Full text: Der Saarbergknappe (2 [1950])

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DA ZEITSCHRIFISDE RAGE WERKSCHAFISCHRISTLICH ERESAARBERGLE UT 
\ummer 10 SAARBRÜCKEN, IM OKTOBBER 1950 Jahrgang ? 
Siegt die Vernunft? 
Die Kommıissionsverhandiungen abgeschlossen - Kommissionsbericht der saarländischen 
Regierung und dem französischen Grubenminister vorgelegt 
Der 2. Oktober 
Als am 1. Oktober 1950 die Streik- 
yarole der beiden Bergarbeiterver- 
jände das Land durcheilte und ar 
olgenden Tag auf allen Zechen des 
jaarlandes die Förderräder Sstill- 
;tanden, da war auch dem letzten 
rom Tagesgeschehen völlig Abseits- 
;tehenden klar geworden, daß sich 
m Saarland etwas Besonderes er- 
gnet hatte. Nach einer Zeitspanne 
‚on mehr als zwei Jahrzehnten hat- 
en sich die Bergarbeiter an deı 
jaar entschlossen, in ihrer Ausein- 
ındersetzung und in ihrem Kampf 
ım die Sicherung der Existenz es 
ıcht mehr bei Rede und Gegenrede 
mu belasgen, sondern zu einem weit 
;itärkeren Mittel, der Arbeits- 
naiederlegung zu greifen. 
Wir brauchen die Vorgeschichte 
lieses Ereignisses nicht mehr zu 
wiederholen. Es genügt festzuhalten, 
jaß die in den August- und Sep- 
emberwochen allseits aufgetretenen 
enormen Preissteigerungen das bis- 
lang schon 50 ungünstige Verhältnis 
zwischen Löhnen und Preisen in 
einer für die Arbeitnehmerschaft 
ıntragbaren Weise belastet hatten 
Die wiederholten Warnungen und 
Forderungen der Gewerkschaften 
hatten bis zum 2. Oktober kein an- 
deres Ergebnis gehabt als die Ver- 
sicherung des guten Willens seitens 
jer saarländischen Regierung, sowie 
die Inaussichtstellung einer Verhand- 
lung bei dem französischen Gruben- 
minäister, letztere allerdings mit deı 
Einschränkung, daß von dem Herrn 
Minister eine Zustimmung zu der 
von den Gewerkschaften geforderten 
Lohnerhöhung von vornherein nicht 
mu erwarten sei. Die französische 
And die saarländische Regierung 
bekundeten darüber hinaus ihre Ab- 
sicht, eine Preisrückbildung 
durchzusetzen und strenge Maß- 
nahmen gegen Preistreiber wurden 
angedroht. Es fehlte auch nicht an 
Erklärungen, wie es zu der Preis- 
steigerungswelle überhaupt gekom- 
men sei. und hier war es interssant 
daß man regierungsseits zugeben 
mußte, praktisch die angekündigte 
Preisrückbildung garnicht verwirk- 
\chen zu können, weil die Preise 
lür bestimmte Güter international 
bestimmt würden. Es kann wohl 
4iemand im Ernst annehmen, daß 
man die Verringerung des Brot- 
preises um 3 Franken unter gleich: 
witiger Verschlechterung der Qua- 
ätät, (wobei dieser Brotpreis immer 
Aoch 2 Franken über dem am 1. Mai 
Sezahlten Preis liegt) und dem „Ab- 
ichlag“ des Preises für Margarine 
m 10 Franken (bei einem immer 
Noch verbleibenden Mehrpreis von 
‘1 Franken gegenüber dem Stand 
vom 1. Mai 1950), als die große 
Preissenkungsaktion 
anspricht. Keinesfalls! Ebensowenig 
kann die Höchstpreisfestsetzung fül 
destimmte Wurstsorten ein solche: 
Prädikat für sich in Ansoruch neh- 
men, da man den minderen Preis 
mit einer noch minderen Qualitäf 
bei den in Frage kommenden Wurst- 
waren „teuer“ erkaufte. 
Es war also nicht Mutwille und 
zeine Frivolität, vielleicht etwa nach 
lem Moito: „Alle Räder stehen still 
wenn dein starker Arm & Wwill‘ 
venn die Bergarbeifer an der Saal 
zu dem massiven Mittel der Arbeits- 
ıiederlegung griffen. Es zeugt viel 
nehr von hoher Einsicht und großem 
Verantwortungsbewußtsein, wenn sie 
liese Arbeitsniederlegung von vorn- 
yerein auf 24 Stunden begrenzter 
ınd ihr ausdrücklich den Charakter 
ner Warnaktion beilegten 
bereitschaft. Diese Aktion hatte 
rielmehr eine wesentlich andere Be: 
jeutunz. Ihr Warn- resp. Protest 
»harakter richtete sich an alle Stel: 
jen und nicht zuletzt an die Unter- 
achmer- und Handelskreise, um 
Jiese zu veranlassen, den Boger 
nicht zu überspannen, und um de- 
nonstrativ zu bezeugen, daß es bei 
papierenen Protesten künf: 
ig nicht mehr bleiben würde. End. 
ich war der Streik auch aus rein 
»syechologischen Gründen netwendig 
seworden, sofern man nich! 
riskieren wellte, die Ar 
beitachmerschaft den zum 
Feil absolut verantwor: 
jungsiesen Machenschaf: 
len bestimmter Kreise und 
Richtungen auszuliefern 
Vichts wäre verkehrier gewesen, als 
vena die Gewerkschaftsieitung eine: 
»olch gefahrdrehenden Entwicklung 
'atenles zureschen hätte upd nicht‘ 
Man empfängt uns n:cht 
Nichts war falscher, als die Deu- 
‚ung dieser Warnaktion im Sinne 
iner Brüskieruang des franzö- 
jischen Grubenministers und einei 
Ablehnung seiner Verhandlungs- 
/ Dank den Kameraden 
T abe Kımeraden! 
Der proegrammgemäße Ver lauf des Warnstreiks am 2. Oktober 
yerpflichtet die Gewerkschaftsleitung, allen Kameraden vom 
Saarbergbau für ihre entschloessenc und diszipli- 
sierte Haltıng Dank zu sagen. Die Bergarbeiterschaft 
ın der Saar zeichnete bei ihrer Aktien, alien anderen Berufsgrup- 
»en zum Verbild, die Tugend der Kameradschaft aus 
Über zwei Jahrzehnte sind es her, seitdem leiztmals Saar- 
berglenute in einer Protestaktion die Arbeit niederlegten. Das letzte 
rineinhalb Jahrzehnt hat uns solcher gewerksechaftlicher Kampft- 
mittel entwöhnt. Mit Stolz denken die Alten unter uns an ihre 
Streikaktionen nach dem Ersten Weltkrieg, die Kampftage im 
wahrsien Sinne des Wortes waren und trotz vieler Opfer doch 
lem wirtschaftlichen und sozialen Auftrieb ihres Standes dienten 
Die Jungen untier uns standen erstmals einer solchen Situation 
gegenüber, und es verdient vollste Anerkennung, mit welcher Dis- 
ziplin sie sich ia die Reihen der Streikenden einfügten. 
Wir haben diesen Streik nicht mutwillig ausgelöst und sind 
yon einer: Frivolität etwa nach dem Motto: „Alle Räder stehen 
still, wenn dein starker Arm es will“, weit entfernt. Der Zeitpunkt 
war jedoch gekommen, we es galt zu zeigen, daß man bereit war, 
als Folge eines veriorenen Krieges gar vieles und manches, aber 
loch nicht alles hinzunehmen. Das Eche, das dieser Streik aus- 
gelöst hat, beweist, daß man unsallseitsdech gut ver- 
standen hat. Gerade die letzten Ereignisse bestätigen, daß uns 
nur geholfen wird wenn wir uns selbst heifen. Es zeigt sich dar- 
über hinaus, daß die se optimistische Annahme, im Wege von Ver- 
handlungen seien alle Probleme zu lösen, sich nicht als zutreffend 
erwies. So gilt es für uns auch in der Zukunft für alle Fälle ge- 
rüstet zu sein. Voraussetzung hierfür ist in erster Linie eine 
drganisierte Front der Arbeitnehmer. Keiner darf 
ıbseits stehen und der Letzte muß im die Reihen der Gewerkschaft 
geführt werden. . 
Sa rufen wir Euch, Kameraden, alle zu einer 
Werbeaktieon 
für die kommenden Wochen auf. Geht von Haus zu Haus, haltet 
Umschau in den Betirieben und laßt die Werbearbeit nicht nur 
eine Aufgabe der einzelnen Funktionäre sein. Jeder von Euch sei 
ein Werber! Jeder von Euch werbeden zweiten und 
dritten Mann! Dem geeinten Unternehmertum müssen wir 
entgegenstellen die geschlossene Front der organisierten Arbeit- 
nehmerschalft ‘an der Saar 
Wichtige Konferenz 
der christlichen 
Bergarbeiterinternatioenale. 
Am 13. und 14. Okteber 1950 
tagten in Heerlen (Holland) 
die Vertreter der christlichen 
Bergarbeiterinternatienale 
unter dem Vorsitz Jacques van 
Boggenhout. Als Vertreter der 
Gewerkschaft Christl. Saar- 
bergieute nahmen unser erster 
Versitzender. Hans Ruffing 
und Hauptgeschäaftsfahrer B. 
Weiter an der Tagung teil. 
Gerzenstand der Besprechungen 
waren die durch den Schuman- 
plan aufgeweorfenen Probleme, 
wie sie sich ver allem für den 
westeuropäischen Berzbau im 
Stadium der gegenwärtigen 
Verhandlungen stellen. 
Wir werden demnächst 
ausführlich über die Tagung 
berichten. 
war berechtigter, als im gezebenen 
Moment das Sicherheitsventil zu 
Minen, Dieser tieferem Einsicht er- 
mangelie es sicher, als der Hohe 
Kommissar wissen ließ, daß der 
‘ranzösische Grubenminister Louvel 
lie Gewerkschaften zu dem für 
Dienstag, den 3. Oktober, anberaum- 
len Besprechungen im Hinblick auf 
lie Streikaktion des Z. Oktober michi 
raafangen wurde. 
schaltet sich ein 
Weit besser im Bilde und von 
besserem psychologischem Einfüh- 
lungsvermögen erwies sich die saar- 
ländische Regierung, als sie sich in 
diesem Augenblick in die Verhand- 
lungen einschaltete und von sich 
aus mit dem französischen Gruben- 
minister die Besprechungen auf- 
nahm. In den den Regierungsver- 
handlungen vorangegangenen Be- 
sprechungen hatten die Gewerk- 
schaftsvertreter darauf hingewiesen, 
daß sie in doppelter Hinsicht be- 
nachteiligt seien und zwar dadurch, 
daß neben der Bedrängung durch 
die Preissteigerung, der Ssaarlän- 
dische Bergmann im Durchschnitt 
wesentlich schlechter entlioahnt würde 
als der Bergmann im benachbarten 
lothringischen Bergbau. Und diese 
Feststellung resp. Tatsache war €s 
weiche der eaarländischen Regie- 
rung Ansatzpunkte zu einem posi- 
tiven Verhandlungsergebnis boten, 
nachdem der französische Gruben- 
minister nach Rücksprache mit Mi- 
risterpräsident Pleven nochmals die 
unverrückbare Absicht der franzö- 
sischen Regierung verkündet hatte, 
ihre Bemühungen im Sinne einer 
Preissenkungsaktion fortzusetzen und 
deren Ergebnis nicht durch eine 
Lohnerhöhung im Bergbau und 
eine dadurch notwendig werdende 
Kohlenpreiserhähung sefährden zu 
lassen, 
Die saarländische Regierung ver- 
äffentlichte unterm 4. Oktober eine 
Mitteilung über das Ergebnis ihrer 
Besprechungen mit dem fran7ösi- 
schen. Grubenminister, worin festge- 
halten wurde: 
a) Minister Louvel gibt seine Yu 
{(Fartsetzung Seite 21
	        
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