Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

NUNummer 5 
Saarbrücken, den 29. Januar 1927 
Sahrgang 
5368 J 31 —— 9 53J5 3416 133636 
— 
Organ des Gewervereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Tdeiat seden Samstag für die Miglieder gratis. — 
Preis für die Jahlstellenabonnenlen 5.— It. monatl. obne 
Botenlohn, für die Postabonnenten 15,— Fi. vlertelläbri 
* —— SB— — Gα 
Geschäftsstelie des SaarBergknappen“: Saarbrücken 2. 
St. Johanner Straße 40. — Ferosprech Anichluß: Ambt 
Saarbisdren, Nummer 1530, 20062, 2003, 3194. 
Erkennen — Wollen — Hundein 
Einige Bemerkungen 
Die Zahl der Menschen aus anderen Volksschichten, 
ꝛie sich aus innerster Seele auch dem körperlich arbei⸗— 
enden Menschen verbunden und verpflichtet fühlen 
die dessen heizes Streben nuch Luft und Sonne mit 
janzer Hingabe unterstützen und fördern und ihm 
zeistiger Nährvater sind, ist nicht groß. Zur Zahl 
zeret, die aus innerster Bereitschaft heraus schon seit 
dahrzehnten der Arbeiterschaft und deren Bewegung 
uneigennützig dienen, gehört vor allen Prälat Dr. 
August Pleper, der einige Jahrzehnte hindurch dem 
Volksverein für das katholische Deutschland als Direk⸗ 
tor vorstand und auf ein Lebenswerk zurückblicken 
ann, das eine wahrhaft soziale Rote und eine tiefe 
ziebe zum arbeitenden Volke widerspiegelt. Sein 
eißes Vemühen geht dahin, durch Wort und Schrift 
dem arbeitenden Menschen und den anderen Volks— 
schichten den tieferen Sinn der Arbeiterbewegung 
aufzuschließen und nahe zu bringen. Aus einer reinen 
Arbetterbewegung sollen nach seinen Zielweisungen 
ie Arbeiter zu einen Stande emporwächsen, der 
ruf allen Lebensgebieten — dem politischen, wiri 
chaftlichen und kulturellen — gleichberechtigt und 
aleichwertig neben den anderen Ständen und diesen 
viederum verbunden und verpflichtet, lebt und wirkt 
Diesem Großzziele dienen auch zwei seiner neuesten 
S„chriften: „Kapitalismus und Sozialismus ale 
eelische Pronleme“ und „Verussacdante und Berufs 
tand im Wirtschafisleben.“ 
Die beiden Schriften wurden auch in einer soziali 
uischen Jeitschrift, der „Fulernationalen Revue für 
Sozialisuus und Politik“, von Richard Seidel be 
arochen. Die Besprechung zeigt eine solch' schnoddrige 
Urt, daß der Schriftsteller Dr. Unton Heinen sich ver 
aulaßzt sah, in der Zeitschrift „Deutsche Arbeit 
Nrt. u1927) dem Rezensenten Seidel eine Antwort 
u geben in Form eines „Offenen Briefes“ an den 
Schriftleiter der internationglen sozialistischen Revue 
die sich „gewaschen“ hat. Diese Untwort wird der vor 
laute Rezensjent sich gewiß nicht hinter den Spiegel 
stecken. In iht sind aber Sätze enthalten, die wir chrisi— 
ichen Arbeiter uns unbedingt einprägen mijsssen, weil 
ie uns in aller Kürze das hohe Ziel und denm tieferen 
Sinn unserer christlichen Gewerkschaflshewegung er 
chlieisen. Es heißt da u. a. 
„Für Pieper ist der Sinn der Arbeiterbewegung 
ie Freihbeit des Arbeiterstandes, dah. 
nicht in lekter Hinsicht mehr Lohn und weniger Ar— 
deitszeit, sondern die wirtliche Freiheit der Mit 
dest immung und itverantwortung 
im wirtschaftlichen, politischen und tulturellen 
ehen. Deshalb sind ihm Arbeiterorganisottonen 
eiwas ganz auderes als gesäftliche Interessenver⸗ 
bünde, die immer vom JInstintte der Selbstsucht ge 
fragen sind. Es sollen Genossenschaften 
ein, in denen der herolsche Genossenschaftsgeist 
das: „Wir lassen einander nicht im Stich, wir sind 
als NMensitchen solidarisch miteinaunder verbunden“ 
die treibende Vlacht ijt. Vit dlesem Genossenschafts 
geiste verbindet sich die christliche Grundidee der 
Gottes- und Brudertiebe dergesialt, daß jener als 
don dieset überhöht und geistig geadelt erscheint.“ 
Erscheint uns die Gewerkschafisbewegung. wenn 
vir diese Sätze lesen und beherzigen, nicht in einem 
zanz anderen Licht? O wie ganz anders stünde die 
Arbeiterschaft da, wenn sie immer nach den Worten 
»andelte: 
Wir kassen etnander nicht im Stich, wir sind als! 
Atenschen salidariich niiteinander verbanden 
esonders in der leßten Hölite des Monats. Die 
dameradschaften bleiben infolgedessen im Lahne 
urück. Als die großen Gedingezeitel nach Monats— 
inde verteilt werden, ist darauf nur der Mindestlohn 
ermerkt. Darob große Enttäuschung und auch wohl 
zorn im Herzen. Aber — den Mut zur Beschwerde 
ringt kein Kameradschafisältester auf. Sie machen 
zule Fäuste in der Tasche und schimpfen auf die subal 
ernen Beamten wie Rohrspatzen — dort, wo es nie 
nand höri und keinem weh tut. Auf die Frage, 
warum sich keiner beschwert, erfolgt die vielsagende 
Antwort: „Sie sind sich nicht einig. einer hat Angst 
zor dem anderen.“ Und weil sie sich nicht einig waren, 
wurde für den folgenden Monat das Gedinge noch ge— 
zürzt. Alle haben das hingenommen, „weil sie sich 
richt einig sind und einer vor dem anderen Angit 
zat.“ — Ist das nicht traurig? Wo bleibt hier das 
hebot: „Wir lassen einander nicht im Stich!“ Fühlen 
ie Kameradjchafien sich in der rechten Weise als 
Henjchen und Gleichleidende verbunden?! Dabei 
verden oft in solchet Lage und bei solchem Handeln 
roch aroße Sprüche von „internattonalet 
Zolsdarität“ geklopft, und man bringt noch nicht mal 
oviel Solidaritätsgefühl auf, um sich in der kleinsten 
ind am nächsten liegenden Schidjalsgemeinschafit 
gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Wer den 
-zchaden davon hat, brauchen wir wohl nicht näher zu 
rtlären 
Sie verzagt gar bald. Vor der kleinsten Schwierigkeit 
apituliert sie. Daraus ziehen natürlich die anderen 
hren Rutzen. Sie sind eben selbstbewußter und 
zämpfen mit Zähigkeit und Beharrlichteit für die Er⸗ 
reichung ihres Zieles. Wann ziehen die Arbeiter 
daraus die notwendigen Schlußfolgerungen? Beach— 
ten wir. was Wilh. Elfes in der WAZ. (Mr. 3119027) 
als Schlußabjatz in einem Artitel „Arbeitervolk“ 
chreibt: 
Die Arbeitermassen sind das schaffende deutsche 
Volt. 
Diese Erkenatnis muß nicht nur in Deuischland. 
ie müßte vor allem einmal in den Arbeiter- 
nassenselbst lebendig werden. Denn wie viel 
»erzehrende Zweifeljucht und wie viel lähmender 
Zleinmut steckt noch in ihten Reihen. Sie zweifeln 
in sich und zweifeln an anderen und sind verzagt. 
Zie wissen eben nicht, was sie sind und was Je 
zedeuten. Diese Erkenntuls aber muß ihnen 
ommen, denn sie gibt ihnen stolzes Selbst-— 
»ewußtfseinundheroischen Willen. 
Die Arbeitermassen sind das deutsche Volk! Wenn 
ie einmal ihre Kraft erkennen. wenn sie einmal an 
ich glauben, dann formen sie die Welt nach ihrem 
tarken Willen. Denn nichts kann ihnen widet— 
stehen!“ 
Bedarf es nun noch vieler Worte, um unser Wollen 
ind Handeln zu erkennen? Ringe sich jeder zum Glau— 
hen an sich und seinen Stand durch, dann haben wir 
rewonnen. 
Es steikt allzuviel Kselnmut in der Arbeiterichaft 
* 
Uns den Muttergebiet der Kun misten und Gelhen 
u uet At isitil u 
Einige Vezirke glichen vorübergehend nur unoch einem 
gewerkschafthichen Trümmerfelde. 
Das war Wasser auf die Mühlen der Unternehmet 
VNeitfkeldeutschlands. Diese lachten sich ius Fäustchen 
aber die unfteiwillige Hilse detrt Kommumssten. Die 
Stchwmächung der gewerkschaftlichen Macht stärkte 
hnen das Rückgrat. Rücksichtsloser denn je wur— 
den die Arbeiter behandelt. Die Zwölfstunden schicht 
blieb, während sie im Kolner Gebset schon im Früh— 
ahr 1925 abgebaut wurde.“ 
Was lehrt uns diese Darstesllung? Daß unsere 
Zchlußfolgerung in dem angezogenen Artikel richtig 
st: die Kommunisten schüdigen durch ihr Wirken die 
Arbeiterschaft. Die Spuren ihrer Tätigkeit sind Jer⸗ 
ctzung, Vernichtung des Glaubens in die Wirkungs— 
kraft der Gewerkschaften, woraus dann die bitteren 
Folgen wachsen, unter denen die mitteldeutiche Bera— 
arbetterschaft nun zu leiden hat. 
Aber noch etwas onderes hat das Wirlen der 
Kommunisten im 8 ein Aufblührn der gelben 
Vecein igungen. die heute unter dem einschmricheln 
den und irreführenden Ramen „Wertksgemeinschaf⸗ 
ten“ ihr Leben fristen und die „Gnade des Unter⸗ 
nehmertums“ sich zu erwerben suchen. Die irre⸗ 
geführten Paenrschen, denen der Glarbe an die Ge⸗ 
werkichaftsbewegung verekelt wurde, werden so etne 
Schuhtruppe des Unternebmertums. Wie das Undber« 
nehmertum sie aber achtet und einschätzt, lehrt klat 
dessen Verhalten in der Arbeitsgeitfrage. Das Unter⸗ 
nehmertum geht sogar sowelt, in der Presse zu be— 
eichten, „auch heute noch set die große Vehrhett der 
Arbeitnehmerschaft für Vetbehaltung der gegenwät— 
tigen Arbeitszeit.“ (Kölnische Zeitung vom 30. Dez. 
1926.7 Mie solche, Vieinungen“ zustande kommen, 
wissen wit an der Saar ja aus Erfahrung. Jie der 
Hüttenindustrie zumal ‚bluühte“ bls zum Kriegsende 
zie „gelbe Werksbewegung“. Wenn der Unterneumer 
rief, marichterten die atmen Arbeiter, die ihr Koall⸗ 
lonsrechts etnes Linsenmuses wegen verkauft hatten, 
zu Paradeveranstaltungen auf, bei denen dann auch 
Be'chlüsse“ gefaßt wurden — die allerdings der 
Unternehmer aufgefetzt batte nach seinem Gutdünken. 
Als dann die Revolution“ kam, erwies sich das 
zamze gelbe Gebäude als faul. Es beruhte sa nicht 
r— ta nnn dem freien Entschluß 
Vor einiger Zeit wiesen wirt auf das arbeiter— 
häadtgende Wirken der Kommunisten hin. Dabe 
Irwiejen wir auch auf die in Mitteldeutschland herr 
chenden Verhältnisse und hoben hervor, daß dort mi, 
ie längste Arbeitszeit bestände. Tatsächlich besteh 
in mitteldertichen Braunkohlengebiet die Zwölf— 
Ziundenschicht. Im Rheintichen Braunkohlengeb!et 
do unser Gewerkderein einen statken Einfluß besitzt 
ist es in zähem Ringen gelungen, die vorübergehendt 
ngefühtle Zwölfstundemschicht wieder zu kürzen. In 
HNcttteldeutschland führen die Gewerkschaften natür 
lich auch einen scharsen Kantpf gegen die unerhöti 
ange Arbeltszeit, die den Urbeiter zum richtigen 
Arbeltstier herabgewürdigt. Ein Erjsolg blieb bisher 
zersagt. 
Beider Untersuchung der Ftage, wer schuld an 
iesem PMißerfolg ist, kontiint unfer Essener „Bera 
nappe“ zu folgendem Ergebnis: 
„PMirteldeutichland gehört zum „Mutterlaud“ der 
delben Werksgeneinschaften (den „Liebkindern“ der 
Dentiihhen Bregwettszetlung“ uind anderet Unter— 
Achmerergane. D. Red.). In den letzten Jahren 
wurde die gelbe Bewegung von einem Teil der 
Braunkohlenindustrirüen und ihren Trabanten mit 
ꝛUlen Mitteln hochgepäppelt. Manche Arbeiter waren 
dumm genug. den ge!ben Sitenengesüngen zu 
plauben. Statt sich auf ihre eigene Kraft in der ge— 
werkschüftlichen Organtjation zu besinnen, hofften sie 
zuf „fretwillige Zugeständnisse“ der Unternehmer 
Sie sind aber btter euttäuscht wotden. Die Werts 
gemeinschaft brachte ihnen weder tarifliche Lohn 
rhöhungen noch eine Vertürzung der unmenichlidh 
angen Zwölfstundenschicht. 
Aber nicht nur die Werksgemeinschuften 8 an 
der Tragödie in Mitteldeutichland schuld. Die 
Kommunisten haben sehr viel zur Zerstörung 
ver gewerkschuüftlichet Macht getan. Ihre frivole« 
Hetze gegen die Gewerkschaften umd ihre Führer trieb 
biele Wiitglieder aus den Gewerkschaften heraus. 
Vornehmlich in den fresen Gewerkschaften konnten 
ije thr gewerkschaftsfeindilches Spiel treiben. Da im 
Zerabau Vitteidrurschiänds die soziallstische Ar— 
eiterbewegung steits von ausschloggebender Vedeu— 
na war, blieb dieser „Brudertampf“ nicht ohne 
intrtirna aasf de fron nr chnfiäheonuna 
In einem Bremsbetge artbeiten elf Kameradschaf— 
en. Das Gedinge ist so gestellt, daß der zustehendr 
Lahn verdient werden könnte. Aber die Förderung 
traßptenicht. Eg fommen nicht genug Uoaen hFeran
	        
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