Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

Nummer 21 
G_ιν, den 80. Juli 190 
T Sohrgang 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Erscheint jeden —* u F —2 7 Far wirtschaftliche u. geistige Hebung eeee — 
D snn dh hlesanennenien aede des Bergarbeiterstandes et en —S 5 e ee a⸗ 
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Gewerkschuftlicher Idelismus 
In der Nummer 49 des Jahrganges 1922 brachter 
wir einen Artikel „Mehr Beharrlichkeit“, der dar— 
legte, was unter Idealismus zu verstehen ist und 
welche Krüfteentfaltung zu verzeichnen sein muß 
wenn wahrer Idealismus Menschen beseelt. Die 
hauptgedanken dieses Artitels sind es wert, unserer 
Ditgliedern in die Erinnerung zurückgerufen zr 
werden. Die heutigen Geschehnisse auf gewerlschaft 
lichem Gebiete zeigen uns, daß gar viele es nich 
mehr wissen, welcher Geist einen Gewerischaftler alle 
zeit beseelen muß. Außerdem dürfie es nützlich sein 
den neu aufgenommenen Kameraden von vornhereit 
tlar zu zeigen, worauf es in unserer Gewerkschafts 
bewegung ankommt. Lassen sie sich ven den Gedanken 
des AÄrtilels ganz durchdringen, dann werden iie de 
sfsewertverein nie verlasßen 
In der Gewerkschaftsbewegung klingen uns sehr of 
die Worte Idealismus, Ueberzeugung und Opfersin: 
entgegen. Wohl wenige Gewerkschaftsvrersammlunge 
bergehen, wo man diese Worte nicht hörte. Wa 
darunter zu verstehen ist, muß daher jedem Gewerk 
vereinsmitglied klar sein. Ebenso muß allen klar sein 
dahß es leine Gewerkschaftsbewegung gäbe, wenn nich 
hoher Idealismus die Gründer beseelt und die Ver— 
trauensmänner der Bewegung zu steter, nie er 
nüdender. opservoller Werbearbeit angespornt hätte 
Ein Ideal besteht in der Vorstellung, ist also nod 
aicht Wirklichteit. Unter Ideal ist demnach ein Jie! 
zu verstehen, das noch der Verwirklichung harrt. Um 
diesem Ideal möglichst nahe zu kommen, denn gan? 
wird es sich oft nicht erreichen lassen, müssen Krüfte 
entfaltet werden, die darauf hinarbeiten. Idealis 
mus selbst ist eine seelische Kraft. Sie hält an dem 
jür richtig erkannten Ziele seit und ĩucht es zu ver 
wirklichen. 
Von der Richtigkeit des Ideals muß man natürlich 
uͤberzeugt sein. Dann bringt man auch die Kraft auf 
um im Interesse der Zielerreichung die notwendiger 
Opfer zu bringen. So löst dann eine Kraft die 
andere aus. Je mehr Menschen man für ein Ideal 
gewinnen kann, um so größer wird die Geĩomtkraĩt 
die der Zielerreichung dient. 
Menschen, die gar kein Ziel (kein Ideal) haben 
haben auch keine Ueberzeugung und bringen freiwillig 
auch kein Opfer für ein Ziel. Es sehlt ihnen halt die 
Untriebskraft, der gläubige Idealismus, der Ueber 
zeugung gebiert und zu freiwilliger Opiertätigkei 
anspornt. 
Unsere christliche Gewerkichaftsbewegung dieunt nur 
der Erreichung eines großen Zieles, der Verwirk— 
lichung eines hehren Ideals. Sie will den Arbeite 
als gleichgeachteten und gleichberechtigten Menschen 
in Staat und Wirtschaft zur Geltung bringen; er sol 
in der Wirtschaft nicht Sktlave und im Staate nich 
tote Nummer sein, sondern gleichberechtigtes Mit— 
glied der Wirtschafts⸗ und Volksgemeinschaft. Das ist, 
auf eine kurze Formel gebracht, das Hoheziel unserer 
christlichen Gewerkschaftsbewegung. Es ist das 
Ideal, das in der Vorstellung der Gründer unseren 
Bewegung lebte und sie zu Taten anspornte; es ist 
das Ideal, das alle eifrigen Mitglieder immer wieder 
bewegt, auch den Berufs⸗ und Schicksalsgefährten von 
jeiner Richtigkeit zu überzeugen, damit auch in ihm 
die Kraft zum Opferbringen für die heilige Sache 
austelöst werde; es ist das Ideal, von dem alle Mit— 
zieder unserer Bewegung überzeugt werden müssen, 
damit sie auch die Tugenden üben, auf die es in dem 
Kingen um Anerkennung und Gleichberechtigung an—⸗ 
umt, die Tugenden Hingabe und Beharrlichkeit. 
das von unserer Bewegung erstrebte Ideal hat 
bear anderen den grotzen Vorzug. daß seine Verwirk⸗ 
tichung auch mödalich int. Ratärlich Ukt die Verwirt-⸗ 
lichung sich nur schrittweise erreichen. Es ist halt 
unm öglich, die Sterne in einer Nacht vom Himmel 
zu holen. Eine Unmenge von Nebenuaufgaben muh 
erfüllt werden, die in der Richtung auf das Haupt⸗ 
ziel laufen: Hebung der matetiellen Lage, Regelung 
der Arbeitszeit zur Verhütung frühzeitigen Ver— 
brauchs der Arbeitskraft, Pflege und Förderung des 
geistigen Fortschritts zur Bewältigung aller heran 
tretenden Aufgaben, Erweiterung und Festigung der 
rechtlichen Stellung des Arbeiters in der Wirtschafit 
und im Siaate — alles Teilgebiete, die bearbeiten 
werden müssen, weil sie die notwendige Voraus 
setzung des Hauptzieles, ia sogar wichtige Teile da 
von sind. 
Die Gegenseite stellt natürlich der Araft der Ar 
beiter ihre Kraft entgegen. So kann es zum Still— 
tand, ja zum Rückschlag kommen. In solcher Zeit dari 
ansere Mitglieder keine Mutlosigkeit erfassen. Nur 
Keharrlichkeit führt zum Ziel. Die Beharrlichkeit der 
Gegenjeite, die immer wieder vorst öhzt, muß durch eine 
noch arößzere Beharrlichkeit der Arbeiter überbaten 
werden. Es handelt sich hier halt um eine hohe 
Tugend. Unsere Vorkämpfer in der christlichen Ge⸗ 
wertschaftsbewegung übten sie. Sie hatten weit 
chlimmere Schwierigleiten zu überwinden als wir. 
Trotzdem hielten sie wacker stand, obschon viele die 
klare Erkenntnis hatten, daß sie ins Grab sinken, 
ohne auch nur einen Teilerfolg zu erleben. Die Ueber⸗ 
zeugung von der Richtigkeit des Ideals bewog sie, in 
dem begonnenen sittlichen Wollen und Handeln aus⸗ 
zuhalten. Ihre Beharrlichkeit, ihr Opferwillen und 
ihre uneigennützige Hingabe an die große Sache er⸗ 
möglichten uns erst die Erreichung manchen Teil⸗ 
zieles, das ihnen leider unerreichbar blieb. So muhj 
ruch das Ringen und Streben der heutigen Gewerl— 
chaftsgeneration von einem starken Idealismus ge⸗ 
trieben, mit Opferkraft gesegnet und mit Beharrlich⸗ 
keit weiteren Erfolgen entgegengesührt werden. Dann 
werden zeitliche Rückschläge und Schwierigkeiten zu 
keiner Schwächung der Gewerkschaftsbewegung führen, 
zann wird der Aufstieg der Arbeiterschaft sicher fori⸗ 
chreiten. 
Igp oma 
S —— 
Griticher Bergarbeiter zur Lage 
1 Griicer Bersseer zur La 
Ausschüssen mitwirken zu können. Reicher Beifall 
lohnte den Redner für seine Ausführungen, aus 
denen jeder die Ueberzeugung mit heim nahm, daß 
ie im Abgeordneten Hoimann einen wahren Freund 
hätten. 
Nachdem Kuhnen dem Redner nochmals im Namen 
der christlichen Bergarbeiter für seine Tätigkeit ge— 
dankt hatte, gab er anschließend einen 
Ueberblick über die Lage im Saarbergbau. 
Rationalisierung sei das Schlagwort der Verwaltung. 
Hunderte von Bergleuten seien in der “ Zeit 
entlassen worden. Aus diesem Anlaß hätten die Berg⸗ 
arbeiterorganisationen eine Aussprache mit dem 
Generaldirektor Defline verlangt, die am 16. Juli 
itattgefunden habe. Die Bergarbeitervertreter hät⸗ 
en die Stimmung der Bergleute, die infolge des 
Ldohnabbaues, der Feierschichten und der vielen Kün— 
digungen äußerst schlecht sei, der Direktion geschildert 
und verlangt, daß mit den Kündigungen Schluß ge⸗ 
macht werden müsse. Der Generaldirektor habe er—⸗ 
klärt, daß die Lage äußerst schlecht sei. Die Saar—⸗ 
örderung, gemessen an der Förderung in England 
und Deutschland, sei zu schlecht. Die Saarkohle daan 
nicht konkurrieren. Der Absatz sei nicht genügend. Die 
Belegschaftsziffer sei zu hoch und sehe ich die Ver— 
waltung gezwungen, 
noch tausende von Bergleuten abzubauen. 
Wolle die Saarkohle die Konkurrenz aufnehmen. 
müsse die Förderung noch gesteigert werden. — Wir 
verwiesen darauf, daß mit diesen brutalen Mitteln 
der Ablegung, die Förderung zurück statt aufwärts⸗ 
gehen würde. Doch die Verwalktung bestand auf wei— 
terem Abbau der Belegschaft. Wir werden uns jetzt 
an die Regierung wenden und der neue Präsident 
hat jetzt Gelegenheit, sich die Sporen im Saargebiet 
zu verdienen. Diese kurzsichtige Politik der Verwal⸗ 
iung werden wir mit aller Entschiedenheit zu be—⸗ 
kämpfen suchen. Schon seit 1920 hat der Gewerkver⸗ 
ein die Grubenverwaltung vor Ueberlegung der 
Bruben gewarnt, sie auf Dinge 7 die 
kommen mußten. Doch die Verwaltung hat uns 
nie gehört, sondern eine Kurzsichtigkest an den Tog 
gelegt, die ihres Gleichen sucht. Jeder weiß, daß die 
Arbeitslosenunterstützungssätze äußerst gering sud 
Denjenigen Bergleuten, die nicht organisiert sind ub 
folgedessen keine Unterstützungen von den Gewerk—⸗ 
schaften erhalten, geht es äußerst dreckig. 
Kameraden, wir müssen unsere ganze Kraft für die 
nächste Zeit zusammennehmen, um die geplanten 
Maßnahmen der Grubenverwaltung abzuwehren 
Betreffs der 
sozialen Gesetzgebung 
schweben augenblicklich zwischen den beteiligten Ne⸗ 
nerunasstellen Verbandlungen in Berlin lo dak not 
Der Gewertverein christlicher Berßarbeiter hatte 
am 17. Juli seine Funktionäre, Bezirksvertrauens 
männer, Versammlungsredner und Generalversamm 
lungsdelegierten zu einer Konferenz im Johannisho 
zu Saarbrücken zusammengerufen, um zur Lage Stel 
lung zu nehmen. Der rote Saal war überfüllt, al— 
Kuhnen um 10 Uhr die Konferenz eröffnete und die 
Delegierten willkommen hieß. Besonders herzglich be 
grüßie er den Abgeordneten Hofmann-Ludwigs 
hafen, der erschienen war, um über die Saargänger— 
zulage zu berichten. Der Vorsitzende der Konferen; 
zedachte der beiden im Laufe des Jahres verstorbener 
Heneralversammlungsdelegierten Blank und Kelke! 
und machte auch Mitteilung von dem Ableben dee 
Sanitätsrats Dr. Jordans, der sich stets als eir 
Freund der christlichen Bergarbeiterbewegung er 
wiesen habe. Zu Ehren der Verstorbenen ethoben sid 
die Versammelten von ihren Sitzen. Reichstagsab 
geordneter Hofmann gab ein anschauliches Bild über 
das Zustandekommen der Saargängerzulage. 
Auf Anregung von Vertretern des Gewerkvereins se 
die Zulage in der Inflationszeit des Franken zu 
tande gekommen. Bereits im Winter, als sich der 
Franken gebessert habe, hätte die Reichsregierung der 
Wegfall der Unterstützung geplant, doch hätte er sich 
mit andern Abgeordneten des besetzten Gebietes für 
die Weiterzahlung eingesetzt. Im Frühjahr hätte die 
Regierung einen neuen Vorstoß gewagt, der ebenfalls 
abgeschlagen worden sei. Jetzt im Sommer sei die 
Reichsregierung, nachdem die Länderregierungen die 
Weiterzahlung der Unterstützung abgelehnt hätten 
diesem Beschluß beigetreten. Er habe sich mit aller 
Entschiedenheit mit seinen Kollegen für die Weiter 
zahlung eingesetzt. Die Regierung hätte davon nicht 
wissen wollen. Im Reichstag wäre der Antrag ein 
zebracht worden, dann wenigstens die Eisenbahn 
fahrt, die höher wie die Barunterstützung sei, zu be 
zahlen und dieser Antrag sei einstimmig angenom 
men worden. Der jetzigen Reichsregierung allein der 
Vorwurf für den Abbau der Unterstützungen zi 
machen, sei unrecht, denn es sei Tatsache, daß zunächs 
die Länderregierungen einschließlich Preußen 
den Abbau beschlossen hätten. Reichstagsabgeordnete; 
Hofmann erkennt dankbar an, daß gerade die christ 
sichen Gewerkschaäften ihm immer wieder gutes stich 
saltiges Material über die Not der Saargänger und 
Bewohner des Saargebietes geliefert hätten, er kenne 
ia das Gebiet — wo er geboren sei — aus eigenen 
Anschauung, doch das gute Material der christlicher 
Gewerkschaften sei zur Orientierung sehr wesentlichk 
jewesen und er werde sich in der Zukunft genau wit 
in der Vergangenheit der Interessen der besetzten Ge 
biete und der des Saargebieres besonders annehmen 
Asa Nondsmann lei er froh, in den verchiedenstor
	        
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