Saarbrücken, den 10. April 1926
——— 9 — 1295 AANAAS
Organ des Gewerkvoereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebtet
wirtschaftlich⸗ u. geistige Hebung l Di emehe de Set wesatnaedee — 2
des Bergarbeiterstandes sr Waann eat Sopieed Zynn— Lim—
Erscheint zjeden Samstag für die Mitslieder gratis. —
Preis für Zablstellenabonnenten 3.—2 Fts. monatlich obnt
Botenlohn. fur Kostabonnenten 9.— Fis. viertellährlich
Fzechen im Saargehiet
Sturnze chen im Gaargebie
Das Wirtschaftsbatometer iin Saargebict deute
auf Sturm. In allen Wirtschaftskrelsen macht sich
eine ichwälende Krisenstimmung bemerkbar. Kein
Wunder für den Kenner und Beobochter der Sagrt⸗
gebietsverhältnisse. Die der französischen Auuerions—
volitik dienende Regierungskommission führte im
Jahre 1923 wider Gesetz und Recht den bereits ou
der Inflatlon erkrankten französischen Franken als
gesetzlihes Zahlungsmittel ein. Es gob ja damai—
Leute im Saargebiet, welche glaubten, die Einsührnuag
dos Franken bedeute das wirtschaftliche Allheilmittel
und brtuge dem Soargebiet eine gesunde Wirtschafts
ordnung. Wir haben damals entschieden die ent—
gegengesekte Neinung rertreten, nicht deshalb, wie
man uns unberechtigter Weise vorwarf, weil wir
nationalistisch eingestellt gewesen wären, sondern au—
den Erkenntnissen heraus, die aus rein wietschaft
ichen Erwägungen geboren waren. Die Entwicklung
er wirtschaftlichen Verhältnisse hat die von uns ver
cretene Auffossung vollauf gerechtfertigt. Wir hober
eit dem Jahre 1923 noch keine PMRinuté erlebt, in er
man hätte feststellen können, daß die wirtschaftlich⸗
Lage im Saargebiet zufriedenstellend sei. Das Wirt—
schafltsleben im Scargebiet bewegte sich aus abglei—
tender Bahn und erhielt drnn inn Januor 1925 den
chärfsten Stoß durch die Einbeziehung des Saarge
bietes in das franzöfische Zollsvftem. Wir all⸗ wissen
daß durch diefen Akt der Zollabschnürung von Deursch—
land eine völlige Umstelrung des Wirtschastsleben:
im Saargebiet erfolgen mußte. Die RegierungsKom—
mission ließ es sich angelegen fein, n schnellster
Tempo ohne Befragung des Landestates die franzö
sischen Zoll- und Steuergeseßze im Saargebiet in G1
tung zu bringen und mußte der gesamle Handel siec
wirtschaftlich nach Westen orieutieren, Zweifelloe
finden wir in diesem Vorgehen der Regierungskom
mission den Bewels, daß sie frauzösischen Wuünscher
gegenüber viel willfähriger ist als zum Beisptel den
Wünschen des größten Teiles der Saarbevoöllteruneg
zegenüber auf Einführung der deutichenn Goztialaehei
jebung im Saargebiet.
Das ständige Sin'en des französischen Franken siß
»inent Jahre fast um 50 Prozent) schwaͤchte natur—
zemäß auch den Realwert der Löhne und Cehälter
Das Stuken des Franken bedingt darum auch in fast
gleichen Maße eine Schwächung der Kaufkraft der
obreiten Voltsschiczteu. Diese Fesestellung konnte in
erstet Linie seit Anfang 1925 die Geschafiswelt ma
hen. Von einer guten Kauftraft der breiten Plassen
dat die Geschaftswelt in eister Linie den Vorkeif
Den vielen Klagen aus Kreisen des Handels wird
aber z»uatnommen, daß die Kauftust außerordentlich
ine erworden war; die Ursache hierzu bildet eben
bie uas hin!anglich bekaunt, das unzulängliche Lohn—
—nan der, breiten Käuferschichten. D Bergd
ente, Hüttenarkeiter, Fabrikarbeitet und andere Be—
rufsschichten haben heute ein Lohneinkommen, das
raum ausre:scht, um die nockten Lebensbedürsnifse zu
arstre:ten. Arbeiter mit stürkeren Familien sind heute
fast nicht mehrein der Vage, die Mittel für Schuhzeug
and einfachste Kleidungehücke aufzubringen. die Ar
oritgeber, set es die Betabehörde oder die Hüiten—
aktionäre, Higen wenig oder kein Verständnis für die
ANotlage ihret Arbelter und Angestellten, ihr Sinn
and Streben ist lediglich auf Gewinn eingestollt. Aln
Bitten und Forderungen der Gewerkschaften fiuden
taube Ohren, die Unternetzmer zeigen sich vorständ
nislos und ablehnend. Uns Bergarbettern hat n
etzt wieder die berechtigte Forderung auf Lohn—
höhung abgelehnt, trotz fäglichen Sinkens beß
Tauten und trotz des Nachweises gestiegener Lebens—
altungskosten. Die Süttenarbeiter sind schon lauge
zett ohne Tarlfvertraͤg und haben teilweise noch ge
Naere Lohue als die Bergarbeiter. da darf es wirt
nicht Wunder uehmen, wenn die Verstimmung in
lrbestertreisen wächst und schlieflich in einet Eunt
adung den Ausweg sucht. Wer schwer arbetet und
ine Pflicht erfüllt, hat unbedingt auch Auspruch au
nen gerechten Lohn, womn er sich und seine Famitie
astandig ernöhren kann. Dies souten die Kreile
ees, augeht, uite vergessen, denn von der Ange
ssenstant des Pohnes hanat auiqe de rne9
keit ab, von der wieder der Bettieb und seine Sichen März den ab 15. Dezember 1925 gelten;-
geit abhängig ist. den Lohn-Tarifvertrag getbündigt. Diese
Aber nicht bloß in der Arbeiterschaft hertscht Ver Maßnahnme ist veranlaßt worden durch die verstäud⸗
jtimmung. Auch der Handel und bdie freten Haud nislose Haltung der Bergwerksdirettion gegenüber
werkerberufe fühlen sich durch die geplanten Maß der berechtigten Forderung auf durchaus notwendige
nohmen der Regisrungskommision in ihrer Existen; Lohnerhohung. In den Bergarbeiterfamilien ist die
bedroht. Die Regierungskommission wili nämlich ge Lage infolge des geringen Lohneintommens des Er⸗
gen den Willen der Sgarbevölkerung neue franzöfische nährers aligemach ttostlos geworden. Der französische
Zteuergesetze einführen, die den Händel uͤnd letzter Franken fäult von Tag zu Tag. die Inder- und Teue—
ẽndes die Konsumenten schwer belasten würden. Die rungsziffern steigen. Gegenüber der letzten Loim⸗
ührenden Köbfe der Geschäftamostmissen aßer gan; erhöhung ist die Teuerung schon wiederum um6 Pro⸗
zent gestiegen. Man sollie doch annehmen, daß die
Bergwerksdirektion ein Ministerwort gelten lasse und
— wie versprochen — mit der fortschreitenden Teue.
rung auch die Löhne in Einklang bringen werde Die
Bergwerksdirektion glaubt abet, selbstherrlich han—
deln zu können und lehnte sie die Forderung der Orga—
nisationen auf Lohnerhöhung gemäß der gestiegegen
Teuerung glatt ab. Der Verwaltungsrat der Saar—
gruben hat in völliger Verkennung der wirtschaft⸗
lichen Lage im Saargebiet dasselbe getan. Es ist
direkt lächerlich, wenn die Bergwerksdirektion an
nimmt, daß Ersparnis an den Arbeiterlöhnen den
französischen Franken retten könnte. Dieser geht doch
einen Weg, der ihm zwangsläufig vorgeschrleben ist.
Der Bergwerksdirektion duͤrfte baͤld zur Genüge be—
kannt sein, daß niangelndes Entgegenkommen in der
Lohnfrage die Arbeitsfreudigkeit der sehr besonnenen
Soarbergarbeiterschaft nicht steigert, sondern gegen—
teilige Folgen zeitigt. Es scheint uns, als ob die
Bergwerksdirektion mit vollet Absicht Schwieriglei—
ten heraufbeschwören wollte, üm Unruhen zuprovpo—
zieren, damit der Beweis erbracht werden kann, daß
das französische Militär im Saargebiet notwendig ist
Die Vergarbeiter aber wissen diese Provokation
richtig einzuschätenn. Die VBergarbeiter verstehen zu
kämpfen, ohne daß ihnen das französische Militär in
die Parade fahren kann; das haben sie im Jahre
1923 einwandftei bewiesen. Soilte aber die Vorg⸗
werksdirektion lediglich die Absicht haben, die Loͤhn⸗
frage zu verschleppen, um Zeit zu gewinnen, so dürfte
auch dies in keiner Weise geeignet sein, das erforder—
liche gegenseitige Verständnis zu stützen. In den
stattgefundenen Verhandlungen haben unsere Ver—
teter bereits gktatt, daß sie wirküich keine Lust mehhr
hätten, vohnderhandlungen wochenlang verschloppt
zu sehen, um endlich in Poris zu einer Einigung zu
kommen. Die Loßnverhandlungen können ganz gut
in Saarbrücken besser und schnaller zu Ende geführt
werden als am Sitze der französsischen Regierung. —
Soffentlich erkenut die Bergwerksdirelüon den Ernß
nor Laxe und ünnndelt. ehe es zu onn
genau, daß weitere Velastungen sür die Konsumen
ten untragbar sind, da die ohnehin schon gering;
Kaufkraft noch meht geschwächt würde. Deshaͤlb ha
ben bersits die Vereinigungen des Handels und de—
vandwerkter Protestpersammlungen veranstoltet,
welchen gegen die geplanten Maßnahmen der Regie
rungskommission Skellung genommen wurde. In teil
weise scharf gehaltenen Entschließzuungen wurde odie
Regierungskommission erfucht, den wirklichen Ver.
hältnissen und Bedürfnissen im Saargebiet Roechnun
an tragen und die bisher schon zu scharf gehaltene
Steuerschraube zu lockern, anstatt sie bis zur Uner
Xräglichkeit anzuziehen. Die Kundgebungen fande
die Sympathien weitester Bevolterungskreise.
Den maßgebenden Stellen im Saargebiet dürfte die
gährende Stimmung in der Bevölkerung des Saar
gebietes nicht unbekannt sein. Su muüßten diese
Stimmung Rechnung zu tragen versuchen, Insbesen
dere müßte es Sorge der Regierungs?ommission seta
der ja bekanutlich die Wohlfohrt der Saarbevolke
rung zu fördern, durch den Versalller Vertrag zur
Pflicht gemacht ift, der herrscheuden Stimmung Rich
ung zu tzagen und Bestrebungen zu zeigen, die an—
gezeigten jichlechten Verhaltnisse zu bessern. Nuch hal
die Regierungskommissron die Pflicht, die durchgus
berechtigten Lohnforderungen der Arbeitnehmerscha
zu unterstüßen. Komme man nicht und soge, die Ver
timmungen sind künstlich erzeugt worden oder ent
pringen einem falichen Nationalbewußtsein. Da
Berstimmungen sind geboren aus der wirtschastlichen
Rotlage des Saarvoikes Wenn mian dies einsehe:
vwill und enrsprechend handelt, kann Schlimmes ver
hütet werden. Wir wollen hoffen, daß alle moh
zebenden Stellen unsern Warnruf beachten, anson
sten die Verantwortung für die kommenden Dinge
poppelt schmor in die aashbas⸗ fall 3
zz
Preise für
—
ꝛele citer uerarten
Die Eisenbahudirektion erhöhte ab 1. April di—
Fahrpreise. Auch die Arbeiterfahrkärten vls solche
erfuhren eine wesentliche nt und zwar von
650 bis teilweise über 100 Prozjeut. Sobald dieses be—
kuünnt wurde, bemächtigle sich der zugfahrenden Ar—
beiterscheft eine gewaltige Erregung. Im ganzen
Revier fanden Protest errammluungen 8* und wur—
den eine Rothe von Telegrammen“ an die Regierung
und die Eisenbahndirektion geschickt. Am Viontag
den 29. März, komen die Organisationsführer zusom—
meit. Diese wandten sich an die Roegierung —9 fand
daraufhhin am Dienskag, den 30. März, im Amts⸗
zimmer des Herrn Ninisters Koßmann eine Be—
sprechung mit Herrn Vinister Koßmann, dem fru—
heren Generalsekretät Herrn — dem Eisenbahu—⸗
präsidenten Fischer, Herrn Courtis ett, u. dem Regie—⸗
zungstat Rikolaus statt. Von Arbdeiterseite waden
Vertreter der beiden Bergarbeiter- und Metallardei⸗
tervetbände erschienen. Die Aroeitervertreter erklär—
len, daß augenblicklich von der ee eee Er⸗
bohung der Fahrpreise nicht getragen werden könne.
Eine Lohnerhohung sei enustweilen von der Berg—
wertsdirettion abgelehnt. Der im Juni 1925 gezahlte
orsouß würde jetzt den Bergarbeltern in Abzuͤg ge⸗
bracht. Die geplanie Steuerermäßigung trete nicht in
ratt mant a!,ν ma ich fagtinficß ν —
5.
Hündiquna des Lohntartspertrages
8 x *
iun Snuarbergnn
Die Tarif-Organisationen (Gewerkoerein chrest!
Berqarbeitert, Verband der Bergarbeiter, christiiche
unnd daticher Mötfauarhettoernarhann b 25