Full text: Der Saarbergknappe (8 [1927])

Seite 4 
Sache ihren Wert verloren hätte. In der Industrie— 
kommission standen die Kartell- und Rationalisie 
rungsfragen sowie der Ausbau der internationalen 
Wirtschaftsstatistik auf der Tagesordnung. Hier 
drang die deutsch-englische Auffassung durch, nämlich, 
daß nicht das Primäre im Wirtschaftsverkehr der 
Völker miteinander die Industriekartelle sind, son 
dern ordnungsmäßige und langfristige Handelsver 
träge, in denen das Recht der Veistbegünstigung voll 
kommen anerkannt und durchgeführt ist. Die Kon 
trolle der Kartelle soll Sache der einzelnen Länder 
sein. Die internationalen Kartelle sollen sich be 
Streitigkeiten einem internationalen Schiedsgerichts— 
verfahren unterwerfen. Sowohl die Kartelle als auch 
die Rationalisierung sind nur dann anzuerkennen 
wenn sie den technischen Fortschritt fördern, die Preise 
verbilligen, die Warenqualität verbessern und den 
Lebensstandard des ganzen Volkes heben. Eine Ver— 
einheitlichung der Weltwirtschaftsstatistik und ge— 
nauere Feststellungen werden dringend empfohlen 
um den ungeheuren Spekulationen zu begegnen, die 
. B. infolge mangelnder Feststellung der Warenbe 
—8 usw. immer wiederkehren. Ueber die Problemé 
der Verschuldung, der Reparationen und der Wan 
derung sollte nicht geredet werden. Natürlich geschabt 
es doch des öfteren, und zwar in sehr kritischem 
Sinne. Sicherlich werden diese immer mehr aku— 
werdenden Fragen die nächste Konferenz, die sicher. 
lich wieder vom Völkerbund einberufen werden wird 
beschäftigen müssen. Denn es wird sich schon in der 
nächsten Zeit herausstellen, daß eine Aenderung des 
Dawesplanes und der europäischen Schuldenregelung 
iberhaupt stattfinden muß. Und daß schließlich auch 
das Bevölkerungsproblem gelöst werden muß Die 
aus der Konferenz heraus empfohlenen, sofort in 
Angriff zu nehmenden Arbeiten soll ein Wirtschafts 
komitee beim Völkerbund, der ähnlich wie der vor 
bereitende Ausschuß der Konferenz zusammengesetz! 
sein soll, auf sich nehmen. Die kleine Arbeitergruppe 
der Vierhundert-Mann-Konferenz, die einige zwanzig 
Mitglieder zählte, war sehr rührig und machte ihren 
Einfluß nach Möglichkeit geltend. 
Die christlichen Gewerkschaften siellten 
in der Weltwirtschaftskonferenz zehn Sachverständige 
die sowohl in den Kommissionen als auch im Plenum 
die weltwirtschaftlichen Forderungen des Internatio 
nalen Bundes der christlichen Gewerkschaften ver 
traten. Die deutsche und außerdeutsche Presse schenkt 
den Erklärungen und Reden der christlichen Arbeit 
nehmervertreter größte Beachtung, und manche ihrer 
Formulierungen sind glatt in den Resolutionen auf— 
genommen worden. Nun kommt natürlich alles auf 
die Durchführung der Empfehlungen der Konferen— 
an. Die hier festgestellten wirtschaftlichen Wahrheiter 
werden sich langsam. aher sicher durchsezen. F. B. 
Unfüͤlle im preußischen Verghan 
im ersten Viertel 1927 
Nach dem „Reichsanzeiger“ vom 4. Juni ereigneten sich 
m preutzijchen Geiamtheraban im ersten Viertel 1927 ar 
zusammen davon tödlich 
Unter Tage 28819 293 
Im Tagebau 1180 8 
Ueber Taae 5 536 39 
zusammen 1,1927 35 535 340 
zusammen IV/1926 34 151 335 
Wie die Aufstellung erkennen läßt, ist sowohl die Ge 
amtzahl der Unfälle wie auch die Zahl der tödlicher 
Unfälle gestiegen. 
Von vorstehend angegebenen Unfällen entfallen auf der 
Oberbergamtsbezirt Dortmund: 
i. Viertel 1927 22 069 215 
— 21 3309 231 
Wenn auch erfreulicherweise die Zahl det tödlichen Un 
fälle in diesem größten deutschen Bergbaugebiet eine 
Minderung erfuhr, so ist die Zahl der Gesamtunfälle doch 
weiter gestiegen. Die Zahlen zeigen uns, wie berechtigt 
die großen Anstrengungen der Vergarbeiterorganisationen 
sind, die auf eine Verminderung der Unfallgeigabren ab— 
zieset 
Arheitszeit- und Lohnkampf im Siegerlend 
Die Erzbergleute des Siegerlandes waren seit jeher 
nicht auf Rosen gebettet. Vesonders in der Nachtriegs— 
zeit ging es ihnen schon oft sehr schlecht. Viele Monate 
hindurch wurden sie von der Arbeitslosigkeit heimgesucht 
Ihre Löhne standen immer tief. Runmehr hat der Arbeit 
reeen zu einem neuen Schlage gegen sie ausgeholt 
tfordert eine Verlängerung der Arbeitszeit bei gleich— 
Litiger Ermäßigung der Löhne. Aus diesem 
tunde hat er das Lohn- und Arbeitszeitabkom— 
men gekündigt. In dem Begleitschreiben wird eine Ver— 
längerung der Arbeitszeit unter Tage auf zul Stunden 
für über Tage die Beibehaltung der 58stündigen Arbeits 
woche und eine siebenvrozentige Ermäiigaung der Tarif 
zöhne verlangt. 
Natürlich wehren sich die Bergarbeitetorganisationen 
gesen die Absicht der Unternehmer. Sie machen geltend 
aßß der Siegerländer Erzberghau mit Unterstützung des 
preußischen Staates und der organisierten Arbeiterschaft 
einen guten Aufstieg genommen habe. Die Forderung 
stiea von 77 175 Tonnen im April 1926 auf 176874 Ton— 
Der Saar⸗Beratknapper 
nen im Februar 1927. Neben der Förderung konnten auch 
vesentliche Vasnte der Haldenvorräte verkauft wer⸗ 
den. Trotz dieser günstigen Förder- und Absatzentwicklung 
blieben die Löhne der Bergleute sehr schlecht. Gegenüber 
dem letzten Viertel 1925 erfuhren ste sogat noch eine Kür— 
zung, wie die nachstehende Tabelle aus den amtlich er 
nitfelten Lohnzahlen mit Deuflichkeit dartut 
54 
* 
Wt. 
V 1925 24 
/ig26 7 
—II / 1926 27 
II/ I926 . 20 
V / 1926 6. 03 .4 6.07 5.36 
Die Lohnzahlen für das erste Viertel 1827 liegen noch 
nicht vor. Vorstehende Zahlen beweisen aber, daß die 
Untertnehmer erst im letzten Viertel 1926 sich dazu be— 
juemten, die Löhne aufzubessern, obschon die gute Kon 
sunktur ihnen ein früheres und größeres Entgegenkom 
nen ermöglicht hätte. Die Vergleute des Siegerlande— 
haben Recht, wenn sie sich gegen die geplanten Verschlech 
terungen mit aller Kraäft zur Wehr seken 
2 5 
p 
Aus dem Lothringer Kohßlengebiei 
Wie setzt sich die Belegichaft zusammen? 
Das bunteste Völkergemich dürfte wohl das Lothringer 
Tohlengebiet aufzuweisen haben. Nicht weniger als 2 
Nationen weist die Belegschaft der Gruben auf. Die Aus— 
länder überwiegen die Inländer. Eine Verschiebung zi 
ungunsten der Inländer wird sicher die in der Durchfüh 
runig begriffene Ausdehnung des lothringischen Bergbaue— 
noch bringen. Das bunte Vöolkergemisch ist natürlich eine! 
straffen gewerkschaftlichen Organisierung nicht günstig 
Umso größer ist die Pflicht der Deutschen und Franzosen 
sich durch —2 gewerkschaftlichen Zusammenschluß der 
notwendigen Einfluß im Arbeitsleben zu sichern. — Eir 
Bild über die bunte Zusammensetzung der Belegschaft der 
sothringischen Gruben gibt eine Zusammenstellung der 
Bergmannsfamilien in den drei großen Bergmannsorter 
Dterlenbach, Freimengen und Spittel. In diesen dre 
Orten wurden 22886 Bergarbeiter mit Familienange 
hörigen bei der letzten Volkszählung ermittelt. Sie ver 
teilen sich auf folgende Nationen: 
Merlenbach Freimengen Spittel zusamme 
3700 3000 3670 10370 
1087 1954 1124 3805 
o37 17 860 3945 
n 288 1106 
vr 2217 
819 
152 
175 
Franzosen 
—— 
Polen 
ztalienet 
Serben 
Tschechen 
Ungarn 
Desterreicher 
Belaier 
Russen 
Spanier 
Luͤxemburger 
Schweizer 
Rumänen 
Marokkaner 
Holländer 
Litauer 
Portugiesen 
Rordamerikaner 
Engländer 
Inländer 3700 
Ausländer 4283 
3000 10379 
5573 12516 
zusammen 7983 8573 6330 22 886 
Die Zahl der in Lothringen beschäftigten Deutschen is 
aatürlich weit größer. Vorstehend sind nur die angegeben 
die in Lothringen wohnen. Ein noch größerer Teil wohn 
m Saargebiet und den angarentienden Reichsdebieten 
Von den Arbeitsstätten 
der Kaweraden 
Grube Frankenholz. Die im Monat April verhängt« 
Hedingekürzung hat anscheinend vn so ausgewirkt, daß die 
Grube kaum den vereinbarten Durchschnitt erreichte. In 
der Abteilung 1 der alten Anlage blieb man erheblich 
unter dem Durchschnitt. Von Revier 7 der Anlage wer 
den folgende Gesamtlöhne mitgeteilt 
Flock Nr. 152 Gesamtlohn pro Schicht 36,22 Fr. 
Flock Nt. 153 Gesamtlohn pro Schicht 38.097 * 
Flock Nr. 154 Gesamtlohn pro Schicht 37,46 Fr. 
Flock Nt. 156 Gesamtlohn pro Schicht 37,41 Fr. 
ied Nr. 163 Gesamtlohn pro Schicht 37,40 Fr. 
—* Nr. 162 Gesamtlohn pro Schicht 33,22 Fr. 
Flock Nr. 161 Gesamtlohn pro Schicht 33,222 Fr. 
Trotz des großen Lohnunterschiedes hat der Verdienst den 
ariflichen Durchschnitt nicht erreicht. Da eine Reihe wei 
eter Steigerreviere ebenfalls an die Grenze kaum heran 
kommen, jedenfalls dieselbe nicht wesentlich üherschritte 
Purde ist die ohidge Annahme herechtiaö 
Grube Dilsburg. Arbeiterausschuß-Sitzuneç 
In der vorletzten Sitzung waren die Ansichten der Arbei 
erausschußmitglieder und der Grubenverwaltung har 
zufeinander geplatzt. Damals mußte die Sitzung abge 
brochen werden. Vor Eröffnung der letzten Sitzung ließen 
die Arbeiterausschußmitglieder der Nerwoltung iolgend— 
Trksãätung zugeben; 
Nummer 28 
—777 — — — — — 
„Die Arbeiterausschußmänner der Grube Dilsburg er— 
lauben sich, det Verwaltung der Grube nachstehendes zu 
unterbreiten: Wit sind von der Belegschaft als Sicher 
heitsmänner und Ausschußmitglieder gewählt worden und 
aut Gesetz die gesetzlichen Vertreter der Arbeiterschaft. 
Als solche sind wir verpflichtet, Streitfragen zwischen der 
Belegschaft einerseits und der Verwaltung anderseits zu 
schlichten. Diese Aufgabe kann aber nur dann gelöst wer— 
den, wenn Verwaltung und Arbeiterausschuß in loyaler 
Weise zusammenarbeiten. Wir lassen uns nicht von rein 
Wae oder patriotischen Gefühlen leiten, sondern von 
der großen Verantwortung der Belegschaft gegenüber. 
Wir sind der Auffassung, daß dies im beiderseitigen 
Interesse liegt. Als verantwortungsbewußte Arbeiler⸗ 
nertretung wird daher verlangt: 
1. daß wir als gesetzliche Arbeitervertretet jederzeit an— 
gehört und auch in Sitzungen uns frei aussprechen 
können und die Sitzungen nicht nach Willkür abge— 
brochen werden; 
die von uns vorgebrachten Wünsche und Beschwerden 
müssen mehr berücksichtigt werden; 
3. die Versprechungen, die uns seitens der Verwaltung 
gemacht werden, müssen auch innegehalten werden. 
Wir bedauern, daß seitens der Verwaltung in der Ver⸗ 
jzangenheit nicht immer der richtige Weg zut Verständi—⸗ 
zung gesucht wurde und bekunden erneut, daß wir jeder—⸗ 
jeit zu ehrlicher Arbeit bereit sind.“ 
Die Verwaltung versprach ihr Bestes zu tun, um eine 
gegenseitige Verständigung zukünftig zu erzielen. Als 
Tagesordnung waren in der eigentlichen Sitzung folgend⸗ 
Hunkte zu erledigen: 
1. Mißstände in der Badeanstalt. 
2 Wagenschmieren. 
3 Gezähetransport der 2. und 3. Sohle. 
1Gezähebelieferung und Transport. 
Instandsetzung des Grubenweges von Dilsburg i. act 
Zerschweiler. 
Oeffentliche Bekanntmachung der Löhne, 
Ausbau der Fahrradbude. 
Verabfolgung einer Abschrift des Protokolls von det 
Sitzung an die Ausschußmitglieder. 
Zu 1. Die » sollen beseitigt und ein Mann soll 
tändige Kontrolle ausüben, damit zukünftig die Uebel 
bain werden. Zu 2 wurde zugesägt, daß die Wagen 
besser geschmiert werden sollen. Zu 3. Die Wünsche der 
Kameräaden betr. des Gezähetransports zur 2. und 3. Sohle 
werden ebenfalls erfüllt. Zu 4 lehnt es die Grube ab, den 
Fußweg in Ordnung zu bringen. Ebenfalls verweigerte 
man die zu Punklus verlangte öffentliche Bekannt— 
machung der Löhne. Dem zu Punkt 6 geäußerten Wuncch, 
die Radfahrerbude zu erweitern, wird staltgegeben. Ab— 
—83 wurde dann fernerhin die unter 8 geforderte Ab— 
chrift des Protokolls der ieweiligen Ardeiterausschuß— 
itzungen. 
Man hätte erwarten können, daß die ee auch 
r unter Punkt 5, 6 und 8 angeführten Wünsche berüd— 
sichtiate 
2 
Grube Maybach. Ausschußsitzung am 1. Juni. Nach Er—⸗ 
öffnung der Sitzung schilderten die Sicherheitsmänner die 
allgemeine Lohnlage, um dann die Lohnverhältnisse in 
einzelnen Abteilungen näher zu kennzeichnen. Sie wiesen 
nach, daß es viele Kameradschaften gibt, die unter dem 
vereinbatten Gedingelohn von 10 Fr. verdienen. Die Ver— 
waltung erwiderte, daß auf der ganzen Anlage der Durch⸗ 
schnittslohn 10.83 Fr. betrage. Iht könne man keinen Vor— 
wurf machen, da einerseits schlechter Wille der Arbeiter (2) 
vorliege, andererseits eine gleiche Bezahlung nicht mög— 
lich sei. Die Angaben der Verwaltung wurden von den 
Sicherheitsmännetn energisch bestritten. — Ueber vor— 
zugswéise Behandlung von Schichtlöhnern über Tage will 
die Verwaltung mit dem zuständigen Ausschußmann eine 
Prüfung vornehmen. Wegen dem öfteren Erlöschen der 
—— Lampen, besonders Montiags, will die Ver— 
waltung eine Untersuchung vornehmen. Die Förderschalen 
sollen wasserdichte Bedachungen erhalten. Klagen über 
chlechtes Gezähe sollen geprüft werden. — Das Geld für 
die Wochenbeihilfe soll in Zukunft sosort nach Eingang von 
der Grubenbetriebstasse an die auswärts wohnenden 
Tameraden geschickt werden. Soweit wie möglich will die 
Verwaltung dafür sorgen, daß kinderreiche Familien frei 
werdende Grubenwohnungen erhalten. Die Pacht für ge— 
mietetes Grubenland soll zukünftig in drei Raten in Ab— 
zug kommen Die wegen Zugausfall am 16. Mai ver— 
otenen Schichten sollen ermitielt werden und die Frage 
einer Vergütung wohlwollend geprüft. Um das bestehende 
Pißtrauen gegen die Kaffeeküchenverwaltung zu beheben. 
wird dem Ausschuß zugesagt, daß er jederzeit Einsicht in 
die Geschäftsbücher nehmen kann. 
Mathildeschacht. Am 8. Juni fand in Abteilung 23 die 
Wahl bes Sicherheitsmannes statt. Es erhielten Stim— 
men: der Gewerkvereinskandidat Matthias Pohl 69 und 
vr Morßandskoöondidot 31 WVobl ist somit ogewählt 
Tauschmann sucht Hauer Johann Kiefer aus Pütt— 
ingen, Marktstraäße, zut Verlegung von Grube Anna— 
chacht nach Viktoria. Meldungen beim Kameraden oder 
dem Vorsitenden Peter Konrad, Püttlingen, Bahnhof— 
traßze. — Ferner Hauer Johann Groß, Heusweilet 
IAltngerstraße 5, zur Verlegung von Grube Dilsburg nach 
Kon der Hehydt. Meldunag heim Kameraden oder Rezirks; 
ziira Soorbrückoen 
Bekanntmachung 
QA 
ist in dieser Woche fällig. 
Für die Redaktion verantwortlich: P. Kiefer. 
Verl. des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands 
Druck: Soarbrücfer Pruckexel und Verlaa A 6G.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.