Nummer 46
Saarkrücken, den 12. November 1932
13. Jahrgang
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Oraan des Gewoerkyoroins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet
Jar wirtschaftliche u. geistige Hebuns Va ehi
des Bergarbeiterstandes Amt Saarbrücken. Sammel-RNr. 29241.
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Botenlohn. für die Postabonnenten 15.— Fr. vierkeliährl
* J
Nicht unterkriegen lassen!
In den letzten Wochen und Monaten hörten oder
lasen wir sehr oft das Wort Reaktion oder konnte
man Aeußerungen über reaktionäre Bestre—
bungen und Ziele hören. Unter Reaktion ist
eine Gegen⸗ oder Rückwirkung oder eine rückschritt⸗
liche Bewegung zu verstehen, die veraltete Zustände
wieder herstellen oder eine gedeihliche Entwicklung
des staatlichen oder sozialen Lebens verhindern will.
Einer Gegen⸗ oder Rückwirkung oder einer rückschritt⸗
lichen Bewegung muß entweder eine Bewegung mit
anderen Aufgaben und Zielen parallel laufen oder
vdorausgegangen sein. Der reaktionären Bewegung
anserer Tage ist der Sturz der alten Ordnung nach
Beendigung des Krieges und die Bewegung zum
Auf⸗ und Ausbau eines wirklich sozialen und demo⸗
kratischen Volksstaates vorausgegangen, in dem auch
der Arbeiter als voller Bürger Anerkennung und
Wertung finden kann. Die Geschichte lehrt uns, daß
eder Umwälzung entweder sofort oder nach einiger
Zeit die Reakttion folgte. Wenn wir die augenblick⸗
ichen Geschehnisse in Spanien verfolgen, um ein Bei⸗
piel zu nennen, so finden wir, wie die Anhänger des
nonarchischen Staatsgedankens Versuche unter⸗
tehmen, die neue republikanische Staatsordnung
iberwinden zu können. Ist durch eine Umwälzung
etwas grundsätzlich Neues geworden oder zum Wer⸗
den gebracht worden, dann versucht die rüchkschrittliche
Reaktion, dieses Reue wieder zu beseitigen oder in
seinem Werden zu hindern, um das Alte wieder zur
Wirklichkeit zu machen. Die Träger dieser reaktio⸗
nären oder rückschrittlichen Bewegung rekrutieren sich
rus den Kreisen, die Nutznießer des alten Zustandes
waren, sei es, daß sie die Staatsmacht in Händen
hatten, die erste Geige in der Politik spielten oder
unumschränkt wirtschaftlich herrschen konnten. Sie
wollen durch die rückschrittliche Bewegung wieder in
hen Besitz ihrer früheren Position und Herrschafts—
nacht gelangen.
Diese Bestrebungen werden in dem Maße von Er—
'olg begleitet sein, als ihr politische und wirtschaft⸗
iiche Verhältnisse zustatten kommen oder es um den
Kräftezustand der entgegenstehenden Bewegung be—
tellt ist. Es kann sich aber auch mal um eine gesunde
Realtion handeln, die Auswüchse oder Uebertreibun⸗
zen oder Ueberbelastungen, die durch eine andere
Bewegung zum Nachteil fürs Ganze verschuldet wur⸗
den, beseitigen und die Verhältnisse zum Besten des
Fanzen richtig gestalten will, eine Bewegung, wie
äe von Dr. Brüning in Gang gesetzt und zum Teil
durchgeführt werden konnte. Was wir aber heute
vor uns sehen, ist wirklich rückschrittliche Bewegung
im üblen Sinne des Wortes, weil man das Voltk
zöllig ausschalten und, gestützt auf die frühere
Serrenschicht, die Macht allein ausüben will, um
alles nach früherem Rezept bestimmen und beherrichen
zu können.
Wie schon hervorgehoben, werden die Erfolge einer;
rückschrittlichen Bewegung beeinflußt durch die Lage⸗
rung der Verhältnisse im politischen und wirtschaft⸗
sichen Leben des betreffenden Volkes. Ein altes
Sprichwort sagt: „Im Frieden und im Krieg, behält
kinigkeit den Sieg.“ Wenn wir uns die politischen
VKerhältnisse unseres deutschen Volkes beschauen, so
sönnen wir nur schlimmste Uneinigkeit seststellen.
diese Uneinigkeit, die das Zusammenwirken einer
aus reichenden Mehrheit für die Erhaltung eines
demokratischen und sozialen Volksstaates unmöglich
nacht, kommt einer rückschrittlichen Bewegung, die
zie Aufrichtung alter Herrschafts⸗ und Machtver⸗
zältnisse zum Ziele hat, zumal, wenn sie sich noch auf
die vorhandenen Bajonette stützen kann, natürlich
ehr zustatten. Aus diesem Grunde haben wir ja
unsere Mitglieder noch immer aufgerufen, eine JZer⸗
plitterung im politischen Leben möglichst zu ver⸗
meiden und das politische Leben nicht nur von der
materiellen Seite her zu werten. Uns muß einleuch—
jen, daß, je schlimmer es um die politische Einigkeit
eines Volkes, das sich zum größten Teil aus Er—
werbstätigen zusammensetzt, die ein Lebensinteresse
an einem wirklich demokraätischen und sozialen Volks⸗
taat haben müßten, bestellt ist, die Aussichten der
Reassion um so günstiger sind, zu ihrem Ziele zu
gelangen.
Neben der politischen Uneinigkeit und Zerrissen⸗
jeit kommt der Reaktion, mit der wir es gegenwärtig
zu tun haben, auch die schlechte wirtschaftliche Lage
unseres Volkes zustatten. Millionen sind schon seit
Jahren ohne Arbeit und wurden geistig und körper
ich geschwächt. Viele davon fielen einem negieren
den Radikalismus anheim und streben nun einem
Ziele zu, das, falls man es zu verwirklichen suchte,
deutschlands Untergang bedeutete. Andere sind völlig
abgestumpft, sind einer lähmenden Gleichgültigkeit
zerfallen und bekunden keinen Eigenwillen mehr
Eine schlimme Interessenlosigkeit oder anders aus⸗
gedrückt: ein böser Indifferentismus hat weite
SZchichten erfaßt, der sie verleitet, alles einfach trei—
ben zu lassen. Es ist wiederum natürlich, daß einer
tatkräftigen und selbstbewußten kleinen Schicht, die
Trägerin der gegenwärtigen reaktionären Bestrebun
gen ist, ein solcher Zustand zustatten kommen muß
Wir haben in unserm Artikel „Durch eigene Schulde
unsere Mitglieder zu belehren versucht, was die Ar⸗
beiterschaft selbst verschuldete und wie und wodurch
sie der Realtion in die Hände arbeitete. Und in dem
weiteren Artikel, „Durch eigene Kraft“, haben wir
aufzuzeigen versucht, wie sie wirken und kämpfen
muß, damit die Reaktion ihr Ziel nicht erreicht. Wei
die schlechte wirtschaftliche Lage sehr leicht dazu führt
daß weiteste Schichten der Arbeitnehmerschaft im
Indifferentismus versinken, müssen wir ständig auf—
rütteln und alle beschwören, nur ja nicht den Glauben
in die eigene Kraft und in die Verwirklichung eines
wahrhaft demokratischen und sozialen Volksstaates
zu verlieren. Schon 1924 (am 23. Februar) schrieben
wir im „Saarbergknappen“, als damals schon real—
tionäre Vorstöße zu verzeichnen waren:
„Sollen wir nun verzweifeln und die Gewerk—
scchaftsbewegung für überflüssig erklären, weil die
Reaktion, gestützt auf die genannten Bundesgenossen,
dieses oder jenes der Arbeitnehmerschaft abgejagt
hat?! Bei Gott, wenn wir so töricht wären, dann
würe unsere Knechtschaft für immer besiegelt.
Jetzt muß sich zeigen, ob in der Arbeiterschaft der
Wille zum Hochkommen, zum Erringen des zustän⸗
digen Plätzchens an der Sonne lebendig und zum
Opferbingen fähig ist. Die reaktionäre Bewegung
mußz uns um so fester in unserer Organisation zu—⸗
sjammenschweißen, damit wir retten können, was sich
retten läßt, damit der Uebermut der Reaktion an
unserm Willen scheitert, der darauf eingestellt sein
muß, uns nicht beiseite schieben zu lassen. Wir dür—
fen uns nicht unterkriegen lassen, und man kriegt
uns nicht unter, wenn wir wie ein Mann in unserer
christ lich⸗ nationalen Bewegung zusammenstehen und
mit aller Kraft darauf bedacht sind, diese weiter zu
jstärken an Mitgliederzahl und Finanzkraft.“
Notwendigkeiten
Die wirtschaftliche Notlage unserer Zeit hat esgelesen und beachtet werden. Und vor allem darf er
»erschuldet, daß manche unserer Mitglieder sich keine nicht zu der Rolle von „Halbschichtenbrotpapier“ ver—
der nur eine kleinere Tageszeitung halten können. urteilt werden. Er muß Hausgenosse bleiben
Das ist seht zu bedauern. Nun kann ich mich aus soder er muß zur Wer bung benutzt werden, was
neiner Jugendzeit entsinnen, daß sich damals auch heißt, daß man ihn sich entweder aufbewahrt, oder
nicht jede Arbeiterfamilie, infolge des nicht aus-aber, wenn man ihn selöst eingehend gelesen hat, ihn
reichenden Einkommens, eine Tageszeitung halten weitergibt zur Auͤfklärung von noch fernstehenden
onnte. Man wuzßte sich aber zu helfen. Mein Vater Kameraden oder Angehörigen anderer Berufs—
und zwei seiner Brüder, die ebenfalls ihre Familien schichten.
hatten. hielten sih gemeinsam eine —8 ene mir g mehr n ist, g7
5 ageszeitung zu halten, dann muß ich unter allen
ardhere Tageszeituns. Umständen von den Orientierungsmöglichkeiten Ge—
Her Zeitungsträger wußte Bescheid, daß er das Blat rauch machen, die mir meine eigene Drganisation
reihum in den drei Familien abzugeben hatte. Ich zu dieten hat. Zu diefen Orientierungsmonichteiten
n i nicht aen daß es Feil dehan Streit ählen vor allem unsere
egeben hätte. Das a weiß ich, daß Sonntags
, did —* aich eee immer Konferenzen, Versammlungen und Unterrichtskurse.
timmte Fragen der Politik, insbesondere der Sozial- Insere Versammlungen müssen gerade in der jetzigen
politikt, oder der Kultur — der Kulturkampf, war Zeit, wo so viele Mären schwirren, wo so viel Falsches
damals noch nicht ganz erstorben — ihren Unter und Verkehrtes in Umlauf ist, aber auch vom
jaltungsstoff bildeten. Sie konnten sich über diest letzten Mitglied besucht werden. Und wo es nur
jtagen unterhalten, weil ihre Solidaritaͤt es ermös möglich ist, daß die Frauen auch an den Versamm⸗
icht hatte, daß sie sich trotz ihrer Armut doch eine ungen teilnehmen können, müssen sie zu den Ver—⸗
Tageszeitung gemeinsam halten konnten, die sie sammlungen mitgebracht werden. Wir dürfen uns
interrichtete, Das weiß ich auch, daß Nachbarn sich nicht in eine Isolierung hineinbegeben, wir dürfen
zusammengetan hatten, um sich gemeinsam eine nicht unorientiert bleiben über das, was sich ab⸗
Zeitung halten zu können. Und da, meine ich, daf pielt und worum es geht. Darum tichten wir den
»as, was damals möglich war, auch heute noch mög dringenden Appell an alle Mitglieder und ihre
ich sein müßte, zumal unter Miigliedern einer drauen, doch ja alle Versammlungen, die von unseter
Aganijsation. Unsere Mitglieder haben doch alle das Organisation in ihrem oder dem Nachbarorte ab—
zZedürfnis, über das Geschehen in ihrem Volke und jehalten werden, auch zu besuchen.
raußen in der Welt sich unterrichten zu können Ein besonderes Wort an unsere Jugend: Demnächsi
stun denn, wenn einer allein sich eine größere Tages- werden wiedet
eitung nicht mehr leisten kann, soll es da nicht mög die Unterrichtskurse
ich sein, noch einen, oder wenn es sein muß auͤch noch peginnen. Sie vermitteln Gutes und Brauchbares.
wei Kameraden zu finden, die sich in gleicher Lage Sie haben destimmt nicht zur Aufgabe, aus jungen
efinden, um sich gemeinsam eine aute und aroßere Bergknappen Anwärter für Beamtenposten zu er—
rageszeitung halten zu können? ziehen, sondern brauchbare Menschen, die sich in
Ein werteres: ren Boatuss and 3 “;
F wissen und etwas zu leisten imstande sind. rauf
Unser „Saarbergknappe“, kommt es an. Den anderen Volksschichten müssen wir
»er sa nicht über die politischen und lokalen Gescheh- den Beweis erbringen, daß man gerade nicht eine
nisse und andere Dinge berichten kann, muß ein- höhere Schulbildung genossen zu haben braucht, um
zehender gelesen, studiert und beachtet werden. Er ein tüchtiger Mensch zu sein, um Wertvolles in seinem
»emüht sich, soweit sein Raum dazu die Möglichkeit Berufe und Volke leisten zu können. Je mehr unsere
äßt, über die Geschehnisse im Berufe und im eigenen Jugend an ihrer Ertüchtigung arbeitet, um so mehr
sßewerbe, aber auch über die in der Gesamtwirtschaft trägt sie in sich die Voraussetzungen, ihren Stand
u berichten. Darüber hinaus ist er bestrebt, den zur vollen Achtung und Geltung zu bringen. Des—
Mitgliedern feste Zielpunkte zu geben, damit sie den halb muß unsere Jugend bestrebt sein, unsere Unter⸗
echten Weg auch in dieser verwirrenden Zeit bei— richtskurse nicht nur zu besuchen, sondern auch in der
»ehalten. Er darf darum nicht unbeachtet und un- rechten Weise zu benutzen. Wir haben neulich dar⸗
gjelesen bleiben. Et muß auch von den Familien auf verwiesen, daß die Gewerkschaftsbewegung zr
iliedern. wenn auch sein Stoff „trocken“ anmuten viel Kraft verzettein mußte und noch muß. um Ar