Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

Nummer 16 
Saarbrücken, den 16. April 1927 
s. Rahrgang 
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ryereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Für wirt chaftliche u. geistige Hebung —— ee Verene een 2. 
wi Bergarbeiterstandes ot —— —E 5 — —88 Am 
Organ des 6 
ẽscheint jeden Samstag für die Mitglieder gratis. — 
Preis füt die Zahlftellenabonnenten 5,— Ft. monatl. ohne 
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Handel und Gewerbe 
ausgesprochen. In Versammlungen wurden Ent— 
chlieungen gefahzt, die zur Herabsetzung der Preise 
auffordern. Die Arbeiter sagen, daß alle Voltskreise 
ich einschränken müßten, wenn Not herrsche. Sie 
haben das Gefühl, als ob andere Schichten auf ihre 
Notlage nicht die Rücksicht nähmen, die möglich wäre 
Dieses Gefühl nährt ja auch den Gedanken der Selbit— 
hilse: den Genossenschaftsgedanken. Die 
Zahl der Genossenschaftler wächst. Irgend etwas muh 
za doch nicht in Ordnung sein, weil es eine Wirkunn 
hne Ursache nicht gibt. Wenn allgemein Klagen er— 
joben werden, dann geschieht das sicher nicht ohne 
Ursache. In der Vorkriegszeit war dieses gespannte 
Verhältnis nicht zu verzeichnen. Wenn es heute zu 
zerzeichnen ist, dann ist daran 
verlorene Vertrauensterrain müssen Handel und 
Hewerbe sich selbst zurückerobern. Wenn in einent 
zchreiben an die Christlichen Gewerkschaften der 
Schutzverein für Handel und Gewerbe“ sagt, „daß der 
zandel soweit wie irgend möglich die Preise abgebaut 
hat“, dann bringen wir das hier gerne zur Kenntnis. 
der Schutzverein muß nur genau zusehen, ob das in 
den einzelnen Orten auch zur Tatsache geworden isi. 
Ddas kaufende Publikum muß wieder 
das sichere Gefühl 
bekommen, daß es nicht übervorteilt wird, und die Ar⸗ 
beiterschaft muß merten, daß auf ihre Lage alle nur 
mögliche Rücksicht genommen wird. Sie huldigt noch 
mmer dem Grundjatze „Leben — und leben lassen“. 
sur verlangt sie — und das mit Recht — dah auch 
ihr gegenüber dieser Grundsatz befolgt wird. Wenn sie 
die Gewißheit hat, daß das geschieht, dann werden 
icherlich keine Vorwürfe mehr erhoben und in Ver⸗ 
ammlungen keine Entschließungen betr. Preisbildung 
nehr gefahßzt. Was also notwendig ist, ist genaue Er⸗ 
'orschung der Ursachen der Mißstimmung und des 
chlechten Verhältnisses, sowie radikale Verstopfung 
er Quellen der Unzufriedenheit. Nur das frommt 
zeiden Teilen: Handel und kausjendem Vublikum. 
F 
Ostern, Ostern wird es wieder 
Nach des Winters langen Nöten, 
Lieblich klingen Hirkenlieder,. 
Und die Amsel hört man flöten, 
Und die Quellen mit Gesängen 
Zkürzen nieder von den Hängen. 
Rings ein Blühn in Hain und Hagen., 
Und in Wies' und Feld ein Locken. 
Ueber Wälder hergetragen, 
Klingen Auferstehungsglocken, 
Und an einem fernen Grabe 
Singkuein lichter Engelknabe: 
das kaufende Publikum 
nicht schuld. In der Nachkriegszeit ist eben das sichere 
Hefühl, daß man nicht übervorteilt wird, verloren 
zegangen. Die beschämende Tatsache, daß Wucherge— 
lichte und Preisprüfungskommissionen notwendig 
vurden, hat halt nicht dazu beigetragen, das Ver— 
rauen des kaufenden Publikums zu bestärken. Das 
Die ihr ohne alles Hoffen 
Tiefer Trauer euch ergeben, 
Seht, des Heilands Grab ist offen, 
Und als Sieger ftiehl das Leben. 
O, auch ihr sollt auferstehen 
Und durch Frühlingsauen gehen. 
wu 
2* d — 
Dir eerte Sotzeit arberglertte 
Besondere Verkandlungen mit der Vergwerksdireltion — Neue Eingabe 
an Biinister Tardieu 
Lasset denn das Leid der Tage 
Und den Staub der Arbeitsstätten. 
Sollt euch aus der Müh' und Plage 
In ein schön'res Dasein relten. 
Auch der Arbeit muß auf Erden 
Endlich ja ein Ostern werden. 
2Kessin⸗ 
Wer die Bergarbeitergeschichte an der Saar wirklich 
tudiert, findet, daß der Saarbergmann stets stief— 
nütterlich behandelt wurde. In den Jahren vor dem 
gewaltigen Weltbrand ging es ihm nicht gut. Er lag 
nit seinen Löhnen immer wesentlich unter den Löhnen 
ciner Kameraden an der Ruhr. Etwas hatte er aller— 
ings seinen Berufskollegen an der Ruhr voraus, er 
var bodenständig, verwachsen mit der Scholle und ar— 
zeitete nur mit wirklich gelernten einheimischen Berg 
euten zusammen und brauchte sich nicht mit „Kum 
els“ aus allen Herren Länder herumzuschlagen. Zu 
z»em hatte er dieselbe soziale Gesetzgebung wie seine 
ibrigen Kameraden in Preußen und nahm mit teil 
in den Errungenschaften seiner großen gewerkschaft— 
ichen eraen Im Krieg mußte er zunächst die— 
elben Opfer bringen wie die übrigen Arbeitskollegen 
ind als dann der Brennstoff knapp wurde, da kamen 
zie ältesten Jahrgänge zurück, um bei schlechter Er 
ährung schwere Arbeit zu verrichten. 
Nach dem Zusammenbruch wechselte sein Arbeit— 
jeber. Ein Staat mit ganz anderer Einstellung, mit 
ganz fremder Gesetzgebung wurde sein Brotherr. Ge— 
viß, die alten heimischen Gesetze blieben, doch das war 
a gerade das Unerträgliche, daß er nicht mitkämpfen 
onnte, eine neue fortschrittliche Gesetzgebung inbezug 
ruf Arbeiterrecht und iozialer VRersoragung zu schaffen 
—B 
Saarbergbau verwachsenen Bergleute abgelegt wer— 
den sollten. Wochenlange Aufregung im Saarbergbau. 
Die Organisationen, die bewährten Anwälte der 
Beraleute, traten mehr als sonst in Aktion und 
die schlimme Krise 
onnte gebannt werden. Ein Aufatmen ging durch die 
Bergmannsgemeinden und die Notwendigkeit und die 
Zweckmäßigkeit des Gewerkvereins wurde überall an— 
erkannt. Der Absatz besserte sich, die Kohlen wurden 
degehrter, der Ruhreinfall mit Besetzung der Gruben 
wuürde von den dortigen Bergleuten mit dem passiven 
Widerstand beantwortet. Kohlenmangel auf dem 
Tontinent war die Folge. Die Saarbergleute wollten 
entsprechend der starken Nachfrage der Kohlen ent— 
öhnt werden. Die Pariser Stellen waren kleinlich. 
Die Saarbergleute traten in den Kampvi. der genau 
110 Taqe dauerte und 
Iususutusuiul QO Vinzürtzithzultlutite 
αÑgöαν 
Keine Wirkung ohne Ursache 
Einige Bemerkungen 
Die Lage der Bergleute ist zur Zeit eine sehr ge— 
drückte. Selten dürfte es in der Rachtriegszeit im 
Bergmannshaushalt so knapp hergegangen sein. 
Wenn Angesichts solcher Verhältnisse die Bergleute 
und ihre Organisationen von allen Instanzen die 
totwendige Rücksichtnahme verlangen. dann ist das 
rur zu verständlich. 
Nücksichtnahme wurde verlangt von der 
Bergwerksdirektion. 
Als sie keine zeigte, wandten sich die Bergarbeiter— 
organisationen an den Verwaltungsrat der Saar⸗ 
gruben und den französischen Minister für öffentliche 
AUrbeiten. Das Schreiben ist an anderer Stelle dieser 
Rummer bekanntgegeben. Es muß nun abgewartet 
werden, ob diese Stellen Entgegenkommen zeigen. 
Helegenheit dazu ist ihnen geboten. Sie können nun 
zeigen, ob das Interesse des französischen Schatzamtes 
»der das der Saarbergleute am höchjiten jteht. 
Die Regi——7ommission 
wurde ebenfalls angegangen, Erleichterungen zu 
chaffen. Mit „Rauken und Trompeten“ ließ sie darauf⸗ 
zin eine Ermähzigung der Lohnstener an—⸗ 
lündigen. Wer von vornherein nicht viel erwartete, 
erlebt jezt keine Enttäuschung; denn wie immer bei 
Maßnahmen der Regierungskommission, mußß man 
nuch von dem Entwurfe betr. Lohnsteuer sagen: „Es 
reißte der Berg, selbst Zeus geriet in Anast. und der 
Berg gebar eine Maus!“ 
Die Erwactung auf notwendige Rücküichtnahme 
wurde auch geacnüber 
große Opfer von den Saarbergleuten 
forderte. Ueber drei Monate mußten sich die Saar— 
bergleute mit der Streikunterstützung behelfen, 
Schmalhans war Küchenmeister und daneben mußten 
ie die Drangsalierung der französischen Truppen, die 
bvon der Saarregierung die weitgehendsten Vollmach— 
ten hatten, aushalten. Die Bergleute lernten einsehen, 
daß Kampizeit Notzeit ist. Allerdings hatte diese Zeit 
inen Vorteil. Durch die lange Ausspannung gesunde— 
en die Bergleute trotz der einfachen Lebensweise. 
Der Streik, der den Bergleuten gewisse Vorteile 
zrachte, war kaum beendet, als die 
Entwertung des französischen Franken 
ich bemerkbar machte. Die Löhne stiegen nicht so 
chnell, als die Teuerung und so kam eine neue Not— 
eit für die Bergleute heran. Die Erregung wuchs oft 
his ins Unermeßliche, nach monatelangem hin und her 
vurden erst die Löhne erhöht und manche Lohner— 
nöhung kam tatsächlich viel zu snät 
Seit Herhĩt 1926 machte sich 
neuen Arbeitgeber 
tanden zunächst noch die französischen Truppen zur 
Lerfügung. Jede Auflehnung wurde im Keim erstickt 
ind nur der Taktik der Organisationen gelang es, oft 
roßes Unheil abzuwehren und trot aller Hindernisse 
dorteile für die Bergleute herauszuschlagen. Die Re— 
zierungskommission kam, ein Oberbergamt wurde ein— 
gesetzt und diese Faktoren arbeiteten nicht selten mit 
der Bergverwaltung Hand in Hand, um den Bergbar 
iür den neuen Unternehmer rentabel zu gestalten 
Ende 1920 und anfangs 1921 zeigte sich bereits, daf 
der Kohlenhunger der Welt geitillt war und die Saar 
eraleute fühlten zunächst 
die Ueberfüllung des Kohlenmarktes. 
Das Handelsbüro der neuen Unternehmung hatté 
eider nur für den Augenblick disponiert, Märkte ge 
ucht und gefunden, die wohl gut bezahlten, aber nur 
vorübergehend abnahmen. Ein Protesitruf von 70 000 
zaarbergleuten scholl durch die ganze Welt, als neber 
deierschichten auch noch die außerhalb des Saarge 
iefes wohnenden seit Peenschengedenken mit deu 
die Besserung des Franken 
nemertbar. Manche Bergleute dachten die Löhne zu 
alten, da kam über Racht eineneue Situation. 
Durch die Besserung des Franken kamen die franzö— 
ischen und Saarkohlen im Preis auf einmal über den 
Peltmarttpreis zu liegen. Die Kohlenpreise wurden 
ibgebaut, die Löhne ebenfalls. Ein gewaltiger Pro— 
entsatz wurde genannt. Die Organisationen konnten 
nemildern aber nicht agaanz aufhalten. Schon alaub—
	        
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