Full text: Nach der Schicht (24)

Heft 10/1928 
„Nach der Schicht“ 
ein Bruder, der Arzt geworden ist, von ihm 
agt, war Gabriele ein lebhafter, munterer, 
ehr vergnügter Junge, der gern Scherze machte, 
im die Gesellschaft in heiterer Stimmung zu 
rhalten. Der Vater war eine schweigsame 
satur und darin glichen ihm alle Kinder, nur 
Habriele nicht. Der äußerst geweckte Knabe 
ag seinen Studien mit solchem Fleiße ob, daß 
r alle seine Mitschüler überflügelte und in 
edem Jahre mit Preisen ausgezeichnet wurde. 
ßSei Beendigung seiner Studien erhielt er die 
sJoldene Medaille. Mehrmals äußerte er später 
ven Wunsch, in einen Orden einzutreten. Seine 
imgebung wollte es nicht glauben, daß der 
legante Jüngling sich tatsächlich entschließen 
zönne, das rauhe Mönchsgewand zu wählen. 
And doch hätte damals niemand geahnt, daß 
r schon damals unter seinen Kleidern einen 
dedergürtel mit eisernen Spitzen trug. Weder 
yer anfängliche Widerstand seines Vaters gegen 
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ztudien in verschiedenen Genossenschaftshäu— 
ern an. Der erste Verfasser seiner Lebens— 
eschichte rühmt an Gabriele seine außerordent— 
ich große Liebe zur hl. Gottesmutter. Er 
chreibt: „Man kann mit Fug und Recht 
ehaupten, daß, abgesehen von der Liebe zu 
zesu, die Liebe des Dieners Gottes zur selig— 
ten Jungfrau Maria die Seele seiner ganzen 
handlungsweise, das Schwungrad war, das 
hn auf dem Wege seines tugendhaften Lebens 
ind Strebens war. Seine Liebe zu Maria 
odar ihm in Fleisch und Blut übecgegangen, 
o daß er dem Geist und Herzen nach sozusagen 
aarianisch war.“ Mit 23 Jahren begann 
zabriele zu kränkeln und schon ein Jahr 
päter starb er im gleichen Alter wie der 
l. Aloysius eines seligen kostbaren Todes. 
daum hatte man nach 39 Jahren seine Ge— 
eine aus dem Grabe erhoben — gemäß den 
zirchlichen Vorschriften zur Vornahme der 
Se igsprechung — als zahl⸗ 
reiche wunde bare Heilungen 
erfolgten, von denen hier 
eine besonders auffallende 
nitgeteilt werden soll. Der 
Heruch von Gab ie es Hei— 
igkeit drang weit ins Land. 
So war ein junges Mäcchen 
nereits seit seinem dritten 
Lebensjahre schwer lungen— 
und magenkrank. Ein über— 
zus heftiges Fieber zehrte 
in schreckichet Werse an 
ihren schon siechen Kräften. 
Sie lag wie ein Leichnam 
auf weichen Polstern, ohne 
ein anderes Lebenszeichen 
roch von sich zu geben als 
inen langsam keuchenden 
Atemzug. Der Berichterstat— 
er Pater Germano wurde 
wei Tage nach der Erhe— 
»ung von Gabrieles helligen 
Hebeinen von den Eitern 
zu ihrer kranken Tochler 
gerufen. Sie habe die hei— 
slige Jungfrau Maria ge— 
sehen, sagten sie ihm. Die 
heilige Gottesmutter habe 
ihr gesagt, auf dem G.abe 
)es hl. Gabriele werde sie wieder gesund wer— 
den. Pater Germano riet dadbon ab, die auf 
sen Tod Kranke dem lebensgefäh lichen Trans— 
sort dahin auszusetzen. Er gab den Rat, man 
nöge sie mit dem Gürtel des Heiligen be— 
ühren, den man kurz vorher aus dem Grabe 
ntnommen hatte, und die Kranke solle etwas 
on dem Staub seines Grabes genießen ... 
drei Tage lang solle zur hl. Dreifaltigkeit 
ebetet werden. Am dritten Tage wurde der 
zustand des kranken Mädchens so schlimm, daß 
nie Mutter glaubte, das Ende sei nahe, und 
en Gürtel wegnehmen wollte. Das Mädchen 
at, den Gürtel doch bis zum Ende der drei— 
igigen Andacht liegen zu lassen. Darauf fiel 
ie in einen tiefen Schlaf. Als sie morgens 
rwachte, war sie vollkommen gesund, frei von 
llen Leiden und Wunden. Sie sprang auf 
ind konnte gehen. Groß war das Erstaunen 
er Verwandten und Bekannten, die sie von 
berallher besuchten. Zwei Tage nach ihrer 
deilung pilgerte sie barfuß mit den Eltern und 
eden Tag früh und abends, daß er Sie 
vor diesem Glück bewahrt hat. Danken Sie 
meinetwegen auch dem Teufel, daß er Sie durch 
ein Kichern damals außer Rand und Band 
gebracht hat, so daß Sie den Zug versäumten. 
Ich habe ihn leider nicht versäumt, ich bin 
nuf dem Mandelstein mit der holdseligen Maid 
»ekannt geworden und ein Jahr später durfte 
ch sie und ihre Mutter in mein Heim führen. 
Zeither höre ich, wie gesagt, den Teufel fast 
eden Tag kichern und manchmal sogar vor 
Wonne heulen.“ 
Der Mann seufzte wieder schwer und ver— 
'ank dann in dumpfes Brüten. Mir tat der 
Arme in der Seele leid, aber ich konnte ihm 
eider nur mit stummer Teilnahme die Hand 
zrücken. 
Von nun an rege ich mich aber ganz be— 
stimmt nicht mehr auf, wenn ich wieder einmal 
den Teufel lachen hören sollte, denn ich bin 
a dem höllschen Halunken 
zu großem Dank verpfchtet. 
Und wenn es vielleicht auch 
ꝛin blöder Teufel ist, der 
mich in seiner Dummheit 
vor dem großen Unglück 
ewahrt hat, na, dann habe 
cch um so weniger Ursache, 
nich über sein einfältiges 
Helächter aufzuregen. Als 
elbstloser Mensch möchte ich 
iur wünschen, daß es mehr 
solche dumme Teusel gebe, 
die Böses wollen und Gutes 
tiften, denn dann sähe es 
hald anders aus in dieser 
herrückten Welt, über die 
heute schon alle Teufel lachen 
könnten. 
— — * 
Wie das Gestirn, 
Ohne Hast, 
Aber ohne Rast, 
Drehe sich jeder 
Um die eigne Last. 
Der Stapellauf des Motorschiffes „Los Angeles“. Mit diesem Stapellauf ist eins 
der 4 neuen Schifse im Rohbau fertiggestellt worden, die die Hamburg-Amerika-Linie 
m Lauf dieses Jahres zur Erweiterung des deutschen Verkehrs nach der Wesi— 
züste Nord-Amerikas in den Dienst stellt. Diese Motorschiffe sind ein neuartiger 
Schiffbau, die sich besonders gut für den Seeverkehr eignen und die mit den 
nodernsten Kühl-Eintichtungen versehen sind, um den Verkehr mit der Westküste 
Nord-Amerikas und der Hebung der Haändelsbeziehungen zu fördern. Die Taufe 
ses neuen Schiffes erfolagte durch Mitglieder der amerikanischen Kolonie 
——⏑ — 
̊ 
Aus dem Leben 
des hl. Gabriele Possenti. 
Zum 90. Geburtstage. 
einen Ordensberuf noch auch alle weltlichen 
zerstreuungen und Veranstaltungen vermochten 
hn von seinem gottgewollten Vorhaben ab— 
uhalten. Mehrere Krankheiten ließen ihn in 
einem Wollen nur noch fester und entschlosse— 
ier werden. Auch der Vater gab, wenn auch 
chweren Herzens, seine Einwilligung, als be— 
annte und verwandte Ordensgeistliche ihn von 
em heiligen Ernste seines Ocdensberuses über— 
eugt hatten. So nahm Gagoriele denn Abschied 
om Vaterhaus und trat in das Kloster der 
Bassionisten zu Moraralle, wo er bereits am 
1. September 1856 feierlich eingekleidet wurde. 
dier bewies er eine solche glühende Liebe zu 
em erwählten Ordensberufe, daß er allmäh— 
ich alles Irdische von sich abstreifte und sich 
anerlich von allem Weitlichen völlig losschälte. 
Zeine Briefe, die er allerdings im Laufe der 
zahre immer spärlicher aus dem Kloster ge— 
chrieben hat, sind das herlichste Zougnis eines 
zroßen Tugendlebens. RNach Ablegung der Pro— 
eß schlossen sich für Gabriele weitere höhere 
— 
N hl. Gabriele Possenti, den Papst 
IGeeo XIII. den „Aloysius unserer Tage“ 
9 nannte, erblickte am 1. März 1838 zu 
—* Assisi (Italien) als elftes Kind der 
8 ebenso frommen wie angesehenen Edel⸗ 
eute Sante Possenti aus Terni und seiner 
adeligen Gattin Agnes Frisciotti, das Licht 
der Welt. Die gottesfürchtige Mutter starb 
ereits sehr früh eines frommen Todes. Und 
och ließ der edle Vater seinen Kindern eine 
jerborragend gediegene Erziehung angedeihen, 
rotzdem seine berufliche Tätigkeit ihm kaum 
die Zeit dazu ließ Schon in frühester Kind— 
eit zeichnete sich Gabriele durch eine rührende 
kiebe zu seinen Geschwistern aus. Auch gegen 
die Armen hatte er stets ein qutes Herz. Wie
	        
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