hastiger 
blies er den Rauch der Zigarre 
von sich. „Sie ist mir aus dem 
Wege, und auch aus dem dei— 
nigen.“ 
Parsey atmete erleichtert auf 
und sank auf den Stuhl zurück. 
„Ist sie tot?“ fragte er. 
„O nein, nur verheiratet!“ 
„Verheiratet?“ 
„Ja, verheiatet!“ bekräftigte 
Thomas mit Bitterkeit, die er 
nicht mehr zu unterdrücken ver— 
mochte. „Wir machten ein klei— 
nes Versehen, Vater. Sie war 
kein gewöhnliches Dorfkind, 
vie wir glaubten, sondern eine 
Lady — die Tochter eines 
Hentlemans und der Günstling 
eines Barons. Sie war eine 
Lady und ist es jetzt noch mehr 
als je — Lady Alice Temple!“ 
Er warf den Rest seiner Zi— 
garre ins Feuer, zündete sich 
eine neue an, schenkte dann die 
ieeren Gläser voll und trank 
das seinige wieder aus, worauf 
er einen Stuhl an den Kamin 
rückte und sich dort niedersetzte, 
gedankenvoll in das Jeuer 
tarrend. 
„Thomas,“ brach endlich 
Parsey das längere Schweigen, 
„das ist eine fatale Geschichte; 
sie wird vernichtend auf dein 
ganzes Leben einwirken.“ 
„Das sehe ich nicht ein,“ 
hersetzte Thomas mit der 
früheren Ruhe. „Die bloße 
Tatsache, mit xinem Mädchen 
getraut zu sein, das, nachdem 
es sich verlassen sah und guten 
Grund hatte zu der Annahme 
ich sei tot, einen andern Mann 
heiratete, übt vielleicht beine zu 
große Wirkung auf meinen 
Geist oder meine Konstitution 
aus.“ 
Hätte Parsey seinen Sohn 
aufmerksamer beobachtet, oder 
wäre er ein besserer Menschen— 
kenner gewesen, so hätte er 
bemerkt, daß diese Tatsache, 
oder vielmehr der Verlust seiner 
Frau, bezeits einen tiefen Ein— 
druck auf seinen Geist gemacht 
hatte. 
„Aber du kannst nicht hei— 
raten,“ sagte er. 
„Ich weiß es nicht,“ entgeg— 
nete Thomas. „Das ist ein 
Fall, wie er wohl noch keinem 
Herichtshof zur Entscheidung 
dorgelegen ist: Es fand eine 
geheime Trauung statt. Das 
Mädchen sah die Anzeige des erfolgten Todes 
in der „Times“, und da sich ihr die Gelegenheit 
bot, entschädigte sie sich für ihren Kummer durch 
die Verheiratung mit einem andern. Sie ist 
„Nach der —A 
»eswegen nicht anzuklaçen, besonders da der 
held ihrer Jugend so freundlich gewesen war, 
hr den Rat zu erteilen, ihre Jugendtorheit 
zu vergessen und zu tan,. als ob sie nicht be— 
Die Glocken 
läuten das Olstern ein. 
Die Glocken läuten das Oltern ein 
in allen Enden und Canden. 
Und fromme herzen jubeln darein; 
Der Cenz ilt wieder erstanden. 
Es atmet der Dald. die Erde treiht 
Und klesdet lich lachend mu Moole. 
Und aus den schoͤnen fugen reibt 
Den Schlat sich erwachend die Role 
Das schaffende licht. es flammt und kreisi 
Und sprengt die kesselnde Hülle. 
Und über den Wallern schwebt der Geist 
Unendlicher liebesfülle 
fldolt Bot 
angen wäre. Wir können sie nicht der Bigamie 
eschuldigen, denn sie hat ohne strafbare Ab— 
icht gehandelt; wir können auch keine Schei— 
uung beantragen, weil der Rechtsgrund., daß 
Seite 211 
sie im guten Glauben und ohne strafbare Ab⸗ 
sicht gehandelt hat, auch in dieser Sache sich 
anwenden läßt.“ 
Aber auch auf dich!“ 
„Nein! So sonderbar es 
auch scheinen mag, habe ich tat— 
sächlich doch noch eine Jrau, 
bis Lord Sylvan Temple auf 
eine Scheidung zwischen mir 
und Auce dringt, was er aber 
nicht tun wird. Eine ver— 
wickelte Geschichle, nicht wahr? 
Wenn er aber seine Heirat für 
ungültig erklärte, würde sie 
unbestreitbar mir zufallen — 
eine Wendung, die dir jeden— 
falls nicht erwünscht wäre!“ 
„Welch ein Hindernis für 
deine Zukunft!“ rief der ältere 
Parsey. „Wie törich bist du 
doch gewesen.“ 
„Die meisten Menschen sind 
in diesem Alter töricht und 
ich bin nur einer von den 
dielen!“ rief Thomas bitter. 
‚Aber ich muß mich über deine 
Langmut und Geduld wun—⸗ 
dern, mein Vater,“ fügte er 
mit dem Humor der Ver— 
zweissung hinzu. „Ich gestehe, 
daß ich auf deinen väterlichen 
Fluch gefaßt war und mich 
vorbereitet hatte, von dir die 
Worte zu hören: Geh', du un— 
geratener Sohn, und komme 
nicht wieder über die Schwelle 
meines Hauses! Ich habe hin— 
fort keinen Sohn mehr!“ 
„Hast du mir nicht durch 
deinen Leichtsinn Kummer ge— 
nug gemacht.“ rief vocwurfs⸗ 
voll Mr. Parsey, „daß du nun 
mein Herz durch solche über— 
mütige und unbedachtsame 
Worte noch mehr verwundest!“ 
Thomas wurde plötlich ernst 
und seine Stimme kiang tief 
»ewegt, als er sagte: 
„Verzeihe mir, Vater, wenn 
ich mich in meinem Schmerz, 
in meiner Verzweiflung zu 
Aeußerungen hinreißen ließ die 
mir nicht ziemen; du ahnst 
nicht, wie schwer, wie bitter 
ich den Verlust meines Wei—⸗ 
bes empfinde! Ich liebe sie 
noch — treuer und inniger als 
zuvor, nachdem ich erkannt 
hjabe, was ich an ihr verloren! 
Du wirst meine Gereiztheit 
gegen dich begreifen und ver— 
zeihlich finden, wenn ich dir 
age, daß es dein unseliger 
Stolz war, der mich bewog, 
die Wahrheit anfangs ver— 
borgen zu halten und dann 
wie ein Elender zu handeln!“ 
Jetzt erst erkannte Parsey den inneren Zu— 
tand seines Sohnes; er sah seinen tiefen Schmerz 
und mußte sich jetzt gestehen, daß auch er sich 
nicht ganz von Vorwürfen freisprechen durfte
	        
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