Full text: Der Saarbergknappe (4 [1952])

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Jecr SaarvDersKnappe“ 
Nummer « 
A 
Wir antworten 
Der Vorschlag 
der Wirtschaftskommission 
Saarbrücken. 7 April, Die Regierung des Saarlandes — IJnfor- 
mationsamt — teilt mit: 
Die französisch-saarländische Wirtschaftskommission hat nach drei- 
lägigen Beratungen in Paris den beiderseitigen Regierungen einen 
Vorschlag unterbreitet, die Lohnstreitigkeiten im Bergbau nach fol: 
genden Grundsätzen zu regeln: 
„Die Grund 1öhne und die zugehörigen Zulagen werden durch 
Vereinbarungen zwischen dem Generaldirektor der Saargrubenver- 
waltung und den Berufsverbänden des beteiligten Personals festgelegt 
Wenn der Generaldirektor der Saargrubenverwaltung und die be- 
teiligten Berufsverbände zu keiner Einigung kommen können, so wird 
der Streitfall von einer der beiden Parteien einem Schlichtungs- 
und Schiedsausschuß unterbreitet. Dieser setzt sich zusammen 
aus einem Vorsitzenden, zwei Arbeitgeberbeisitzern und zwei Arbeit- 
nehmerbeisitzern, Je ein Beauftragter des saarländischen Wirtschafts- 
ministers und des französischen Grubenministers werden mit bera- 
tender Stimme beigeordnet, 
Der Vorsitzende des Ausschusses wird durch den saarländischen 
Arbeitsminister ernannt. Die Beisitzer werden von dem saarländischen 
Arbeitsminister berufen und aus Listen ausgewählt, die ihm von dem 
Direktor der Saargrubenverwaltung einerseits und den beteiligten 
Berufsverbänden andererseits vorgelegt werden. 
Der Schlichtungs- und Schiedsausschuß bemüht sich, eine güt- 
liche Einigung zu erzielen. Kommt eine Einigung nicht zustande, 
50 kann er auf Antrag einer der beiden Parteien einen Schieds- 
Spruch fällen. 
Der Vorsitzende des Ausschusses stellt den Spruch den beiden Par- 
leien und den vier Mitgliedern eines Regierungsausschusses zu. der 
sich zusammensetzt aus: 
dem Grubenminister der Französischen Republik, 
dem Wirtschaftsminister der Französischen Republik, 
dem Wirtschaftsminister der Regierung des Saarlandes. 
dem Wirtschaftsminister der Regierung des Saarlandes. 
Sämtliche Mitglieder dieses Ausschusses haben das Recht, innerhalb 
Piner Frist von 10 Tagen, gerechnet vom Tage der Zustellung, mit 
aufschiebender Wirkung gegen den Schiedsspruch Einspruch ein- 
zulegen und den Zusammentritt des Regierungsausschusses zu ver- 
langen. 
Dieser Ausschuß muß innerhalb einer Frist von 10 Tagen, gerechnet 
vom Tage des Anirages auf dessen Einberufung, zur Beratung zu- 
j;ammentreten, Diese Frist hat gleichfalls aufschiebende Wirkung. Die 
Minister können sich bei dieser Sitzung durch ihre Vertreter ver- 
treten lassen. 
Wenn der Regierungsausschuß dem Schiedsspruch einstimmig 
zustimmt, so wird er verbindlich. 
Wird ein Schiedsspruch nicht einstimmig von dem Regierungsaus- 
schuß gebilligt, so kann der Streitfall von der einen oder anderen 
Regierung innerhalb einer Frist von 30 Tagen, gerechnet vom Tage 
der Beratung des Regierungsausschusses, der französisch- 
saarländischen Wirtschaftskommission im Rahmen 
der französisch-saarländischen Konventionen vorgetragen werden 
Die Frist hat aufschiebende Wirkung. 
Wenn die Wirtschaftskommission nicht innerhalb der oben ange- 
gebenen Frist mit dem Streitfall befaßt worden ist, so wird der 
Schiedsspruch verbindlich.‘ 
Unsere Stellungnahme 
Einheitsgewerkschaft 
J.-V. Bergbau 
Gewerkschaft 
Christlicher Saarbergleute 
Saarbrücken, den 16. April 1952 
An die 
Regierung des Saarlandes 
Saarbrücken 
Betr. Stellungnahme der beiden saarländischen Bergarbeitergewerk- 
schaften zu dem Vorschlag der französisch-saarländischen Wirt- 
schaftskommission vom 7.4. 1952. 
Der Industrieverband Bergbau der Einheitsgewerkschaft und die Ge. 
werkschaft Christlicher Saarbergieute nehmen zu dem Vorschlag der 
'ranzösisch-saarländischen Wirtschaftskommission vom 7.4.1952 wie 
‚olgt Stellung: 
Beide Gewerkschaften lehnen als berufene Vertreter der Belegschaft 
der Saargruben den Vorschlag der Kommission als unannehmbar ab. 
Die Gewerkschaft Christlicher Saarbergleute und der Industriever- 
band Bergbau der Einheitsgewerkschaft müssem darauf bestehen, daß 
lem Saarbergbau, ebenso wie jedem anderen saarländischen Wirt. 
schaftszweig, volle Tarifvertragsireiheit zuerkannt und die Regie des 
Mines, ebenso wie jedes andere saarländische Wirtschattsunternehmen, 
dem saarländischen Tarifvertragsgesetz vom 22. 6. 1950 ohne Ein- 
schränkung unterworfen wird. 
Diese Forderung der beiden Gewerkschaften ist unabdingbar und 
stützt sich vornehmlich auf Artikel 47 der saarländischen Verfassung, 
jer besagt, daß für alle Arbeitnehmer ein einheitliches Arbeitsrecht 
nit besonderer Gerichtsbarkeit, welche das Schlichtungsverfahren 
‚owie die unabdingbaren Kollektivvereinbarungen zwischen Gewerk- 
'chaften und Arbeitgeberorganisationen regelt, zu garantieren ist. 
In Ansehung dieser maßgeblichen Bestimmung der saarländischen 
Verfassung wäre die Durchführung des Vorschlages der französisch- 
aarländischen Kommission verfassungswidrig., 
Unsere Begründung: 
Unsere Stellungnahme wird im einzeinen wie folgt begründet: 
1.) Der Vorschlag der französisch-saarländischen Kommission beab- 
ichtigt keineswegs die Gewährung der Tarifvertragsfreiheit für den 
jaarbergbau und auch nicht die Unterwerfung der Saargrubenverwal- 
ung unter das saarländische Tarifvertragsrecht. 
Absatz 1 des Vorschlages räumt der Belegschaft der Saargruben 
diglich das Recht einer Lohnvereinbarung ein. 
Dies ist völlig unzureichend. Die Ausübung des Rechtes der Tarif- 
ertragsfreiheit darf sich nicht nur auf mögliche Lohnvereinbarungen 
‚jeschränken, sondern muß auf dem Boden des Tarifvertragsrechtes 
lie Möglichkeit bieten, alle Belange der Belegschaft der Saargruben 
vahrzunehmen und zu vertreten. 
Die Annahme dieses ersten Absatzes des Vorschlages der franzö- 
isch-saarländischen Kommission müßte zwangsläufig zur erneuten 
nkraftsetzung des Saarbergbaustatuts führen, Dagegen müssen sich 
edoch die Gewerkschaften, gestützt auf Arlikel 1, letzter Absatz der 
jaargruben-Konvention, mit aller Entschiedenheit verwahren. In dem 
ingezogenen Absatz besagt die Konvention ausdrücklich, daß neue 
3Zetriebsbedingungen festgelegt werden. Das bedeutet, daß durch den 
\bschluß und das Inkrafttreten der Saarguben-Konvention hinsicht- 
ich des Verhältnisses der Saargrubenverwaltung und ihrer Beleg- 
;chaft eine von dem bisherigen Verhältnis völlig verschiedene, neue 
Rechtssituation enistanden ist. Obwohl im Artikel 1 der Grubenkon- 
‚ention behauptet wird, die Konvention enthalte die neuen Betriebs- 
)edingungen, ist in der Konvention von neuen Betriebsbedingungen 
veiter keine Rede. Das bedeutet aber nicht, daß die bisherigen Be- 
riebsbedingungen, nämlich das Saarbergbaustatut, die von der Kon- 
‚ention geforderten neuen Betriebsbedingungen ersetzen könnte. Die 
‚utreffende Bestimmung in der Konvention bedeutet vielmehr, daß 
ı1eue Betriebsbedingungen gewollt und zu fordern sind, In Auswir- 
iung dieser Konventionsbestimmung fordern beide Gewerkschaften 
n bewußter Abkehr von dem Saarbergbaustatut die volle Tarifver- 
ragsfreiheit für den Saarbergbau. 
2.) Der Vorschlag der französisch-saarländischen Wirtschaftskom- 
nission zieht einen Schlichtungs- und Schiedsausschuß in Erwägung, 
ler offenbar die Schaffung eine Sonderrechtes und eines Sonderrechts- 
'uges für die Saargruben beabsichtigen soll. Der Vorschlag läßt inso- 
veit erkennen, daß der vorgeschlagene Schieds- und Schlichtungs- 
„‚esschuß nicht einen Staatlichen Schlichtungsausschuß gemäß 18, Ziff. 
; des Tarifvertragsgesetzes, sondern einen Sonderausschuß, dem viel- 
eicht der Charakter eines Ausschusses gemäß 8 18, Ziff. 1 zukommen 
vürde, darstellen soll. Hiermit können wir uns unter gar keinen Um- 
tänden einverstanden erklären, da wir eine tarifvertragsrechtliche 
jenderregelung für den Saarbergbau ablehnen müssen und verlangen, 
laß der im saarländischen Tarifvertragsgesetz vorgesehene Staatliche 
ichlichtunes- und Schiedsausschuß auch für die Saargruben zuständig 
st. 
Gegen die Beiordnung eines Beauftragten des französischen Gruben- 
ninisters mit beratender Stimme ist nichts einzuwenden. 
3.) Die Bildung des vorgeschlagenen Regierungsausschusses müssen 
wir ablehnen. Zunächst besteht einmal keine Notwendigkeit für die 
Konstituierung eines derartigen Ausschusses, da das Tarifvertrags- 
zesetz vom 22.6. 1950 allen in Frage kommenden Belangen Rechnung 
‚;rägt. Die Bestellung eines Regierungsausschusses widerspricht dem 
Wesen des Tarifvertragsrechtes, verstößt gegen die Verfassung und 
würde eine bedeutende Verschlechterung der Rechtssituation der 
Saarbergleute herbeiführen. Während nach dem Tarifvertragsgesetz 
susschließlich der saarländische Arbeitsminister ein Einspruchsrecht 
hat und dies nur dann, wenn er der Überzeugung sein muß, daß durch 
:ine lohnregeinde Tarifvertragsbestimmung Verpflichtungen, welche 
lie saarländische Regierung in einem Staatsvertrag übernommen hat, 
verletzt werden könnten, wäre nun zum Schaden der Saarbergleute 
;ieich vier Ministern, und davon noch zwei französischen Ministern, 
lie außerhalb der saarländischen Verantwortung stehen, ein Veto- 
echt eingeräumt, Nicht genug damit, diese Minister könnten dieses 
fetorecht, ohne sich auf einen Grund stützen zu müssen, frei und 
villkürlich ausüben, Der saarländische Arbeitsminister ist dem Mi- 
ıisterrat und dem Parlament verantwortlich. Die französischen Mi- 
ıster könnien bei Ausübung des Vetorechtes nicht zur Verantwortung 
jezogen werden. Wir bedauern darauf hinweisen zu müssen, daß sich 
lie Tätigkeit des geplanten Regierungsausschusses ähnlich dem Mig$- 
‚rauch des Vetorechtes der Großmächte bei der UNO auswirken 
önnte, Einer derartigen Willkür können sich jedoch die Saarberg: 
aute in ihrem existentiellen Belangen niemals unterwerfen. 
Dazu kommli, daß der Arbeitsminister gemäß 8 11, Abs. 3 des Tarif- 
ertragsgeseizes gehalten ist, seinen evtl. Einspruch zu begründen. 
Ticht einmal diese Auflage wird den vier Ministern des Regierungs. 
\usschusses gemacht. 
Im übrigen ist der Vorschlag der tranzösisch-saarländischen Wirt- 
chaftskommission hierzu auch deshalb unannehmbar, weil er das Be- 
schwerderecht der Tarifvertragsparteien völlig beseitigt und die Ent
	        
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