Full text: Der Saarbergknappe (10 [1929])

Rummer 38 
Raarhrücken, den 21. Septeniber 1929 
0. Jahraom 
§ 86 2 8 s ß s IImn 
— — — 44 )— 
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet 
Lischeint jeden Samstag für die Angneder gtatis. — 
Preis für die Zahlstellenabonnenten 5.— Fr. monatl. ohne 
Botenlohn. für die Postabonnenten 15 — Fr vierteliährl 
Geschäftsstelle des Saat-Bergknappen“: Saar— 
brücken 2, St Johanner Straße 49. — FernsprechAnschluß 
Amt Saarhrücken. Nummer 1530. 1062, 2003. 3194 
Der Sinn unserer Zubiläumsfeiern 
Ein Nachwort 
Die unserer christlichen Gewerkschaflsbewegung 
zugrunde liegende Idee ist nicht auf Massenstim- 
mung eingestellt. Aus der Wasse der arbeitenden 
Menschen will sie Persönlichkeiten erziehen, um 
dieselben in den Dienst der Arbeiler, der Wirk— 
schafl, des Volkes zu stellen. Die Masse selbst 
ist wenig schöpferisch. Sie sieht kein großes Ziel 
Selbst wenn dies der Fall wäre, geht es im Laufe 
ihrer Arbeit verloren. Man läßt sich zu jehr von 
augenblicklichen Slimmungen leiten. 
Um den wirlschaftuchen und geistigen Aufstieg 
der Arbeiterschaft einzuleilen und zu vollenden, 
war zunächst die Auslese der Besten notwendig. 
Sie sollten ihren Kameraden als Führer dienen. 
Durch weitere Vervollkommnung der Erziehungs- 
und Bildungsarbeit an der eigenen Person soilten 
so diese Kameraden in die Lage versethzt werden, 
die große Menge der Arbeilerschaft aus den Nie— 
derungen des menschlichen Lebens herauszuarbei⸗ 
len, um aus ihnen ein brauchbares und voll- 
werliges Glied der menschlichen Gesellschaft zu 
machen. Troh dieser Einstellung wird die chrift- 
liche Arbeilerbewegung auf 
Massenkundgebungen 
nicht ganz verzichten können. Sie haben nicht die 
Aufgabe, durch rohe Gewalt irgend ein mißliebig 
gewordenes Wirtschaftssystem zu zerstören oder 
Forderungen an Staat und Gesellschaft mit uner 
laubten und unsittlichen Mitteln durchzusetzen. Es 
soll vielmehr durch diese Kundgebungen das Ge 
fühl der gegenseitigen Solidarität gestärkt und fü 
die weitere Arbeit Energie freigemacht werden 
Darüber hinaus sollen Staaf und Gesellschaft durch 
die Kundgebungen auf das Vorhandensein der Ar 
beiterschaft erneut hingewiesen, und dieselben mil 
den aufgestellten Wünschen und Forderungen be 
kannt gemacht werden. In diesem Sinne und 
unter diesem Leiftmotiv sind in den letzten Wochen 
lausende von chrisftlich organisierten Bergleuten 
an der Saar durch die Tagungsorte gezogen. Sei 
25 Jahren haben sie an dem Ausbau ihrer Be 
wegung gearbeiltet. Viele sind aus heiligem Eifer 
jür die Organisation des Standes zum MWärtyrer 
geworden. Nicht sellen mußte Arbeit, Brot und 
Familienglück geopferl werden, um der Bewegung 
das Weilerleben zu ermöglichen. Mustergültig 
waren die Umzüge. Gleichzeitig hochstehend die 
Tagungen. Alle Veranstalkungen haben sich wohl 
tuend, gegenüber dem leider allzu starken und ver 
heerenden Klimbim der Sommermonale, abge 
hoben. Nichts konnte den Bergmann abhalten 
aus den lehtten Ortschaften der Pfalz und des 
Hochwaldes zu den Judiläumsfeiern zu kommen 
Soweit aber Kameraden ohne jeden Grund zu 
hause geblieben, haben sie ihrer Sache nicht gedient 
Eine Organisation braucht, über die Beitragszah 
jung hinaus, nicht sellen den ganzen Menschen 
Der echte Gewerkschaftler kommt, wenn sie ruft 
Er weiß, dafßß es dann um seine Sache gehl 
Schlimmer haben diejenigen Kameraden gehan— 
delt, die zur Tagung kamen, aber aus mancherle 
BGründen die Beteiligung am Zuge ablehnten. Die 
Tagungen haben 
das Machtbewußtseingestärkl. 
Nicht in dem Sinne, daß der christlich organisiert« 
Bergmann dieses Gefühl der Stärke zu Experi— 
menlen gebraucht, die ihm und dem gesamten Volk« 
zum Verhängnis werden. Jeder Einzelne abei 
hat von diesen Veranflaltungen das Bewußtseit 
mit nach Hause genommen. daß er vereiniagi mil 
seinen Berufskollegen ein hohes Maß von Kraft 
besitzt, das ihm zum Aufstieg verhelfen mußz. Ar 
der Saar ist diese Einstellung doppellt nolwendig 
Zur Bearbeitung des Lohn- und Arbeilsverhäll 
nisses stehen uns Hilfsmitlel kaum zur Verfügung 
Wir entbehren der gesehlichen Einigungs- und 
Schlichtungsinslanzen. Aus diesen Verhältnissen 
zeraus haben wir im Laufe der Jahre sehr oft die 
Kraft der Bewegung einsehen müssen. Die ge 
verkschaftliche Energie, verbunden mit der Soli 
haritkät aller Beraleute haben uns manchen Erfol— 
Vergaloctlein 
— 
F 
—XV 
Wackre Knappen, aufgewacht! 
In der Hand das Grubenlicht, 
Silet wohlgemut zur Schicht, 
Uud im duntlen Felsenschoß 
Reißt der Berge Schätze los 
sᷣlöcklein klingt vom Bergesschacht 
Habet seines Tones acht! 
Manchem schon beim Lampenschein 
Außt es Sterbeglöcklein sein, 
Denn aus Duntel, Nacht und Graus 
Trudo man tot ihn bald hinaus. 
GGlöcklein klingt vom Bergesschacht — 
Schicht auf Schicht entschwindet sacht. 
Knappen Tun ist hart und schwer, 
Lässet Schrank und Truhe leer. 
Aber tief des Herzens Schrein 
Füllt's mit Gold und Edelstein. 
V. Kessing. 
——— —— 
gebracht. Zu alledem kommt, daß die Gesamt 
zinstellung der Bevölkerung an der Saar nich!t 
immer gewerkschaftsfreundlich gewesen ist. Aus 
den früheren Verhältnissen heraus haben sich ge— 
werkschaftsfeindliche Kräftle bis in die heutige Jeit 
erhalten. Man hat sich vor der Macht der Be 
wegung jedoch beugen müssen. So sollen diese 
nunmehr zurückliegenden Veranstalkungen uns zun 
weiteren 
wirischaftlichen Aufstieg 
behilflich sein. Wir haben im Laufe der Jahr« 
an der Saar ein gewalliges Maß gewerkschaft 
icher Arbeit verrichtet. Es sind Erfolge zu ver 
zeichnen, wie man dieselben nicht in jedem berg 
bautreibenden Land antriffl. Kein Kamerad wird 
dies bestreilen. Trothz aller dieser Tatsachen sind 
die Grundlagen unserer Existenz schwankend. Wir 
haben einen starken Belegschaftsabbau ertragen 
müssen. Nicht wenige unserer Kameraden laufen 
noch heute vergeblich nach Arbeit. Die Pensionen 
und Renten für Jeiten der Not und des Alters 
sind zu gering. Zudem läßt die Lohnfrage vieles 
zu wünschen übrig. Wir bleiben noch sehr starh 
hinter demjenigen zurück, auf das, in Anbelrach 
des derzeitigen Kulturzustandes unseres Volkes 
ꝛin Anspruch bestehl. Hier haben wir in den lehter 
Jahren manche Auseinandersehung führen müssen 
Die Kämpfe werden uns auch dann nicht erspar' 
bleiben, wenn neue politische und staalsbürgerliche 
Herhältnisse an der Saar einziehen. Auch dann 
mird unsere Bewegung Schirm und Schutz de—s 
SZchwachen sein müssen. Ein erhöhtes Maß von 
Arbeit muß in der Zukunfl für 
die geisftige Weiterbildung 
mserer Kameraden aufgewandt werden. Wi 
naben bdie Tagungen zum größten Teil miterlebs 
Trohzdem dieselben mustergültig gewesen, für viele 
Volksschichten ein nachahmungswerles Beispiel, 
hat doch nicht überall und zu jeder Zeit die Äuf. 
merksamkeit geherrscht, die wir unserer Sache 
bringen müssen. Festliche Veranstaltungen unse⸗ 
res Gewerkvereins sind geistige Kraftqueilen. Wir 
lrelen an diese heran, um daraus zu schöpfen. Den 
Lurus eines bloßen Zusammenseins können wit 
uns nicht gestatten. Ein christlicher Gewerkschaft⸗ 
ler hat nicht allein die große Aufgabe innerhalb 
seines Standes, sondern im Gesamlieben des Vol. 
kes erzieherisch zu wirken. Wir sehen im Volke 
und an seinen Veranstalkungen manches Unnühze 
und Schädliche. Wollen wir veredeln, müssen wit 
bei unseren eigenen Veranstallungen dies zeigen. 
Darüoer hinaus soll uns die Bewegung mii jenen 
geistigen und silllichen Kräften ausrüsien, die wir 
zur Milarbeit am Volke brauchen. In den lehzlen 
Jahren sind in erhöhtem Maße aus den VReihen 
der christlichen Arbeilerbewegung unserem Volke 
Führer erwachsen. Diese Zahl muß größer wer— 
den. Mil dem Einzelnen muß die große Masse 
unserer Kameraden geistig in die Höhe steigen. So 
wird die gewerkschaftliche Idee gefestigt, das ge⸗ 
steckle Ziel größer und das Maß von Energie jur 
Weiterarbeit gewaltiger. Um wieviel größer wären 
heute die wirtschaftlichen, staalsbürgerlichen und 
politischen Erfolge, wenn die große Menge der Ar⸗ 
beiler über jene geistige Reife derfügle, die zum 
Aufstieg unbedingle Voraussehzung ist. So seht 
aus diesen Dingen heraus eine christliche Gewerk⸗ 
shaflsbewegung Massenkundgebungen veranlaßt 
und sie in den Dienst der Idee flellt, wird sie stels 
bestrebt sein, durch diese Mittel ein 
Erziehen zur Persönlichkeit 
ju erreichen. Unsere Arbeilerbewegung braucht 
fiür die kommenden Jahre mehr Führer. Sie müs⸗ 
en sich in der Orksgruppe, in der Gemeinde, im 
Bezirk und im Volke auswirken. Führer ent— 
lehen im geistigen und sittlichen Ringen der Fähig⸗ 
ten und Charaktervollsten. Beneiden wir diesei⸗ 
vhen nicht. Streben wir darnach, ein Gleiches zu 
tun. Taten und Ideen, die zu unserem Aufstieg 
ühren, werden niemals durch die Masse geboren. 
Sie kommen aus den geistigen Tiefen des Einzel⸗ 
individiums. Mit der geistigen Vervollkommnuͤng 
des Einzelnen hebt sich das allgemeine Niveau 
der Masse. In dem Durcheinander des heutigen 
Lebens mit all seinen Begleiterscheinungen, siegl 
der Charaktervolle, sitllich und geiftig hochstehende 
Mensch. Er gibt den ruhenden Pol ab, um den 
ich die Masse der Kameraden schart. 
So hal der Gewerkverein christlicher Bergarbei⸗ 
ler mit seinen Jubiläumstagungen nach Innen und 
Außtzen seine Stkärke gezeigit. Seine Angaben über 
die ziffermäßige Stärke müssen nun auch von dem 
Außenstehenden als wahr anerkanntk werden. Jene 
Menschen aber, die noch immer den Bergmann 
und die gesamten Arbeilerschichten bisher an dem 
weiteren Aufstieg hindern wollten, haben einsehen 
müssen, daß es wohl besser ist, für einen gerechlen 
Ausgleich einzulrelen. Den Veranstallungen und 
dem machlvollen Auftrelen soll der christlich orga- 
nisierle Saarbergmann alle Jeit gedenken. Ihre 
Lehren muß er in die Tal umsehen. Ohne dies 
war die Arbeit wertlos. Schon jeigen sich neue 
Aufgaben. Die nächsten 25 Jahre müssen neben 
der wirtschafllichen Festigung, dem geistigen und 
iltlichen Aufstieg dienen. Vach dieser Heerschan 
ꝛrichalll nunmehr der Ruf: 
„Aunuf zu nener Arbeit!“ 
m Germane
	        
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