Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

ANummer 18 
Saardrücken, den 30. April 1927 
—— 
J 46 * — 7 I— 4— 196 F 
Organ des Gewertkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
—* eden Samstag für die Mitglieder gratis. — Für wirtschaftliche u. geistige S 
— des Bergarbeiterstandes 
Geschäftsstelle des „Saar-Bergknappen“: Saarbrücken 2 
Johanner Straße 49. — FernsprechAnschluß: Amt 
Saarbrücken, Nummer 1530, 1062, 2003, 3194. 
Vom, üppigen Leben im Suargebiet 
Einige Bemerkungen 
schwiegen wird, da sonsten das Märchen vom üppigen 
Leben doch gleich als üble Aufschneiderei erkannt 
würde. 
„Le Journal“ setzt seine Märchen in die Welt in 
einem Zeitpunkt, wo die Saarbergleute neben dem 
dohnabbau auch noch viele Feierschichten in 
dauf nehmen müssen. Wie reinit sich das mit der 
ochnüsigen Behauptung betr. Saargruben eigentlich 
usammen? Und weiß das Blatt, wise die Saarberg⸗ 
eute nun leben müssen?! Im Monat Abpril ganze 
21 Schichten! Löhne von 550 bis 800 Franken bilden 
as Einkommen der Saarbergleute im Monat Mai 
dann kommen sie ja erst in den Genuß der April⸗ 
öhne, während ab 1. Mai ein weiterer Lohnabbau 
n Kraft tritt). Mit diesem Einkommen joll ein 
ippiges Leben geführt werden? Jit auch die trostlose 
Absatzlage der Saargruben ein Beweis für die 
„blühende Wirtschaft“? Im Interesse der Renten— 
empfänger, der Bergleute, überhaupt der ganzen 
Saarbevölkerung freuten wir uns sehr, wenn hier 
eine blühende Wirtschaft wäre und die arbeitende Be⸗ 
vpölkerung insgesamt so leben könnte, wie ein kulturell 
hochstehendes Volkt leben sollte. Leider sind die Ver⸗ 
hältnisse aber so, wie wir sie an Hand nur weniger 
Beispiele schilderten, und wir können hinzufügen, daj 
Frankreich bezw. seine Beauftragten nicht ganz un⸗ 
chuldig an diesen Verhältnissen sind. Möge das die 
ranzösische Presse mal in die Welt setzen, dann dient 
ie der Wahrheit und der Saarbevpölkerung. 
Nach Aeußerungen in französischen Zeitungen soll 
die „westliche Drientierungs-Propaganda“ erneut im 
Saargebiet einsetzen. An und für sich läßt uns das 
ziemlich kalt, da sie genau so wie die erste mit einem 
kläglichen Hereinfall und Katzenjammer enden wird. 
Sich diese Blamage erneut zuzuziehen, wollen wir den 
Franzosen nicht verwehren. Wogegen wir aber als 
Vertretung der Bergarbeiterinteressen Stellung nei⸗— 
aren müssen, sind die hanebüchenen Behauptungen, 
lbie französische Blätter vom Schlage eines „Le Jour⸗ 
ial“ über das Leben im Saargebiet in die Welt setzen. 
In einem Artikel in der Nummer vom 29. März 
erhebt das genannte Blatt die Forderung: 
Geben wir die Saar nicht auf, die uns ihren 
Wohlstand verdankt.“ 
Unschliehend wird dann ein „autonomes Saargebiet“ 
‚erlangt, „das mit französischer Hilfe weiter gedeiht 
inter der Herrschaft des Völkerbundes“. Es folgen 
dann noch die Behauptungen, daß die wirtschaftliche 
dage des Saargebietes eine blühende sei und die Be⸗ 
pölkerung in diesem reichen Lande üppig lebe. 
Angesichts der Not im Saargebiet müssen diese 
blöden Behauptungen einen mit Ingrimm erfüllen. 
mmal sie einer bitteren 
Verhöhnung weitester Volksschichten 
im Saargebiet gleich kommen. Schon oft hat ein fran⸗ 
zöfisches Blatt, die „Lothr. Volksztg.“, die in Metz er⸗ 
cheint und die Lage im Saargebiet aus nächster Nach⸗ 
darschaft studieren kann, die Notlage der Renten⸗ 
empfünger aller Art und speziell der Bergarbeiter⸗ 
chaft, die von Frankreich abhängig ist, in den tref⸗ 
endsten Farben geschildert. In diesen wahrheitsge⸗ 
sreuen Artikeln ist nichts zu finden von einer blühen⸗ 
den Wirtschaft im Saargebiet und von einem üppigen 
Leben der Bevölkerung. Wie sollen 
die vielen Unfallrentner und 
Hinterbliebenen 
födlich Verunglückter bei der überaus rückständigen 
ßesetzesbildung, die durch die Schuld Frankreichs so 
zeringe Leistungen vorsieht, mit der jämmer⸗ 
lichen Rente üppig leben können? Oder die vielen 
Tausende Bezieher von Knappschafts- oder Invaliden⸗ 
tente? Seit vielen Jahren, ja, seitdem das Völker⸗ 
bundsregime unter Frankreichs Gnaden im Saarge⸗ 
hiet so „glorreich“ herrscht, kennen diese viele Tau—⸗ 
ende zählenden Vteninen des Saargebietes nur 
nwittere Not. 
Und die Bergleute? 
Leben sie üppig? Not und Entbehrung sind auch 
hre Hausgenossen seit Jahren. Sie führen ununter—⸗ 
zrochen einen harten Lohnkampf, weil ihr Einkom—⸗ 
men nie mit der Teuerung in Einklang steht. Und 
ausgerechnet in einem Zeitpunkt, wo die Lage der 
Bergleute, die mit ihren Angehörigen ein Drittel der 
zanzen Saarbevölkerung ausmachen, eine so gedrückte 
ist wie selten, kommt dieses Pariser Blatt mit der 
ugenhaften Behauptung: 
.In diesem reichen Lande lebt mon 
üppig.“ 
Von den Gruben sagt das Blatt: „Seit 8 Jahren 
1919) jind riesige Fortschritte gemacht worden und 
zas Unternehmen ist eines der bedeutendsten und der 
im besten ausgestatteten in Europa geworden“. Wo— 
nit der Lejerschaft beigebracht werden soll, als ob die 
Urbeiterschaft der Saargruben auch am besten von 
er Arbeiterschaft Europas bestellt wäre, In Wahr— 
jeit ist es jo. dah die Saarberalente in vunkta Beszah— 
ung so ziemlich 
an letzter Stelle marschieren. 
vas natürlich zur höheren Ehre Frankreichs ver— 
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Ars oͤem Leben ee er 
der Gewerkverein als Helfer in der Not 
Schon oft konnten wir an besonderen Fällen nach 
veisen, daß die Rechtsschutzeinrichtung des Gewerk 
»ereins gerade für die Hinterbliebenen verstorbener 
»der tödlich verunglückter Kameraden von großem 
Zegen ist. Leider wird diese Tatsache immer noch 
aicht genügend gewürdigt. Unsere Mitglieder nehmer 
die Mitteilungen zur Kenntnis, ohne sie in genügen 
er Weise auszuwerten. Gerade die Rechtsschutzerfolg⸗ 
ind besonders geeignet, die Nützlichkeit der Mitglied 
chaft beim Gewerkverein darzutun. Marschiert er 
doch mit seiner Rechtsschutzeinrichtung an der Spitze 
aller gewerkschaftlichen Organisationen. Das ist ein« 
Tatsache, die von keiner anderen Organisation hin 
veggeleugnet werden kann, da die Erfolge es klar be 
veisen. Die Mitglieder anderer Organisationen 
vürden mit den Erfolgen viel mehr „Staat machen“ 
wenn sie eine Rechtsschutzeinrichtung besäßen, wie die 
Uitglieder des Gewerkvereins sie doch besitzen. Die 
Erfolge müssen dazu dienen, dem Gewerkverein neue 
Anhänger zu werben und die innere Kraft zu stärken 
Heute können wir wieder aus den Fällen der jüng 
sten Zeit zwei Rechtsschutzangelegenheiten heraus 
preifen. bei denen der Gewerkverein 
rganisation 
— 
Freude in den alten Tagen und zum greifbaren Er— 
folg verholfen? Die Unorganisierten? Die Kommu— 
nisten? Nein, der Gewerkverein war ihr uneigen— 
nütziger und praktischer Helfer. Dieses Helferamt des 
Gewerkvereins muß immer mehr bekannt gemacht 
werden, besonders unter der Frauenwelt. Kamera— 
den. das zu tun muß euch heiliaste Pflicht sein! 
Warum so saumselig? 
Es ist sonderbar: ist das Gebiet gerade nicht in 
ieberhafter Erregung oder scheint die Sonne mal 
twas wärmer, dann läßt auch gleich der Versamm— 
lungsbesuch nach. Während der letzten Lohnbewegung 
tonnten wir feststellen, daß die Versammlungen sich 
eines guten Besuches erfreuten. Wir registrierten diese 
Tatsache und bemerkten damals, daß der Versamm— 
lungsbesuch immer so sein müßte. Wir führ— 
ten auch die Gründe an, warum unsere NMiitglieder 
restlos die Versammlungen besuchen müssen. An— 
scheinend haben viele wieder alles vergessen. Und 
doch ist es so bitter notwendig, daß die Versammlun— 
gen gut besucht werden. Wieder schwirren die tollsten 
Gerüchte im Revier herum. Anstatt daß man dort 
hingeht, wo richtige Aufklärung gegeben wird, nimmt 
man die Gerüchte in sich auf und trägt sie noch weiter. 
In den Versammlungen wird über alles Aufklärung 
zegeben, was die Bergleute interessiert. Wer sich also 
vorm Hereinfall auf dumme Gerüchte schützen will, der 
besuche doch die angesetzten Versammlungen. Die Or— 
zanisationen haben die verschiedensten Schritte unter— 
nommen, um den Bergleuten die Last der Feierschich— 
ten zu mildern. In unserm Organ kann nicht alles 
besprochen werden in seinen Einzelheiten; dazu find 
doch die Versammlungen da. Hier müssen sich unsere 
ämtlichen Mitglieder einfinden, damit sie hören, wie 
die Dinge liegen. Sie können sich dann auch besser ein 
Urteil bilden, und ersparen sie sich manchen Aerger, 
der durch die törichten Gerüchte ausgelöst wird. Die 
eingerissene Saumseligkeit müssen wir überwinden; 
ie schädigt die Bergmannssache. Alle Mann in die 
deriamnuisungen. das mußk die Varole soin! 
den Hinterbliebenen verunglückter Kameraden 
hr bedrohtes Recht sicherte. Was wurde dabei heraus 
zeholt? Lassen wir die Fälle selbst reden: 
Unser langjähriger Vorsitzender der Zahlstelle 
Hresaubach, Kamerad Peter Meichels, arbeitete nach 
einer Pensionierung in einem Steinbruch. Am 10 
September 1926 wurde er durch herabstürzende Stein 
nassen verschüttet und starb an den Verletzungen am 
l. 10. 1926 im Knappschaftslazarett Fischbach. Unser 
Kechtsschutzbüro griff sofort den Fall auf und stellte 
ür die Hinterbliebenen den Antrag auf Aszendenten 
tente. Dem Antrage wurde nunmehr entsprochen. Die 
Witwe unseres Kameraden Michels erhielt zunächs' 
in Sterbegeld den Betrag von 440 Franken ausbe 
abhblt. Ferner erhielt sie an Aszendentenrente 
den Betrag von 2310 Franken nachbezahlt 
ind an laufender Rente monatlich 330 Franken zuge. 
prochen. — Diese Frau segnete ihren Mann, daß er 
hr durch seine Meitgliedschaft beim Gewerkverein 
inen Helfer übers Grab hinaus bestellt hatte. 
Der zweite Fall: Der Sohn der Witwe unseres 
riiheren Mitgliedes Nikolaus Stephan aus Nieder 
albach erlitt am 30. März 1926 im Betriebe der Bur— 
acherhütte eine schwere Kopfverletzung, an deren 
Folgen er am 3. April 1926 starb. Troßdem er ein— 
iger Ernährer seiner Mutter war, lehnte die in 
Frage kommende Unfallberuisgenossenschaft die Ge— 
vährung der Aszendentenrente ab mit der Begrün— 
zung, die Mutter sei nicht bedürftig. Unser Rechts 
chutzbüro grifi die Sache auf und erreichte im Prozeß 
erfahren, daß Bedüritigkeit cnerkannt wurde. So 
nit famen an Witwe Stephan 
1165 Franken zur Nachzahlung 
ind wurde ihr eine monatliche Rente in Höhe von 
110 Franken zugesprochen. Die Freude der armen 
Vitwe kann man sich vorstellen, als ihr die Rachricht 
on dem ohñegenden Urteile wurde Maor hat ihr zur 
Bei der Stange bleiben! 
Miesmacher sind wieder an der Arbeit, den Organi— 
otionsgedanken zu verekeln. Weil die Organisationen 
die Feierschichten nicht verhindern konnten, fühlen fich 
die Miesepeter und Maumacher in ihrem Element. 
Seht, die Organisationen taugen ja doch nichts?, 
tufen sie nun mit wahrem Behagen ihren Kameraden 
zu Sie freuen sich, einen „Beweis“ für die „Wert⸗ 
losigkeit der Gewerkschaften“ gefunden zu haben. Diese 
SZorte Menschen könnte man ja ruhig mit ihrer 
Dummheit allein lassen, wenn es nicht Kameraden 
zJäbe, die sich von ihnen anstecken lassen. Das augen— 
lickliche Mißgeschick, das übher den Saarbergmann 
hereingebrochen ist, veranlaßt auch sie, die Ohren hän— 
jen zu lassen und den Miesepetern noch beizupflichten. 
Als ob es damit besser würde! Die Organisationen 
jeben sich alle Miihe, das Mißgeschick zu mildern und 
u beheben; wenn die Kameraden die Ohren hängen 
riien oder aar ijortlaufen dann kann auch die Orodc—
	        
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