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schlechterungen nicht mehr hinnehmen und es enn
wickelten sich
Wirtschaftskämpfe von gewaltigem Ausmaße,
die man vordem nie gekannt hatte. Wochen- und
nonatelang wurden Abwehrstreits geführt, die die
kKampfestraft der Arbeiterschaft bis zum äußersten
erschopfte. Erfolge sind kaum erzielt worden. In den
meisten Fällen mußten die Arbeiter die aufdikrierten
Verschlechterungen hinnehmen. Trotzdem ist eine
zurchgreifende Besserung der Absatzverhältnisse nicht
zu verzeichnen gewesen. Lag ein Kohlenrevier im
Wirtschaftskampf, so wurde dies in den andern Re—
zieren stillvergnüglich vermerktt und mit Hochdruck
»ersucht, dem Kampfrevier die Absatzgebiete zu ent—
teißen. Wurde dann in dem betreffenden Revier der
kampf wieder eingestellt, gewöhnlich mit den bezeich—
aeten Verschlechterungen sür die Arbeiterschaft, so
»ersfuchte dieses Revier die verlorenen Absatzgebiete
zurüczuerobern und noch neue zu gewinnen. Das da—
dei zur Anwendung gelangte Versahren war ziemlich
trupellos.
Den Konkurrenzkampf suchte man nun noch beson—
ders zu verstärken durch eine ausgeklügelte
Rationalisierung
in den Betrieben. Die technischen Einrichtungen wur—
den verbessert und technische Hilfsmittel vermehrt zur
Anwendung gebracht. Gegen die Einführung besserer
jechnischer Hilfsmittel haben wir nicht das Geringste
einzuwenden, wenn dies dazu dienen soll, dem Berg—
mann die Schwere des Berufes zu erleichtern. Doch
dieser Gedanke spielt bei den Unternehmern nur eine
untergeordnete Rolle. Pehrproduktion ist die Losung
Um die Produktion auf die größtmöglichste Höhe zu
pringen, wurden denn auch die minderergiebigen
Iidee stillgelegt und nur noch ergiebige Flöze abge—
aut. Auf diese Weise wurde dann der Produktions—
anteil pro Kopf der Belegschaft erheblich erhöht. Dies
ist besonders in den Bergbaubetrieben Deutschlands,
Englands und Amerikas zu bemerken. So wurde im
Ruhrgebiet die Kopfleistung gesteigert auf 1122 k8.
In Amerika ist die Tagesleistung eines Bergarbeiters
unglaublich hoch, sie beträgt nämlich 2 Tonnen; auf
den Zechen mit bituminöser (erdpechartiger) Kohle
ogar 4 Tonnen.
Ueberproduktion, verbunden mit Rationalisierung,
hat bisher in keiner Form dazu beigetragen, die Lage
der Bergarbeiter bezw. das Arbeitsverhältnis und
die Lebenshaltung der Bergarbeiter zu verbessern,
es ist gegenteilig festzustellen, daß die Bergarbeiter—
schaft durch das herrschende System erhebliche Ver—
chlechterungen hat hinnehmen müssen.
Es ist für jeden vernünftig denkenden Wirtschaftler
ganz klar, daß die Verhältnisse so nicht weiter treiben
sonnen. Die Wirtschaftskrise im Kohlenbergbau der
Welt muß beseitigt werden. Dies ilt möalich durch
in⸗
ehrliche Verständigung
aller Bergbauinteressenten. Diese Verständigung zu
ermöglichen und herbeizuführen, wäre eine dankbare
Aufgabe des internationalen Arbeitsamtes in Genf
Dasselbe müßte alle Interessenten zu einer inter—
nationalen Konferenz einladen, in welcher das
Thema: „Kohlenwirtschaftskrise“ eingehend behan—
delt werden könnte. Bei genügend vorhandenem
Willen zur Verständigung würde die Konferenz sicher
auch ein für den Gesamtbergbau befriedigendes Er—
gebnis zeitigen. Die erforderliche Kontingentierung
önnte durchgeführt oder die einzelnen Länder in
Versorgungsgebiete aufgeteilt werden. Die Preis—
bildung für Kohle könnte in ein angemessenes Ver—
hältnis zu den Produktionskosten gebracht werden.
Urbeitszeit, Lohnregelung und soziales Recht könnten
jo gestaltet werden, daß dem schwerstarbeitenden Be⸗
ruf wunschgemäß Rechnung getragen ist. Es könnte
durch angemessene Regelung erreicht werden, daß die
Arbeitslosigkeit in den verschiedenen Bergbaurevieren
zufhört und auch das Einlegen von Feierschichten
vermieden bleibt.
Wann wird die Vernunft siegen?
eM
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Unfälle im deutschen und im Saurberghau
Wenn sengender Wetterstrahl wie heulender Sturm
dernichtend den Grubenbau durchtobt, wenn das weiß—
glühende Flammenmeer durch die Stollen rast und blühen—
A
und Verzweiflungsschreie diese Hölle im Erdinnern er—
chüttern, wenn Angst und unsagbarer Schmerz das Berg⸗
mannsdorf durchzittert, dann horcht die Welt einige
Augenblicke auf und erinnert sich der Tragik im Leben
des Bergmannes. Im Landesparlament wird eine En—
quete (Untersuchung) beschlossen über die Entstehungsur—
sache des Unglücks, die Zeitungen bringen eingehende
kinzelberichte über schreckliche Szenen, die fsich bei Ber—
zung der Toten abgespielt haben. Den Hinterbliebenen
der verbrannten und erstickten Knappen werden Trost—
worte gesprochen. Die Versicherungsträger gewähren die
gesetzlichen Entichädigungen. Die Welt beginnt wieder
u vergessen und die Welle des Mitleids verebbt schnell.
Wer denkt nach solch gewaltigen Katasttophen noc
— ö ⏑ν
„Der Saar⸗Bergktnapper
hart und gejfahrvoll das Leben des Bergmannes
ist, der aus der Erde den Grundstoff unserer Wirtschaft
die Kohle, herausschafft. Wer weiß denn, von welcher
ßefahren das Leben und die Gesundheit des Bergmanne—
äglich und stündlich umlauert sind. Wie viele wissen es
»zAnn, daß im deutschen Bergbau im Jahre 1825 jede—
j. Arbeiter einmal verunglückt ist, und daß je drei Berg
irbeitet im gleichen Jahre zweimal für 28 Tage kranl
eiern müssen, daß jeden Tag 5 bis 6 Bergleute rödlich
Rrunglücken.
In der Uebersicht über die Unfallziffern der Reichs—
nappschafts⸗Berufsgenossenschaft werden für 1925 bei
einer Belegschaft von 812526 Bergleuten durchschnittlich
10574 entichädigungspflichtige Unfälle angegeben. Von
diesen Unfällen waren 1681 tödlich. Der Durchschnitt der
ntschädigungspflichtigen Unfälle beziffert fich demnach
ruf 13,01 und bei den tödlichen auf 2,07 auf 1000 Ver—
icherte. In den Friedensjahren von 1911 bis 1914 be—
rugen die entjsprechenden durchschnittlichen Zahlen im
cutschen Bergbau 15,02 und 2,.225 auf 1000 Versicherte. Im
Bergbau des Saargebietes
xlaufen sich die Unfallziffern im Jahre 1925 bei einer
Belegschaftsstärke von 73 925 Verficherten auf 1170 ent—
chädigungspflichtige Unfälle, hierunter 60 tödliche. Im
durchschnitt entfallen demnach auf 1000 Versicherte 15,8
ntschädigungspflichtige und 0,81 tödliche Unfälle. Die
ßsesamtzahl der gemeldeten Unfälle überhaupt betrug
925 15 202 oder 205,64 auf 1000 Versicherte, so daß auch
m Saarbergbau durchschnittlich jeder 5. Arbeiter einen
Unfall erlitten hat. Die Gesamtzahl der zu entschädigen
»en Unfälle beziffert sich Ende 1925 auf 6232. An 7801
Pdersonen wurden 3971382 Fr. Entschädigungen gezahlt
zm Verhältnis der entschädigungspflichtigen Unfälle stehl
»as Saargebiet ungünstiger als das Reich, auch überrag!
ne augenblickliche Unfallziffet von 15,82 die Vorkriegs
iffer von 15, 02 um 0,80 auf 1000 Versicherte. Das würd⸗
zedeuten, daßz im Saarbergbau gegenüber der Durch
chnittsziffer im Reich fast 3 Arbeiter auf 1000 im Jahreé
925 mehr verunglückt sind.
Die Durchschnittszahl der tödlichen Unfälle
von 0,81 auf 1000 Versicherte liegt erheblich unter der de—s
kKeiches, es bleibt hier aber zu berücksichtigen, daß das
Jahr 1925 für den deutschen Bergbau ein ausgesprochenes
Unglücksjahr war, indem 6 Massenunglücke allein 228
Todesopfer gefordert haben. Ein absoluter Vergleich der
Anfallziffern des Saargebietes mit der Statistik der
Reichsknappschafts-Berufsgenossenschaft ist nicht ohne
veiteres angängig, da die Unfallziffern des Saargebietes
iur den Steinkohlenbergbau betreffen, während die de—s
Keiches sämtliche Bergbaubetriebe, auch die weniger ge
ährlichen Braunkohlen- und Erdölbergbaubetriebe um
cssen, ferner spielen auch die geologischen Verhältnisse
Urbeitszeiten usw. eine gewisse Rolle.
Im Saargebiet hat sich 1926 die Zahl der angemeldeten
Knappfchaftliches —
Wichtige Ergebnisse der Vorstandssißung
des Suar-Knappschaftsvereins
bem 15. Juni 1927
Die Neufestsetzung der Pensionskassenbeiträge
vurde wiederum vertagt, da der Vorstand hofft, daf
bhis Ende Juni die angekündigten Verhandlungen be
reffend Würzburger Abkommen in Berlin abgeschlos
en sein werden. Nach dem Abschluß dieser Verhand
ungen werden wahrscheinlich die gesetzlichen Pflicht
»estimmungen betr. Beitragszahlung azur Vensions
asse wieder in Kraft gesetzt.
Die Weitergewährung des sog. Reichszuschusses
tief eine längere Debatte hervor. Die vom Reich
»ezw. Reichsknappschaftsverein zur Verfügung ge—
tellten Mittel in Höhe von 2 160 000 RM. sind völlie
rufgebraucht. Der Knappschaftsvorstand hatte be
anntlich bereits in seiner Sitzung im Monat Mai
dieserhalb beschlossen, erneut an die Reichsregierung
seranzutreten und dieselbe zu bitten solange dern
zuschußbetrag zu geben, bis das prak—
ische Ergebnis des Würzburger Ab—
'ommens sich zeige. Die Knappschaftsverwal—
tung versuchte dem Beschluß entsprechend Geltung zu
verschaffen und richtete ein schriftliches Ansuchen an
die Reichsregierung. Von dieser ging dann die Ant—
wort ein, daß das Reich vorläufig keine Mittel frei
sabe und wurde dem Knappschaftsverein anheimge—
tellt, aus eigenen Reservemitteln den
Reichszuschuß vorschußweise zu zahlen
die Arbeitnehmervertreter gestalteten diese Anregung
zu einem Antrage, der jedoch vom Arbeitgeber mit
der Begründung abgelehnt wurde, daß die Verhält—
aisse zu unsicher seien und er nicht zustimmen könne
daß vorhandene Reserven in gesezwidriger Form Ver—
wendung fänden. Die Arbeitnehmervertreter erklär⸗
en daraufhin, daß fsie es unmöglich verantworten
'önnten, daß in der jetzigen wirtschaftlichen Notzeit
ein Einkommensausfall bei den knappschaftlichen
Rentenempfängern in Erscheinung treten solle in
zöhe von 25 Rrozent des bisherigen Einkommens und
telten den Anutrag, den Reichszuschuß inm Monagait
Nummer 20
——we—
Unfälle gegenüber dem Vorjahre von 16 202 auf 14833
ermäßigt, die der erstmalig entschädigten dagegen von 1170
auf 1245 erhoht.
Die Durchschnittszahl der erstmalig entschädigten Unfälle
ist demnach bei Annahme der gleichen Belegschaftsstärke
von 15,82 auf 1000 Versicherte auf 16,84 geftiegen, die der
tödlich verunglückten von 60 im Jahre 1925 auf 84 im
Jahre 1926. Wenn diese letztere Ziffer noch weit unter
der entsprechenden Durchschnittsziffer des Reiches zurück—
bleibt, so bedeutet sie doch eine Steigerung der tödlichen
Unfälle um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahre. Auf
1000 Versicherte berechnet ergibt sich eine Steigerung der
tödlichen Unfälle von 0,82 auf 1,18. Die Gesamtzahl der
1926 entschädigten Unfälle beträgt 6495, an 8128 Personen
wurden Entschädigungen in Höhe von 6163 272 Fr. aus⸗
nezahlt
Die vorstehenden Unfallziffern im Saarbergbau haben
ihne Zweifel eine steigende Tendenz. In unmißverständ⸗
licher Sprache zwingen sie, nach den Ursachen dieser Er⸗
höhung zu juchen. Es ist gewiß, daß ein Teil der Unfälle
unvermeidbar sein wird, für die vermeidbaren läßt sich
aber eine Grenze bestimmen. Man hat prozentuale Rech—
nungen aufgemacht über den Schuldanteil der Verletzten
bei Unfällen im preußischen Bergbau. In den Jahren
1922 bis 1924 schwankt diese Ziffer zwischen 19 bis 25
Prozent. Auf die Höhe dieses Schuldanteils dürfte, wie
inzweifelhaft feststeht,
die gesteigerte Intensität des Vetriebes,
mag sie nun in dem Streben des Arbeiters nach einem
ausreichenden Lohn oder in dem Antrieb des Unterneh—
mers nach möglichst hoher Steigerung der Produktion ihre
Arsache haben, einen nicht geringen Einfluß ausüben. Wie
leicht mag es vorkommen, daß der Bergmann aus vor⸗
stehenden Anlässen zum höchsten Arbeitseifer angetrieben,
ein Warnungszeichen oder eine bergpolizeiliche Vorsichts—
maßnahme außer Acht läßt. Die Bergarbeiterschaft und
ihre Fachpresse jagen, daß die Ursache vieler Unglücksfälle
auch im Saarbergbau in den schlechten Arbeitsbedingun—
gen zu finden sei, die den Bergmann zur Erlangung eines
auskömmlichen Lohnes zwingen, die Unfallverhütungsvor—
chriften öfter außer Acht zu lassen. Es ist schwer, für all
diese Fragen die sichere Grenze zu finden. Die Klagen der
Bergleute, die unter dauernder schwerer Bedrohung ihres
Lebens arbeiten müssen, erscheinen aber jedenfalls einer
eingehenden Prüfung wert zu sein. Das erfordert schon
die Sonderstellung, die der Bergmannsstand in der Volks—
wirtschaft einnimmt. Auf Grund dieser Sonderstellung hat
er ein verstärktes Anrecht darauf, daß im Bergbau nicht
allein die Rentabilitätsberechnung ausschlaggebend ist,
sondern daß auch auf seine menschenwürdige Daseinsmög—
ichkeit eine gebührende Rücksicht genommen wird. Auch
die Volksgemeinschaft hat ein großes Interesse daran, daß
das Leben des Bergmanns, dem die Volkswirtschaft so viel
zu danken hat, wirtschaftlich und gesundheitlich ausreichend
Jeschũtzt ist R. M.
*
Sozialversicherung
Juni auf Kosten der Knappschaftsmitglieder auszu—
jzahlen. Der zur Auszahlung zu gelangende Betrag
solle durch einen Sonderbeitrag der Knappschaftsmit—
glieder in Höhe von 0,50 Fr. gedeckt werden. Der
Arbeitgeber erklärte sich auch gegen diesen Antrag, da
ihm die Durchführung zu schwierig und umständlich
erscheine. Die Arbeitnehmervertreter versuchen nun
noch einen Weg. Sie werden die Saarregierung er—⸗
suchen, die Bürgschaft zu übernehmen für den Zuschußz—
betrag des Monats Juni, der dann den Reservebe—
ständen des Knappschaftsvereins entnommen werden
muß. (Die Pensionäre mögen daran erkennen, daß
die Gewerkschaften alles tun und alles versuchen, um
ihnen zu helfen. Wo aber bleiht jietzt der Friebdver—
bhand“s8)]
Die knappschaftliche Augenklinik
ist in der Fertigstellung begriffen. Der Vorstand er⸗
tlärt sich damit einverstanden, daß der Augenarzt
Herr Dr. Wiedersheim die ärztliche Versorgung der
in dieser Klinik untergebrachten Kranken übernimmt.
Die genaue Regelung des Anstellungsverhältnisses so—
wie der klinischen Einrichtung wird dem Lazarett⸗
ausschuß zur Beschlußfassung übertragen
Die Arzt⸗ und Lazarettfrage in St. Ingbert
sand ihre Erledigung in einem die St. Ingbertet
Knappschaftsmitglieder befriedigenden Sinne.
An Stelle des ausscheidenden Knappschaftsarztes
Herrn Dr. Schultheß wurde Herr Dr. Reiland
(von Geburt Westpfälzer) als Knappschaftsarzt ge⸗
wählt. Eine Regulierung der Kursprengel hatte sich
als notwendig erwiesen und wurden dieselben genau
so eingeteilt, wie die Knappschaftssprengel in Nord
und Süd. Die Knappschaftsmitglieder von Hassel
vurden dem Kursprengel Rohrbach zugeteilt.
Zur St. Ingberter Lazarettangelegenheit wurde
»on dem Vertreter des Gewerkvereins darauf hinge—
wiesen, daß die Knappschaftsmitglieder von St. Ing—
bert grundsätzlich wünschen, daß das Knappschafts—
lazarett in der Form bestehen bleibt, wie es bisher
hestanden hat und daß die Mitglieder alle Bestre—
zungen energisch bekämpfen, die dahinzielen, das La
arett aufzulösen oder in unbefriedigender Weise ein
uurichten. Die Mitalieder von St. Inabert hielter