Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

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qhatz ijt eine Organisatian ihres Rückgrates berau- 
die Unternehmer geben bei Jeder Gelegenheit zu er⸗ 
Innen, daß sie den größten Reipekt vor starken 
dassen haben. Darum in es die größzte Torheit, die 
Pirtglieder begehen Lönnen, wenn sie nicht den für 
sie zunandigen Pflichtbeitrag dezahlen. Sie schwachen 
hamet das Ansehen der Organisation und minderr 
Ne Schlagktaft. 
der r —” αα 
Ein glänzender Erfolg 
es Unabhöngieen Gewerkschestshundes 
In der Nummer 1 konnten wir schon derichten, daß 
»er Unabhangige Gewertschaftsbund (Christliche Ge⸗ 
A von Elsaß-Lothringen bdet den Wahlen 
der Beifiker an den Oberversicherungsamtern einen 
chönen Erfolg erzielt haben Damals konnten wir 
iber das Gesamtergebnis noch nicht mitteilen, das 
runmehr vorliegt. Auch dieses zeigt den wirklich glän— 
enden Erfolg unserer Bruderorganisation im Nocp“ 
arlande. 
Die Wahlen der Beisitzer an den Oberversicherungs— 
imtern in den einzelnen Departements brachten 
olgendes Ergebnis (UBG. — Unabhängiger Gewerk— 
haftsbund — Christliche Gewerkschaäft, CGT — ist 
ozialistische Gewertschaft, CGTU — ist kommuniitische 
sbewectschaft): 
Ddepartement UGB 
Hoselle 86 805 
Unterrhein 786577 
Therrhein 40 17 
usammen 2 
MNofelle 14 Sitze 
Interrhein 1 Sitze 
Iberrhein — Sitze 
nammen 15 Sitze 
Zu diesen Zahlen ist zu bemerken, daß die Wähler 
e Beisfitzer der verschiedenen Versicherungsämter 
varen, die von den Vorstandsmitgliedern der Orts— 
ind Betriebskronkenkassen gewöhlt sind. Auf die Bei— 
tzer entfielen so viel Stimmen, die sie abgaben, als 
er Anzahl der Versicherten des ieweiligen Kreiles 
ntspricht. 
Aus dem Wahlergebnis geht hervor, daß in den 
rei Departements der Unabhängige Gewerkschafts 
zund die absolute Mehrheit erreicht hat. Dieser Er— 
'olg ist umso höher zu bewerten, als er die Sozialisten 
ind Kommunisten in geschlossener Front gegen sich 
jatte. Die lachliche Arbeit, die der UGB seit seinem 
Zestehen leistet, hat aber den Steg üher Vhrase und 
Demagogie davongetragen. 
Wenn wir andere Berufjsotganisationen betrach. 
en, dann finden wit, daß deren WMitglieder wei: 
joͤhere Beiträge entrichten müssen. Dort gilt längit 
uicht mehr der Grundsatz, daß ein Stunden— 
Dihn den Wochenbeitrasg bildet, sondern der 
dehn von eineinhalbbis zwei Stunden. Acht, 
jehn und zwölj Franken wird dort an Wochen beitrag 
hon den Vollardeitern geleistet. Das läßt sich sehen, 
zas nötigt dem Unternehmer, ob er will oder nicht, 
— —— muüssen 
zuch wir Bergleute nachahmen. Wir dürfen nicht 
inter dem Pflichtbeitrag, der ka um einen Stun— 
denlohn darstellt, bezahlen. Das mindeste, was; 
wir leisten müssen, gern und freudig, muß der Pflicht⸗ 
deitrag sein. Wenn wir alle richtig von unserer 
Sache durchdrungen wären, dann gingen wir frei⸗ 
willig darüber hinaus, dann täten wir es anderen 
Berufen gleich. Alles, was mehr geleistet wird, fließt 
doch dem Kampischatz zu. Und je größer er wird, um 
o leichter wird die Arbeit für unsern Veruf 
Wir müssen doch bedenken, daß unser Berui der 
schwerste ist, daßz um die gute Ausgestaltung der; 
Lebensbedingungen der Bergleute am heftigiten ge— 
tungen werden muß. Keine Organisation iit derart 
aingespnannt, wie die Bergarbeitetorganisation. Sie 
nuß ständig kämpfen, muß sehr viele Gebiete be— 
reuen, die die anderen nicht haben, was doch befon⸗ 
dere Anstrengungen und Ausgaben ersotdert. Darum 
dürsen wir nicht hinter den anderen zurüchbleiben, 
wir müssen im Opferwillen es ihnen gleich tun, da⸗ 
nir unsere Organisation den Kampischatz erhält, den 
de notwendig hat zur Verfechtung der wohlverstan⸗ 
denen Interessen der Bergleute. Kameraden! Hin— 
wveq darum mit dem Nörgeln und Kritisieren! Be⸗ 
zahlt mindestens den Piflichtbeitrag! Keiner darf 
darunter leisten. Das Ziel muß für jeden sein. 
reiwillig mehr zuleisten. Dann wächst 
insere Stärkeund Schlagkraft. 
Kneanvschaßtlichtes — Sozialversicherung 
J 
Swt 9— 
Soll es so weitergehen? 
In unserm syozialpolitischen Rücblick auf das Jahr 
928 mußten wir feststellen, daß das verflossene Jahr 
in Ansehung einer fortschreitenden Entwichelung der“ 
Suzialpolitit ein sehr mageres Ergebnis aufwies. 
die interesfierten Arbeitnehmerschichten haben alle 
Ursache, mit Recht mit dieser Entwickelung unzu— 
tieden zu sein. Die Arbeitnehmer im Saargebret 
Uhlen sich absolut als deutsche Staatsbürger und er— 
heben den Anspruch, genau so in rechtlicher Begie— 
hung behandelt zu werden, wie die sozial gleich zu 
wertenden Bürger im deutschen Reichgebiet. — Aus 
dicjsem Grunde heraus vernmögen die saarländischen 
AUrbeitnehmer uch kein Verständnis aufzubringen 
jür die Hinweise der Saarregierung, daß auf dem 
ßeblete der jozialen Politik wenig getan werden 
oͤnne, weil die Saarwirtjchaft die finanziellen Lasten 
aicht zu ertragen imstande sei; diese Behauptungen 
werden lediglich als Ausreden rein kapitalistisch ein⸗ 
gestellter Kreise gewertet, was sie wohl auch sein 
nögen. Wir e dies immer noch erlebt, daß bei 
kinführung sozialer Geseßze und Reformen die 
kapitalisten und ihre Vasallen in ein Wehklagen 
initimmten über die finanzielle Untragbarkeit dieset 
Keuerungen. Eine Regierung sedoch. die so⸗iales 
Aß hat und sich in erster Linie berufen fuhlt, 
hen sozial Schwächeren zu schützen, wird sich von lei⸗ 
nem kapitalistischen Jammern dazu rühren lassen, 
om richtig erlannten Wege abzuweichen. Der beste 
Keweis hierfüür haben wir im Reiche. Die Wirtschaft 
ehnte alle sozialen Neuerungen als untragbar ab 
Eie wurden doch ein- und durchgejsührt und der 
deutichen Wirtschaft erging es nicht schlecht dabei. 
Warum soll nun die Einführung der neuen 
sozlalen Gesetze im Saargebiet nicht möglich sein? 
Finen wirklich stichaltigen Grund haben wir bis 
zeute noch nicht gehört. Wollten wir wirklich die 
nne Behauptung als Grund gelten lassen. daß das 
kaargebiet als Ganzes betrachtet viel zu klein in, 
am eine solch großzzügige Soztalpolitik wie im Reiche 
sreiben zu können, dann ist sosort die Frage zu be— 
antworten, warum man das Saatgebiet denn dann 
auch in sozialrechtlicher Hinsicht vom Reiche gelöst 
hat? Die soztaltechtliche Loslösung des Sgatgebietes 
⸗om Reich aus politischen Grüuden war mit vom 
zrößten Unrecht das man der arbeitnehmenden Be— 
pölhterung im Saargebiet zuogeiat hat. Daruder be— 
teht bei keinem deutschen Saarländer der gering'te 
Zweiftel. Und wenn man uns heute zjummet wir 
nochten unsg mit deyn nun »inungl geichnftfenen Rere 
hältnissen und Zuständen abfinden, so sogen wi: 
zein und abermals nein. Die Arbeitnehmerichaft 
ann sich nieinals mit Verhältnissen einverstanden 
rlären, die ohne ihre Zustimmung und gegen ihren 
Pillen geschafsen wurden und schon sahrelang eine 
Vernachlässigung der Arbeitnehmerinteressen 
m Gefolge haben. Das Gerechtigkeitsgetühl empör 
sch, wenn man immer und immer wieder die Beoba h⸗ 
ung machen muß, daß land- und voltsfremde Regie— 
ungshäupter in ihrem Handeln sich fast ausschließ— 
ich leiten lassen von den Interessen des franzofischen 
SZtaates als stärtstem Arbeitgeber im Saargebiet. 
diese Einstellung der Mehrheit der Mitglieder der 
Negterungskommission hat der saarländischen Arbeit— 
iehmerschaft außerordentlich viel geschadet und dem 
ranzösischen Staat sehr genützt. Diese Behauptung 
vird effektiv nie widerlegt werden können; ebenjo 
venig wie die Behauptung, daß die Saarbevölkerung 
aut Versailler Vertrag entbunden sei von den Repa— 
attonslasten des Krieges, dabei aber das stärk'te 
lusbeutungsobjekt eines Siegerstaates faktisch ist. 
Im besten beohachtet nan das dorten. wo der 
ranzösische Staat als Arbeitgeber auftritt und in 
lersicherungsangelegenheiten entscheidend mitzu— 
destimmen hat. Vlan muß leider heute offen der 
nefürchtung Ansdruck geben, daß die franzäische 
ßruhenverwaltung die Absicht zu tragen sceint 
die knappschaftliche Versicherung 
»er Bergarheiter zu beseitigen. Es ist nun schon so— 
veit gekommen, daß die Knappschaftsverwaltung dem 
korstand die —*8 vorlegen mußte, woher sie das 
Held nehmen soll zur weiteren Auszahlung der Lei— 
tungen. Nach einige Monate so weiter, dann muß 
drꝛe Knappschaft offen ihre Zahlungsunfähigkeit er 
lären. Dieser Zustand ist offenfichtlich durch die 
heneraldirekton geschaffen worden, zu welchem Ziel 
ind Iwech, kann sich seder leicht denken. Die knapp— 
chaitliche Penstonskasse hat bereits ein Defizit von 
4 Milltonen Franken zu verzeichnen. Keine Auf— 
ichtsbehörde rührt sich, diesem unhaltbaren Zustande 
ein Ende zu bereiten. In der Krankenkasse sind schon 
ahrelang die Leistungsverhältnisse ebenlo trostlos 
Pir haben als Arbeitnehmervertreter schon hunderte 
Male die Frage gestellt, wie es einem Kranken mög 
ich sein soll. mit 12.50 Fre. täglich zu leben. Ehrliche 
vahrheitsliebende Menschen geben natürlich zur Ant— 
port, daß es unmöglich set. mit einem solch geringen 
zetrage das Leben zu jristen. Diejenige Stelle se— 
och, die alleln die Verantwortung au trögen hat für 
nas geringste Leistunesmaß. die schwelgt wenn diel⸗ 
Sene 8 
—Mä——————— 
„rane aufgeworsen wird; sür sie gilt aur: Aus-⸗ 
deutung und Gewinn, Menjchenede n Gehund heit 
ind Mohlfahrt spielen pur eine ganz untergeordnete 
Holle. Wir finden es geradezu unerhört, daß eine 
Regierung, die vom Volkerbund mit der Aufgabe 
»rtraut ist, fur 
die Wohlfohrt der Saarbevölterung 
zu jorgen und darüber zu wachen, eine solche Hand⸗ 
ungsweisje ohne Einjpruch duldet. Wie wir höoren, 
bird von seiten einzelner Regierungsstellen dehaupe 
set. daß es dem Knappichafisvorstand von sich aus 
nöglich sei, auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen 
dꝛe Leistungen der Krantenkalse um mehr als 100 
Prozeut zu erhöhen. Das ist wohl richtig; ware der 
Urbeitgeber nur etwas sozial eingestellt, könnte der 
Lorstand die im Gesetz vorgesehenen Bestimmungen 
rusnützen. Bei solch reakticnäter Arbeitgebergesin⸗ 
tung, wie wir sie heute täglich erleben, ist dies jedoch 
rnicht der Fall. Der Arbeitgeber lehnle bisher jeder 
Untrag ab, der darauf abzielte, 
die Leistungen der Kranlenkasse, 
nsbesondere die Krankengeldleistungen, zu erhöhen 
Dder Regierungskommisston ist die dalluug des Ar⸗ 
bdeitgebers in dieser Frage sehr wohl bekannt. War⸗ 
um — so fragen wir uns — tut sse nichts, um den 
Arbeitgeber zu zwingen, einer ange⸗ 
mesjenen Leistungserhöhung seine Zu⸗ 
timmung zu geben? Es gibt da nur zwei 
Möglichkeiten: entweder will die Regierungskommis⸗ 
don es mit der Generaldirektion der Saargruben 
oaw. dem französischen Staat nicht verderben, oder sie 
ertritt in 53 Mehrheit selbst eine rein kapita⸗ 
istische Auffassung. Die finanzielle Frage macht der 
oe in anderen Dingen auch keine 
agenschmerzen. Es ist darum nicht anzunehmen 
aß man in teaee Dingen auf 
inanzielle Auswirkungen so hohen Wert legt. Es 
nöchten die Beweggründe für die Haltung der Regie⸗ 
ungskammission nun sein wie sie wollen, so kaun es 
nicht weiter gehen. Wir wollen glauben, daß das 
deutsche Mitglied der eVeaeder wirk⸗ 
lich Verständnis hat für die sozialrechtlichen Röten 
der Arbeiterschaft. Wenn es aber mit seinen An⸗ 
regungen hei der Mehrheit der Regierungskommisston 
'ein Verständnis findet, dann sollte es das nicht in 
aich begraben, sondern das öffentlich bekunden, damit 
zeder Einzelne im Saargebiet genau weiß, wo er 
)ran ist. Im Interesse der Wahrheit können wir das 
derlangen 
In der Tagespresse erschien in den leßzten Tagen 
ein Bericht über eine Anspräche douen den politi⸗ 
scchen Parteivertretern mit Herxrn Vinister Koßmann. 
Der Inhalt des Berichtes war nicht gerade darn an⸗ 
getan, besondere Hoffnungen bei den Versicherten 
und Erwerbslosen aufkommen zu lassen. An dieser 
Lesprechung hat euch nach dem Bericht das franzö— 
ische RNitglied der Regierungskommisston, Morsgze, 
eilnehmen sollen. (In sögen. eingeweihten Krelsen 
vird dem Minister Viorise große Schlauheit nach⸗ 
jeriüihmt.) Zur Vesprechung war Herr Morize — 
nahrschein!ich auch aus Schlauheit — nicht anen 
— wie man annimmt, weil er sich vor den polib schen 
hertretern nicht verantworten resp. ouch auf deren 
iliische nicht eingehen wollte. In dielex Auslprache 
oll auch die Frage der 
Sinführung der Erwerbslohendersicheruug 
m Saargebiet behandelt worden sein. U. W. waren 
ich noch bis vor einem halben Jahre alle zuständigen 
Treise im Saargehiet darüber einig, daß die Arbeits⸗ 
osenverficherung eingeführt werden joll; sogar die 
ranzösische Bergwerksdirettion soll zugestimmt haben. 
heute mussen wir durch die Presse erfahren, daß 
de Regiexungsdommijfion vorerst nicht mit der 
Absicht trägt, die Arbelislosenverficherung angn 
ühren. Diese Haltung soll gedecht werden d ie 
ꝛorgeschobene Begründung, daß die Beitragshelastung 
ür die Versicherten — sowodl für die Arbeitgeber 
ils auch die Arbeitnehmer — zu hoch werde. Wir 
nöchten nur gerne wissen, wer der Regierungskom⸗ 
nijsion nun eine solche Auffassung deigebracht hat 
Jedenfalls können wir ihr in dieser Irsohent nicht 
ceitreten. Nach den bisher angeftellten eren 
enllgte zur Durchführung der Versicherung ein Vei⸗ 
rag von 1 Prozent für sede Seite: Arbeitgeber wie 
Arbeitnehmer. Bei einigermaßen guten Willen 
vürde diese neue Beitragslast von allen Interessen⸗ 
en gut zu tragen sein. Aber am guten Willen sehlt 
s; das ist der einzige stichhaltige Punkt, den wir 
inden. Durch die Heidelberger Abrede vied ja die 
Belitragskraft der saarländischen Wirtschaft außer⸗ 
ordentlich erheblich geschont. Wenn hier etwas 
Schamgefühl zu verzeichnen wäre, dann müßten die 
aarländischen Wirtschaftstreise die neuen Beitrags⸗ 
'asten gerne auf sich nehmen, schon — um der —* 
egierung und den deutschen Versicherungst rägern 
zu zeigen, daß man auch aus eigener Kraft estwas 
un will. Aber auch in dieser Frage Pielt an r der 
Profitgedanke eine Rolle. 
Ueber die Eindellung der deutschen Unter 
iehmerkreise im Saargebiet zur Sozlalpolitik resp 
ur Einführung der neueren deutschen sozialen Ge 
etze wird noch ein besonderes Wörtlein zu reden sein 
Seute sei nur gesaat daß man nicht nur mit dem
	        
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