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„Der, Saarbergknappe'‘, Organ der Gewerkschaft Chrisuicner daarperzieutEe, erscheint monatlicı. - Postbezugspreis Vierteljährlich 80.— Frs. einschl. Postzustellgebühr
Einzelpreis im Zeitschriftenhande: 15.— Frs.
Nummer 4 |
“ * } SAARBRÜCKEN, IM APRIL 1952:
Jahrgang 4
Sozialer Friede in Freiheit
Der derzeitige Stand der Dinge — Das Ringen um einen gerechten Leistungslohn — Wer ist in diesem Konflikt zuständig?
Die Politik der Vorhaltwiderstände — Jetzt hat die Gegenseite das Wort
Es ist ein langwieriges und zähes
Ringen, der letzte Lohnkampf im Saar-
bergbau, Von beiden Seiten wurde und
wird er unter Einsatz aller Kräfte und
mit dem zu äußerster Entschlossenheit
bereiten Willen geführt, die nun ein-
nal unumgänglich gewordene Entschei-
dung zu den eigenen Gunsten herbei-
zuführen. Ginge es lediglich um das
Aktuelle Lohnproblem allein, so wäre
wohl! längstens alles entschieden. Zum
wenigsten wäre ein brauchbarer und
Jeide Teile annähernd befriedigender
<ompromiß zustandegekommen, der
'ür längere Zeit „Waffenruhe im Saar-
jergbau‘‘ bedeutet hätte. Aber an der
iktuellen Lohnfrage, die sich uns be-
’eiis zu Beginn des vergangenen Herb-
;tes stellte und von uns und dem I. V.
Bergbau zu Novemberbeginn 1951 ın
genau umschriebene Lohnforderungen
zekleidet wurde, entzündete sich eine
‚ängst fällige andere Frage, die der
:arifrechtlichen Zuständigkeit im Saar-
Jergbau
Unsere damaligen und auch heute
ıoch diskutierten Lohnforderungen
zründeten sich auf nachgewiesene Lei-
;tungssteigerungen im _Saarbergbau
ind auf die im Laufe des Herbstes
ind Winters eingetretene und von nmie-
nand bestrittene erhebliche Teuerung
m Sektor der Lebenshaltungskosten.
Der Zeitpunkt, an dem wir zusammen
mit dem 1. V. Bergbau diese Lohn-«
orderungen stellten, ließ noch nicht
?rkennen, daß auf den Weltmärkten
°ne neue Abwärtsbewegung in stärk-
;stem Maße einsetzen würde, wiewohl
sich deuilich gewisse Entwicklungen
dereits abzeichneten, Diese blieben je.
doch für lange Zeit noch gegenüber
jen französischen Marktverhältnissen,
an die auch wir auf Grund des wirt-
schaftlichen Anschlusses des Saarlan-
jes an Frankreich zwangsläufig gebun-
jen eind, ohne Belang. Denn die
„französische Krise“, wie bereits in
ünserer „Gewerkschaftlichen Rund-
schau‘ jüngst nachgewiesen, war mehr
eine Siaatiskrise, eine politische Ver-
rauenskrise mit all ihren bösartigen
ind gefährlichen Folgeerscheinungen.
Der entscheidende und gefährliche
Kern dieser politischen Vertrauens-
<Tise ist die Währungskrise, die Wäh-
wWnesverschlechlerunz die unaufhalt-
am, wenn auch allmählich fortschritt
:nd von keiner der vielen Regierungen
‘or dem seit kurzem im Amt befind-
ichen Ministerpräsidenten Pinay,
rnsthaft behoben werden konnte. Es
ab gewiß kluge und Zzielstrebige
{öpfe in Frankreich, die sowohl das
‚olitische Handwerk wie auch die
virtschafts- und finanzpolitische Me.
hodik au: dem FF beherrschten, abeı
ie waren nicht in der Lage, das Steuer
‘:erumzuwerfen, in den Herzen der
ranzosen den zündenden Funken zu
s‚ecken und auszulösen, der allein
lie schleichende Krise hätte
‚aannen können, Das war umso be-
jauerlicher, als Frankreich genügend
virtschaftliche Reserven besaß, die
roßzügig bereitgestellt, längst einen
Vandel der Dinge eingeleitet hätten.
>leven scheiterte, es scheiterte der mit
:o viel Vorschußlorbeeren bedachte
ind fähige Faure. Man schien am
önde zu sein. Aus dieser schwierigen
)ituation am Vorjahrsende datierten
nsere Lohnforderungen, die auch
‚gute noch Gegenstand von heftigen
\useinandersetzungen sind
Keine unnnötige Dramatisierung
Niemand kann und darf uns Unlogik
nd mangelndes Veraniwortungszefühl
'orwerfen. Wir haben zu keinem Zeit.
‚unkt die entstandene Situation unnö-
;gerweise zu dramatisieren versucht.
jnsere Absicht war es niemals gewe-
en, diesen Konflikt über den ihm
igenen naturgemäßen Rahmen hinaus
uszuweiten und ihn auf einem ihm
remden Kampffeld auszutragen. Wir
ind Gewerkschaften. Wir denken und
ıarıdeln als solche und parteipolitische
)raktiken im gewerkschaftlichen Kampf
'nzuwenden, liegt uns ebenso wenig,
/ie wir es zulassen können, eine rein
jewerkschaftliche Frage den Politikern
u überlassen. Wofür wir zuständig
.nd wozu wir fähig sind, damit so!l
nd darf sich die Politik nichi be-
assen, jedenfalls solange nicht, als
‚ir die Möglichkeit besitzen, selbst zu
iner Lösung mit unseren betrieblichen
’erhandlungspartnern zu kommen. Im
‘alle der Unmöglichkeit werden wir
9liksche Stellen von uns aus mit der
Rolle des Vermitilers oder des Schieds-
ichters beauftragen,
Pieses sozialpolitische Grundgesetz
3ilt auch hier. Für uns war der grund-
Äätzliche Streit um die Anwendbarkeil
jes saarländischen Tarifvertragsge-
etzes durch den Spruch des von uns
Saarbergleuten angerufenen, Sstaaltli-
'hen, saarländischen Schlichters längs!
ınd endgültig entschieden. Dann abeı
nischte sich die offizielle Politik un-
‚ıefugterweise in diese bereits beendete
\useinandersetzung ein und warf ei:
Öllig neues aber unzutreffendes Mo
nent in die Debatte, das zu keine;
‚Öösung und damit zu keinem guter
inde führen konnte. Es bedeutete nich‘
nehr und nicht weniger als eine un
‚ötige Erschwerung und Verlängerung
les Sireites, der nunmehr gegen unse-
en Willen ein völlig verändertes Ge-
icht und eine völlig andere Bedeutung
‚ekommen hat, nämlich eine politische
Jnd niemand soll uns leichtfertiger-
veise der Schuld an der zu erwar-
enden Entwicklung bezichtigen. Die
dinge werden nun zwangsläufig einen
.nderen Lauf nehmen als den ihner
‚on Natur aus gemäßen.
Aber wir werden auch jetzt mit So-
jel Entschiedenheit im Grundsätzli
hen wie Mäßigung im Nebensächli:
hen, d. h. in jenen abseits des Ge-
verkschaftlichen liegenden Fragen
‚erfahren. Diese haben sich nämlicrk
‚egen unseren Willen in die Diskussior
ılneingedrängi‘ und wir wollen Sic
laraus im Interesse der Begrenzung
ınd Beilegung des Konflikts heraus-
‘alten soweit es noch in unserer Mach!
teht. Dieses aus Gewissen und Ssozia:
am Empfinden kommende Verantwor:-
ungsgefühl enthebt uns aber keines-
vegs der besonderen gewerkschaflili-
nen Verpflichtung, dem einwandfreien
arifvertraglichen Recht des Saarberg-
nannes zur Allgemeingeltung zu ver
selfen.
das Tarifvertragsrecht ist unabdingba!l
Das Tarifvertragsrecht im Saarberg-
;jau ist für uns unabdingbar, weil es
ine soziale Existenzfrage für der
jaarbergbau ist, weil es keine Beein-
rächtigung oder Beschränkung zugun-
ten irgendwelcher Pariei zuläßt. Es
‚ann nicht isoliert von der übriger
‚saarländischen Wirtschaft betrachtet
ınd behandelt werden, Entweder gilt
:'s grundsätzlich für alle saarländischen
J/ertragsparteien oder es sinkt zu einer
lann und wann einmal nützlichen und
:weckmäßigen Verfahrensweise herab,
lie dann aber auch gar nichts mehr
mit einem wirklich vertreitbaren und
z/erfechtbaren Recht zu iun hat. Das
Zecht ist seiner Natur nach unteilbar,
vie wir bereits früher einmal ausge-
‚ührt haben,
Es duldet von sich aus keine Ab-
itriche, keine Modifizierungen (Abän-
ljerungen). Wer das versucht, der ent-
‚ieht sich leicht selbst den Rechtsbo-
len in den Dingen, die ihm von Natur
ınd Gesetz her als sein umschriebenes
ınd alleiniges Ressort zugewiesen sind,
Dieser Versuch ist ein sehr schwer-
viegender, und wir sprechen diese
*eststellung mit vollem Bedacht aus.
Das ist keine ungerechtfertigte Kritik,
/ielmehr ein notwendig gebotener Hin-
weis, der nur eine gelährlich gewor-
lene, soziale Situalion entschärfen und
torthin zurückführen soll, wo sie allein
»ereinigt werden kann und konnte,
aämlich zwischen den streitenden Par-
eien bzw. vor den staatlichen saarlän-
Ylischen Schlichter, Ihm ist allein die
\ufgabe und die Autorität zugefallen,
uer verbindlich zu sprechen, Ist man
;ich höheren Orts darüber klar, daß
ine solche Verfahrensweise wie die
)Xisher gezeigte, keine Lösung des
Konflikts bringen kann?. Sie kann
J1öchstens zu einem „bedenklichen Frie-
jen‘ führen, der auf Kosten der einen
xler anderen Partei geht. Aber nie-
nals wird hieraus eine echte soziale
Zefriedigung und Befriedung erwach-
jen, wie wir sie ersehnen und mit
ınserem Verhandlungspartner auf
ange Sicht erarbeiten und herbeifüh-
‚en wollen.
Bedenklich stimmt für den Saarberg-
nann weiterhin, daß sich die saarlän-
lische Regierung ohne Einschränkung
den Standpunkt der französischen
Saargrubenverwaltung, d. h. also den
Standpunkt des französischen Indu-
;trieministers als Vertreter der fran-
‚ösischen Regierung zu eigen gemach!
ı1at. Wir haben in unseren früheren
Äußerungen nicht die Bedenken unse-
{Fortsetzung Seite 8i
| Wir kämpfen am 1. Mai
für Tarifvertragsfreiheit, Mitbestimmung
| und einen gerechten Leistungs- und Ergebnislohn