Nummer 6
Saarbrücken. den 5. Februar 1927
8. Zahrgang
3* ß 9 — 798) * * —— J —— 31259 —** — 53
—
V
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
LArschelnt jeden Samstag für die Niilgliebder gratis. —
Preis füt die Zahlstellenabonnenten 5.— Fr. monatl ohne
Bolenlohn, für die Postabonnenten 15,— Fr. vietleljährt
Ins Recht gikt uus unbengsume
HKraft
Einige Bemerkungen
In der Weihnachtsausgabe der „Frankfurter Itg.“
zußerten sich ausländische Schriststeller über das
Tyarakteristitum ihres Landes. Darunter befand sich
zuch ein Chinese, Chao Ssiu schu, Haupidelegierter
eines Landes beim Volterbund. In einem sehr lesens—
nerten und lehrreichen Aufsatze weist er nach, dah die
chinesen „auuf Tod und Veben“ um ihre „Existenz, um
Kre Gleichberechtigung und um ihr Necht“ kämpfen.
Sr ruft aus: „HPas Mecht gibt uns unbeugsame Kraft.“
Teil sie einen unanfechtbaren Rechtsboden unter sich
saben, jühren die Chincsen den Kanmpf gegen die
„Fremden“, die ihre SExistenz, ihee Gleimberechtigeng
znd ihr Recht als seibständiges Roll bedrohen. —
RAarum wir das an die Snitze unseres Blattes
etzen? Weil der eine Satz gerade uns Arbeitern so
ziel sagt: „Das Reiht gibt uns unbeugsame Krafi.“
Wir leben zwar im deutichen Volksperbande und
naben somit nicht Fremde im Auge, wenn wir von
echt, unbeugsamer Kraft und Kampf sprechen. Wenn
wir davon sprechen, dann haben wir die Stiellung im
Auge, die wir Urbeiter innerhalb unseres Boltes ein—
enen.
Innerhalb unseres Volkes wird unsere Exijtenz.
unsere Gleichberechtigung und unser Recht auch be⸗
ämpft. Unsere Gleichberechtigung besteht doch nur
ormal. Geistig oder seelisch wird sie nicht anerlannt,
wie wir immer öster erlennen können. Unsere Existen;
ist bedroyter denn je und unser bisher erworbenes
Recht sucht man zu beschneiden. Und doch haben wir
eiu Recht auf eine menschenwürdige Ezxistenz, auf
vollgüllige Gleichberechligung
un wirtihafilichen, politischen und kulturellen Leben.
Diejses Recht muß auch uns unbeugsame Kraft zum
KRämpfen geben. Natürlich zum Kämpfen im guten
Zinzie, mit sittlich und moralisch erlaubten Mitteln.
Wenn wir nicht seUbst für unser gutes Recht ein—
reten, dann geht es mit uns bergab. Die Chinesen
miüissen sich selbst der Fremden erwehren, gestützt auf
hr gutes Recht. Wir Arbeiter milssen uns auch selbjt
LZuft und Raum schaffen, gestützt auf unser Recht: als
Hienschen ein menschenwärdiges Dasein führen und
als völlig Gleichberechtigte innerhalb unseres Volkes
leben und wirlen zu lkönnen
Dieses „Luft und Raum schaffen“ ist nicht von hente
ruf morgen erreicht. Jahrzehnte mußten die Pioniere
inserer Bewegung tämpfen, bis das heutige formale
RKecht geschaffen war. Sie schöpften unbeugsame Kraft
rus dem natürlichen., göttlichen und sittlich moralischen
Recht. Aus dieser Rechtsquelle müssen auch wir un—⸗
seugsame Kraft schöpsen. damit wir nicht nieder—
cendern aufwärtssteigen.
ZSchon seit einigen Wochen spielt das Wort
„Bekreuungsakkion“
nnerhalb des Saarvoltkes eine bitterböse Rolle. Wolel
elten hat eine Maßnahme sjoviel Verbitterung und
Erregung außgelöst als die, die man amtlicherseits
mit „Betreunng“ bezeichnete.
Welche Matzznahme kennzeichnet das Wort? Die so⸗
zenannten beunrlaubten Beamten des Reiches und der
Länder, die der Saarregierung seinerzeit zur Ver⸗
jügung gestellt wurden, wurden „betreut“, d. h. sie be⸗
amen eine einmalige Betreuungs⸗ oder Entschul⸗
vungssumme vor Weih nachten vorigen Jahres durch
zas Reich ausbezahlt. Die Saarregierung ihrerseits
jat die Aktion auf die Beamten ausgedehnt, die von
he eingeistellt wurden. Man sagt, die Mahnahme
wurzele in einem positiven Rechtsboden. Viag dem
ein wie es will: es fiel das Wort: Rotmaßnahme.
Ann das weitere:! Entichlbuncgsbetrase
2* 7 1 Geschäfts — „S * *3
Für wirtschaftliche u. geistige Hebung a 88 Faen
8 Abeierstundes t. ohanner taße 49. — ernsptech Anschluß: õ
des Berg 7 Saarbrücken, Rummet 1530. 1062, 2003, 3184.
Nun fragt das arbeitende Volt: leiden denn die Be⸗—
amten allein Rot? Es stellt fest. daß jeine Not größer
ist. daj die Haupilast des nationalen Abwehrlampfes
auf ihm ruhte und leitet aus dieser Tatsache das
moralische Recht her, danß das Reich auch die Ver⸗
»flichtung hat, das arbeitende Bolt, dessen Hauptteil
die Bergleute bilden, zu betreuen.
Daraus ist bisher noch nichts geworden. So steigt
deun die Verbitterung und Erregung. Anklagen wer⸗
hen da erheben. „Die Gewerkschaften haben nicht
echt zeitig ond in genügender Weise die Ampriiche der
Arbeiter vertreten“ — so muh man in Versammlun⸗
zen und Konferenzen hören. — Richts ist verkehrter
als das. Die christlichen Gewerkichasten, zumal unser
Gewerlverein, waren recht zeitig auf dem Posten
Mas der Gewerkverein nar tun koönnte, hat er getan,
im auch den Vergleuten ihr Recht zu sichern. Der Tag
wird immen, wo man darüber offen reden und die
Atten offen legen klann. Die Aktion ist noch nicht ab⸗
zeschlossen, weshalb ein jeßiges Herausstellen aller
mternsmmener Schritte versehlt wäre. Die Kame⸗
raden mögen versichert sein, daß auch hier das gute
Recht uns die unbengsame Kraft gibt zum Wirker
ür den Bergmanngstand an der Saar. Der Gewert
erein wird wie bisher auch weiterhin alle zur Ver
ügung stehenden Mittel anwenden, um das geiteckte
ziel 4zu errcichen.
beiterschaft!“ Das wird auch in den beiden anderen
Urtiteln verlaugt. Sie heben auch mit Rachdruck her⸗
por, daßz ein Kohlen⸗-Preisabbau unter deinen Um⸗
tänden auf Kosten der Bergarbeiterlöhne erfolgen
rürfe, da er auch ohne dem möglich sei.
Zas ist alles gut und schön. Wir erklennen auch an,
zah die Kresse bemüht ist, für die Bexgleute eine Lanze
zu brechen. Aber — Vorsicht ist doch am Platze. Die
Kreise nämlich, die hinter dem Rufse Kohlen-Preis—
abbau stehen, wollen beides zugleich: Kohlen⸗
RPreisabbau un d Lohnabbau. Wir kennen die Kreise
— indust rielle — kennen ihre Metheden und ihre bis⸗
her nunternommenen Schritte. RNach außen tun die
Herrichaften so, als ob sie keinen Lohnabbau wollten
— und hintenherumbetreiben sie ihn
mitaller Kraft. Einer raunt dem andern zu:
„Hannemaunn, geh du voran! Du hast die längsten
Stiebeln an ...“ Das ist die Methode des Versteckens.
nach der auch der bekannte Dies arbeitete, der bei
einer Verfolgung schrie: „ßaltet den Dieb!“
Bei solcher Sachlage heitzt es für uns: Aufgepußt!
die wirtschaftliche Lage der Bergleute ist doch so, daß
ie ohne vorherige fühlbare Senkung der Preise für
alle Lebens- und Bedarfsartikel einen Lohnabbau
nicht tragen können. Wie schlimm die Inflation der
dergangenen Zeit in den Haushalten der Bergleute
wirkte, zeigt der erste Blick, den man da mal hinein«
wirft. Und daum zeigt die Teuerungsziffer eine Ueine
Sentung, da redet man nicht nur von einem Lohn⸗
abbau, sondern man betreibt ihn mit allen Mitteln.
Das tun in erster Linie noch Kreise, die nie zu Lurz
amen und dommen — erinnert sei nur an die Zoll⸗
tundungen —. Die Bergwerlsdirettion wäre wirktlich
chlecht beraten, wenn sie der „ßFannemann“ sein
vollte. Wir wollen hoffen, daß sie gleich uns der festen
Auffassung ist, daß an den Bergarbeiterlöhnen nicht
zerüttelt werden kunn. Eine solche Auffassung frommt
heiden Teilen: Berawerssdireltion und Verqurbeiter⸗
ichaft.
*
Zwei Worte schmirren mit hartnückiger Beitändig—
eit:
Kohlenpreisabbau — Lohnabbau.
in der einen Jeitung wird unter der Lleberijchrift
Alarm“ ein Kohlenpreisabbau verlangt, in der
inderen unter „Wirtschaft, Horatio!“ Eine dritte
äßt jich aus „Raris“ melden: „Vor einer Herabsetzung
er Saarkohlenpreise“. Der letzte Artikel ingt aus:
Kohlenpreis-Abbau — gut! Aber nicht auf Kosten
er ohnehin schon schlecht genug entlohnten Beraar—
Kampf um die Ssziglbvericherung
Die Sozialversicherung wird heute wieder sehr unt—
ritten. Wirtschaftler und Wissenschaftler suchen
nachzuweisen“, daß sie von zweifachem Uebel wäre.
zie „belaste“ die Wirtschaft zu stark und nähme dem
rbeiter die Eigesnpflicht vorweg, selb st für sich
zu sorgen. In der ganzen Unternehmerpresse finden
vir ja auch seit geraumer Zeit immer wieder das
Wort von der „Sozial hast“, die auf die Wirtschaf!
rücke und die Konkurrenzfähigkeit in Frage stelle. —
Diese Erscheinung darf die Arbeiterschaft nicht
zleichgültig hinnehmen. Es gibt sehr viele Menschen,
ie allein schon deshalb, daß „Wissenschaftler“ diese
Auffassung vertreten und verbreiten, sie als bare
iinze annehnten. Sie tuten dann auch in dasselbe
»orn. So verbreiten die schiefen Meinungen sich
mmer nmiehr und jtiften viel Unheil. Es setzt sich die
luffassung fest, die Arbeiterschaft bekäme auf Kosten
der Wirtschaft und der übrigen Bevölkerung eine
Extrawurft gebraten. Will die Arbeiterschaft unlieb—
amen Ueberraschungen vorbeugen, dann muß sie
ieser schiesen Meinungsausbreitung entigegenwirken.
darüber hinaus muß sie darauf achten. daß sie
mmer stark genug bleibt, um alle Versuche abzu—
vehren, die auf eine Schmälerung oder Beseitigune
der Sorzialyersicherung hinausslaufen
ustehen. Das Ergebnis seiner Arbeit — in Lohn aus
redrücht — müßtte so groß sein,. daß er sich jederzeit vor
ebensnot schüßken könnte Hahen wir diesen Wistand“
Nein!
Es ist doch so, daß die breite Arbeiterschicht mehr
deun je von der „Hand in den Mund“ leben muß.
Besteht nun die Aussicht oder auch nur der Wille,
ziesen Zustand zu beseitigen? Will man dem Arbeiter
den Lohn geben, der ihm die Möglichkeit bietet, sich
den Wechselfällen des Lebens gegenüber ausrteichend
u rüsten? Die Fragen aufwerfen, heißt sie verneinen
Wir müssen an der Sozialversicherung festhal⸗—
ten. Allein das Gebot der Rächstenliebe verpflichtet
dazu. Die Menschen, deren Arbeitsertrag nur kärglich
zur Bestreitung der NLaufenden Lebensunterhal—
ung austeicht, dürfen in Tagen der Krankheit, der
Arbeitslosigkeit, der Erwerbsunfähigkeit und des
Alters nicht kläglich zugrunde gehen. Das Volksganze,
der Staat., muß auf gesetzgeberischem Wege Vorsorgre
reffen, daß die Venschen, deren Arbeitsertrag nicht
zum Alleinsorgen für alle Wechselfälle des Lebens
ausreicht, nicht zugrunde gehen, wenn die Arbeits.
nöglichkeit wegfällt. Dazu wurde die Sozialversiche—
rung unter mühevollen Kämpfen geschaffen. Die
Parole darf nicht lauten: Hinweg mit der Sozialver—
iche ruug!, sondern sie munß lauten:
Weiterer Ausban der Sozialversicheruug!
Vor allem muß für einen weiteren Ausbau der Lei—
tungen eingetreten werden Sie müssen so bemessen
verden, daß sie auch wirilich vor Not schützen.
So müssen wir denn als Arbeiter den Kampi auf—
ehmen gegen die Auffassung. die immer von sozialen
Lasten“ spricht. Die ständige Betoönung des Worles
Lasten“ soll die Sozialversicherung in Maßkredit
ringen Es soll damift die Meiisnng nerdichtet wer
Die Sozialversicherung hat zur Aufgabe, die Ar
neiter zu versorgen in Tagen der Krantheit, der Ar—
eitslosigkeit, der Erwerbzunfähigkeit, der Erwerbs
»eschränkung und des Alters. Sie macht beim Ar—
eiter nicht halt, sondern erstreckt sich auch auf seine
Familienangehörigen. Wollte man nun die Sozial—
ꝛersicherung beseitigen, dann miißte dazu doch die Vor
edingung geschaffen sein. Die Vorbedingung wäre
aß der Lohn so hoch bemessen sein müßte, daß
in Arbeiter so große Rücklagen machen könnte, um
frten Wechselfällen des Lebens gegenüher gerüstelt da—