Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

NAummer 25 8. Jahrgang 
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Organ des Gewoerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
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Saarbrücken, den 18. Juni 1927 
Gegen die Opferscheuen 
Einige Bemerkungen. 
Erlaubt er sich doch ein Urteil dahin zu fällen, die Ge⸗ 
verlschaftsbewegung sei für die Arbeiterschaft völlig 
innütz, dann verrät er damit nur 
seine eigene Dummheit. 
dennt aber jemnand den Werdegang der Gewerkschafts⸗ 
zewegung und die Lage der Arbeiterschaft einst und 
etzt, und fällt er dann doch ein Urteil, das der Ge⸗ 
verkichaftsbewegung jedweden Nutzen abipricht, danr 
sandelt es sich um einen Böswilligen oder Opfer 
cheuen, sofern er Arbeiter ist, oder um einen Zwechk 
uteressierten, der die Gewerkschaftsbewegung wegern 
zrer Rützlichkeit für die Arbeiterschaft haßgt. 
Die Arbeiter nun, die der Gewerkschaftsbewegung 
edweden Nutzen absprechen, 
zaudelnabertäglichsehrinkoöonsequent 
zas heißt nicht folgerichtig nach ihren Worten und 
katen. Es steht doch fest, um bei naheliegenden Bei⸗— 
pielen zu bleiben, daß es nur den Bergarbeiterorga 
tisationen geglückt ist, im Bergbau zu Tarifver— 
rägen zu gelangen, die für jeden Arbeiter einen 
zestimmten Mindestlohn, die Soziale Zulagen, die 
Irlaub vorsehen und die überhaupt erst dem Arbeiter 
in Mitbestimmungsrecht sicherten. Warum verzich— 
en die Bergleute, die der Gewerkschaftsbewegung jed⸗ 
veden Nutzen absprechen, nicht auf die Vorteile, die 
zer durch die Gewerkschaften errungene Tarifvertrag 
hnen seit Jahren bietet? Glauben sie etwa, diese 
Fortschritte wären auch gekommen ohne Gewerkschafts⸗ 
zewegung? Glauben sie, die Arbeiterschaft wäre im 
holksleben zu der Geltung gekommen, wie sie gekom⸗ 
nen ist, wenn es keine Gewerkschaftsbewegung gege— 
hen hätte und noch gäbe? Glauben sie, daß es eine 
Saargängerzulage“, Zuschüsse zur Knappichaftsrente 
isw. ohne Gewerktschaften gäbe? 
Werkein Brett vor der Stirnhat, 
zlaubt das nicht; der weiß es auch ganz genau, dah 
für die sechs Feierschichten ohne die Bergarbeiter⸗ 
organisationen niemals die Soziale Zulage bezahlt 
würde, daß von keiner Seite eine Unterstützung käme 
— und doch die Schimpferei auf die Gewerkschaften! 
Warum wohl? Ei, es ist die einfachste Methode, 
dahinter die Opferschen zu verbergen. 
Wenn in der „Deutschen Bergwerkszeitung“ ein Un⸗ 
organisierter sich darüber zu entrüsten sucht, daß die 
Organisierten ihn als Menschen mit mindern sittlichen 
ind moralischen Eigenschaften einschätzen, so ist diese 
Entrüstung unangebracht. Die „Drohnen im Bienen⸗ 
tocke“ werden verachtet. Warum werden sie ver⸗ 
ichtet? Weil sie vom Ertrage der andern mitleben, 
hne jelbst zu wirken. Die Organisierten bringen große 
Zpfer, ermöglichen der Gewerkschaftsbewegung erfolg⸗ 
hringendes Arbeiten, während die Unorganisierten 
eine Opfer bringen, die Erfolge der Opferbereiten doch 
einheimsen und dabei noch schimpfen — weil es nicht 
nehr ist. Solches Handeln ist „dreckig“, verwerflich, — 
ilso unmoralisch. Das mögen unsere Mitglieder allen 
zenen vorhalten, die aus Anlaß der jetzigen Wirt⸗ 
chaftskrise der Gewerkschaftsbewegung jeden Nutzen 
bsprechen wollen, dabei aber die wesentlichen Milde⸗ 
ungen miteinheimsen, die unter mühevoller Arbeit 
on den Bergarbeiterorganisationen auch während der 
Trise erzielt werden. 
Es ist wieder eine Diskussion entbrannt über den 
Wert oder Unwert der gewerkschaftlichen Betätigung. 
Zinterm Biertisch, im Zuge, auf der Arbeitsstelle, in 
zer Presse, usw. streitet man sich herum; die einen be⸗ 
onen den Wert der gewerkschaftlichen Betätigung, die 
endern verneinen ihn. Ueberzeugte Anhänger der Ge— 
werkschaftsbewegung, also die Opferbereiten. 
zejahen sowohl die Notwendigleit als auch die Rütz 
lichteit des gewertschaftlichen Zusammenschlusses; die 
—AIIG 
den natürlich den Beifall aller „Gewerkschaftsfeinde 
vor allem der Unternehmerblätter mit der „Deutschen 
Bergwerkszeitung“ an der Spitze. — 
Solche Diskussionen sind nichts Neues; sie treten nu 
twas schärfer hervor, wenn 
eine Wirtschaftskrise 
die Arbeiterschaft besonders heimsucht. Die „Neun⸗ 
malweisen“ glauben dann ihre „klugen“ Sprüchlein 
besser anbringen zu können, die Gewerkschaften „ver⸗ 
agten“, sie „leisteten nichts“, die Arbeiter blieben 
doch immer „die Dummen“, weshalb es „unsinnig“ sei, 
der Gewerlschaftsbewegung anzugehören und Beiträge 
zu zahlen. 
Einem denkenden Arbeiter ist es klar, daß die Ge⸗ 
werkschaftsbewegung nicht die Macht besitzen kann, 
nun jede Wirtschaftskrise zu verhindern, genau so wie 
es auch der besten geistigen Macht nicht gelingt, jed 
veden Krieg zu unterbinden. Es würe Verstiegen⸗ 
zeit und Verlogenheit, wenn wir hier behaupten woll⸗ 
sen, die Gewertschaftsbewegung könnte, wenn sie nur 
wollte, die internationale Wirtschaft so regeln, daß 
illes reibungslos verläuft und keine Wirtschaftskrise 
mehr entsteht; es wäre aber auch allzu große Beschei⸗ 
renheit, wenn wir nicht die Tatsache betonten, daß 
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und die Anstrengungen vermehrt werden, die Ursachen 
der Krisen klar zu erkennen und sie nachgemach zu be⸗ 
eitigen. Noch auf der letzten Internationalen Wirt— 
chaftskonferenz in Genf unterbreiteten die Vertreter 
zer christlichen Gewerkschaften verschiedener Lände— 
eine wohlbegründete Denkschrift, die eine gute Grund 
lage zur Regelung des internationalen Wirtschafts 
ebens bietet. Es kommt nun darauf an, daß 
die Arbeiterschaft der einzelnen 
Ländersich zukünftig sostark macht., 
daß sie mit dem nötigen Nachdruck 
aufdie Durchführungdergemachten 
Vorschläge wirkben kann. 
Bleiben allerdings weiteste Arbeiterschichten un or 
ranisiert, dann leidet darunter natürlich die 
Stoij⸗ und Wirkungskraft der Organisierten, woraus 
klar zu erkennen ist, daß es einem Unorganisierter 
chlecht ansteht, die Wirlsamkeit der Gewerkschaftsbe 
vegung zu bekritteln. 
Das Thema der Diskussion ist ja auch falsch ge⸗ 
lellt; es darf nicht heißen: leistet die Gewerkschafls⸗ 
bewequng etwas oder nichts, sondern: 
iit der Arbeiter opferbereit 
oder nicht. 
Ddaß die Gewerkschaftsbewegung in den wenigen Jahr⸗ 
ehnten ihres Bestehens Großes geleistet hat, kann nur 
ein Dummkopf oder Böswilliger oder ein Opferscheuer 
bestreiten. Wer die Gewertschaftsbewegung nicht 
rennt, wer sich keine Mähe gibt, Vergleiche zwischen 
der einstigen Lage der Arbeiterschaft und ihrer heu⸗ 
tigen zu ziehen, soll hübsch den Mund halten und kein 
Werturieil über die Gewerkschaftsbewegung fällen. 
⸗ 
Vergebliches 
Absage an den Sozialismus 
Die christliche Arbeiterschaft wird zur Zeit von zwei 
zeiten heiß umworben: der kommunistischen und 
ozialdemokratischen Partei. Beide stellen der christ— 
ichen Arbeiterschaft vor, daß nur sie Arbeiterinteres 
en verträten, weshalb ihr Platz bei ihnen wäre. Die 
ommunistische Partei hat vor Monaten schon die 
Parole herausgegeben, die christlichen Arbeiter aus 
zen christlichen Gewerkschaften herauszunehmen, sie 
er eigenen Partei und den freien Gewerkschaften, die 
inter kommunistische Führung kommen müßten, ein— 
ureihen. Die sozialdemokratische Partei hat nun auch 
iuf ihrem jüngsten Parteitag in Kiel den Gedanken 
er Eroberung der christlichen Arbeiterschaft für die 
⸗ozialdemokratie ausgesprochen. 
Um auf dieses Liebeswerben aleich eine klare Ant 
rort zu geben: 
die christliche Arbeiterschaft denkt gar nicht daran, 
ich einer der beiden sozialistischen Parteien zu 
verschreiben. 
Zie betrachtet es als eine Anmaßung, wenn die bei— 
»en Parteien immer wieder erklären, sie allein seien 
Arbeiterparteien und sie allein verträten Arbeiter— 
nteressen. Keine der beiden Parteien setzt sich nur 
rus Arbeitern zusammen und beide Parteien umfassen 
ängst nicht die Arbeiter Deutschlands. Ein 
nindest so großer Teil der deutschen Arbeiter will mit 
em politischen Sozialismus nichts gemein haben. Und 
das ist gut so. Weder die Einstellung der sozialdemo— 
ratischen noch der kommunistischen Partei kann der 
Arbeiterschaft von Segen sein. Beide verlieren sich in 
dem Diesseitskult, huldigen dem negierenden Klas 
enkampfgedanken, der die Gegensätze vertieft anstot 
ie auszugleichen. 
Zudem bestreiten die beiden Parteien sich gegen 
eitig selbst den Charakter als Arbeiterpartei. Jede 
vill dise Arbeiterpartei sein. Wir wollen nicht bos 
jaft sein und die Urteile zitieren, mit denen sie sich 
egenseitig kennzeichnen. Wenn es schon ein Ding der 
Inmöglichkeit ist, die Jünger und Anhänger von Kar' 
starx, dem Vater des neuzeitlichen Sozialismus 
uter einen Hut zu bringen, dann ist es völlig ausge 
hbsossen die christlichen Arbeiter mit ibrer ganz ander—s 
8 
Liebeswerben 
eingestellten Gedankenwelt in eine der beiden Var— 
teien einzureihen. 
Was erreichten damit die christlichen Arbeiter auch? 
Sie würden nur in den giftigen Hader miteinbezogen, 
der zwischen den feindlichen sozialistischen Brüdern be— 
teht, würden des Blickes für höhere Lebensgüter mit 
der Zeit beraubt werden und so bei sich eine innere 
Zerrissenheit schaffen helfen. Die Auswirkung der 
Feiden sozialistischen Parteien ist nicht dazu angetan, 
inen Anreiz auf christliche Arbeiter auszuiben. Aus 
einer rein diesseitigen Einstellung resultierten die Zu— 
tände, unter denen die Menschheit und die Arbeiter— 
chaft leidet. Sie können nicht überwunden werden 
»on Bewegungen, die selbst im Materialismus auf— 
zehen. Belzebub läßt sich nicht durch den Teufel aus— 
reiben. Nur eine Kraft gibt es, die andere Zustände 
chaffen kann, sofern die Menschen sie benützen und 
diese Kraft ist das Christentum. Aber gerade die bei— 
den Parteien sind Todseinde des Christentums. Wo 
sie nur können, suchen sie es zu verdrängen, womit sie 
die Kraftquelle zu verschütten trachten, aus der allein 
der wahre Aufstieg des Arbeiters Antrieb und Nah— 
rung erhält. O nein, die christliche Arbeiterschaft ver— 
chreibt sich keiner Bewegung, die nur Diesseitskult 
ennt und das Christentum verleugnet! Das Christen—⸗ 
um bildet den starken Stab, an dem der Mensch in 
Tagen von Not und Elend sich aufrecht erhalten kann, 
vährend ihn die öde Lehre des Sozialismus in den 
3taub drückt. So wäre es höchste Zeit, daß die dem 
Zozialismus verfallenen Massen wieder zum Christen⸗ 
um zurückkehrten, weil sie der Sozialismus nicht aus 
dem Staube erheben kann. Nicht hin zum Sozialis⸗ 
mus heißt die Varole sondern 
weg vom Sozialismus zum Christentum! 
Wir, die auf christlichem Boden mit beiden Juͤzen 
tehen, die seit Jahren in christlichem Geiste erfolgreich 
ür den Arbeiteraufstieg kämpfen, haben gar keine 
Veranlassung, unsern Boden mit dem sozialistischen 
inzutauschen. Die sozialistischen Arbeiter aber haben 
alle Veranlassung, sich dem Christentum zu nähern 
ind seine Kraftquelle zu benutzen. Das frommt ihnen 
und der geiamten Arbeiterschaft
	        
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