Full text: Der Saarbergknappe (7 [1926])

ANummer 49 
Soarbrücken, den 4. Dezember 1926 
7. Zahrgang 
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlanos für das Saargebiet 
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Seitdem es eine Gewerkschaftsbewegung gibt, war 
ie noch immer von Feinden umgeben. Im Kampfe 
gegen die vielfältige Feindschaft ist die Gewerkschafts— 
bewegung groß und stark geworden. Sie mußte aller⸗ 
dings immer auf der Wacht stehen, die Feinde der 
Mitgliedschaft zeigen, damit da abgewehrt und dort 
angegriffen werden konnte. 
Auch heute ist die Gewerkschaftsbewegung die meist 
ehaßte Bewegung. Von allen Seiten wird sie von 
88 bestürmt. Meist richtet sich der Kampf der 
Feinde gegen die Führer. „Schlage den Hirten, so 
chlägst du die Herde“, das ist die geltende Parole. 
Diese Kampfmethode könnte die — 
wegung kalt lassen, wenn alle Arbeiter von sich aus 
treu zu ihrer Selbsthilfebewegung stünden. Leider 
aber lehrt die Erfahrung und der tägliche Kampf, 
daß die Front der Feinde gegen die Gewerkschaftsbe⸗ 
wegung durch sogenannte „Arbeiterführer“ verstärkt 
wird. Deren gewerkschaftsfeindlichen und somit im 
Endeffett arbelterfeindlichen Kampsfmethoden aufzu—⸗ 
zeigen, ist unsere Pflicht. Unsere Mitglieder sollen 
eloͤst urtellen lernen, was von dem Geschrei und den 
RBerleumdungen dieser Leute zu halten 6 
Als die „unentwegtesten“ Vertreter der Arbeiter- 
nrteressen geben sich die Kommunisten aus. Nach 
ihrem Geschrei zu urteilen, müßten die Arbeiter dort 
wo die Kommunisten in der Mehrheit sind, „goldene 
Tage“ erleben. Praktisch aber ist es so, daß die Kom 
munisten noch überall dort, wo gemäß ihrer Parol« 
gehandelt wurde, die Arbeiter schwet benachteiligen 
Die Benachteiligung der Arbeiterschaft ergab sich aus 
der Schwächung der Gewerkschaftsbewegung, die die 
Kommunisten als einziges „positives“ Ergebnis ihren 
Heß⸗- und Mühlarbeit verzeichnen können 
In VWiitteldeutschland 
schloß sich nach dem Kriege die Arbeiterschaft in 
großen Scharen der Gewerkschaftsbewegung an. Die 
konmunistische Partei aber ließ es nicht zut gewerk— 
schaftlichen Durchdringung und gewerkschaftlichen 
Schulung der Masseͤn kommen. Sie versuchte, ihren 
politischen Einfluß in die Gewerkschaftsbewegung zu 
tragen, um diese ihrem politischen Zielstreben — 
neuer Umsturz. Diktatur des Proletariats, Welt— 
revolution — dienstbar zu machen. Pflichtgemäß 
mußten die Gewerkschaften abwehren, da die kommu— 
nistischen Methoden und Ziele nur zum Unheil für 
die Arbeiterschaft ausschlagen mußten. Die Folgen 
waren ein sehr gehässiger Kampf gegen die gewerk 
schaftlichen Führer, blutige Bruderkämpfe unter der 
Arbeiterschaft selbst, Schwächung der Gewerkschafts— 
bewegung und Erstarken der sozialen Reaktion. Heute 
werden in Mitteldeutschland mit die niedrigsten 
Löhne bezahlt, besteht die längste ir in den 
Betrieben und blüht wieder die „gelbe“ Bewegung 
Große Teile der Arbeiterschaft, die der kommuni— 
stischen Parole folgten und denen die kommumistischen 
unen den Gewerkschaftsgedanken verelelten, befin 
den sich heute in sogenannten „vaterländischen“ Ver 
bänden, in denen die Trabanten des Unternehmer 
tums den Ton angeben. Wenn die Unternehmen 
rufen, sind diese Arbetter zur Stelle, um zu exer— 
zieren, zu demonstrieren gegen die bestehende Staats 
form und um zu kämpfen gegen die Gewerschaftsbe— 
wegung. Nirgendwo ist die gelbe „Werkvereinsidee“ 
o verbreitet und in Werkvereinen die Arbeiterschaf 
so stark zusammengefaßt, als in der ehemals kommu 
nistischen Hochburg Mitteldeutschland. Schwächung 
der Arbeiterfront und Stärkung der Unternehmer 
front ist das einzige Ergebnis kommunisticher Wirk 
samkeit in Mitteldzutschland 
Im Ruhrgebiet 
machten die Kommunftsten einen eigenen gewertschaft 
tichen Laden in der Nochkriegszeit auf. Ihr« 
„Unfonen“ erblickten ihre Hauptaufgabe in der Be 
fämpfung der Zentral-Gewerkschaften. Deren Wirker 
jür die Arbeiterschaft in ichwerer und bedräugien 
Zeit, wurde in Grund und Boden verurteilt. Di— 
Führer wurden nach „allen Regeln der Kunst“ ver 
nisnus für die Arbeiterschaft wirkt 
eumdet und mit Dreck beworfen. Ständig wurde zu 
Putschen“ und „Direkten Aktionen“ aufgerufen, die 
bald hier, bald dort ausbrachen und der Arbeiter: 
schaft vielfältige Wunden schlugen. Diese Tätigkeit 
der „Unionen“, die vollständig unter Leitung des 
politischen Komunismus standen, führte naturgemäß 
zu einer Schwächung der Arbeiterfront. Nur das 
UÜnternehmettum profitierte davon, weil das Ge 
baten der Kommunisten sich ja im Endeffekt nich! 
gegen sie, sondern gegen die Gewerkschaften und Ar— 
eiter allgemein auswirkte. Die kommunistischen 
„Unionen“ gingen mit der Zeit auch ein. Die Mit 
zglieder, die noch vorhanden waren, wurden zum Tei! 
bon den freien Gewerkschaften aufgenommen. Ir 
diesen führen sie nun den Kampf um die Herrschaft 
Dieser Kampf legt natürlich Kräfte brach, die ander 
wertig im Dienste der Arbeiterschaft und Bewegung 
wirken könnten. Die kommunistischen Mitglieder 
greifen in öffentlichen und Belegschaftsversammlun⸗ 
jen die gewerkschaftlichen Führer an. verdammen die 
Maßnahmen der Organisationen, insbesondere ihre 
Tätigkeit auf dem Gebiete des Lohnwesens und dees 
Arbeitsverhältnisses. Solches Verhalten führt nur 
zu einer Verekelung des Gewerkschaftsgedankens und 
zu einer Schwächung der Arbeiterbewegung. Um den 
Schädlingen entgegenzuwirken, sah sich der Hauptvor 
itand des alten Verbandes veranlaßt, in der Bochu 
mer „Vergarbeiterzeitung“ (Nummer vom 27. No 
dembet ds. Irs.) scharfe Gegenmaßnahmen bekann! 
zu geben. Dangach werden alle die Mitglieder aus 
dem Verbande ausgeschlossen, die, wie angegeben 
gegen den Verband und die Beichlüsse der Verbands 
organe operberen. 
Wie aus dieser Schilderung klar ersichtlich ist, ar 
deiten die Kommunisten und ihre Führer in bewußten 
Weise an der Unterhöhlung der Gewerkschaftsbewe 
gung. Weil diese den politischen Unsinn der Kommu— 
nisten weder gutheißen noch mitmachen kann, arbeiten 
man an ihrer Schwächung und Zertrümmerung. Wem 
kommt solche Tätigkeit zustatten? Der Arbedterschaff 
doch gewiß nicht. Sie dient nur der sozialen Reaktion, 
sie dient nur dem Unternehmertum und den Feinden 
der Arbeiterschaft. Der einzig wahre Freund der 
Arbeiterschaft, die Gewerkschafts bewegung, wird von 
den Kräften geschwächt und geschädigt, die sich be 
jeder Gelegenheit als die „einzig wahren Vertreten 
der Arbeiterinteressen“ aufspielen. Wohin ihr« 
Zrngteit in Wirklichkeit führt, zeigen die beider 
Beispiele 
nisten ist dieser Zustand für die lothringischen Ar— 
beiter heraufbeschworen worden. Und die Schreier 
von früher, die jeden vernünftigen Gewerkschaftler 
als „Arbeiterfeind brandmarkten“, verfahren heute 
die meisten Ueberschichten und sind die treuesten 
Unteritützer des Unternebmertums 
Im Saargebiet 
wütet die kommunistische Partel und „Arbeiterzel⸗ 
tung“ seit einiger Zeit wie toll gegen die Gewerkschaf⸗ 
den. In jeder Nummer werden die Führer als Ver— 
räter der Arbeitersache“ dahingestellt. Besonders toll 
zebãrde te s das Blatt während des Streikes der 
englischen Bergleute und der letzten Lohn bewegung 
der Saarbergleute. Als ob ein Streik der Saarberg⸗ 
leute den englischen Bergleuten auch nur das Ge⸗ 
ringste hätte helfen können! Und wenn alle Berg⸗ 
leutde Europas in den Streik getreten wären, wenn 
alle den Schmachtriemen bis ins letzte Loch zurückge⸗ 
schnallt hätten, dann hätten die englischen Eisen—⸗ 
bahner, Seeleute und Transportarbeiter die Kohlen 
munter weiter befördert, die in vermehrtem Maße 
dann aus Amerika nach England eingeführt worden 
wären. Das alles weiß auch die „Arbeiterzeitung“ 
Aber sie muß ja gegen die Gewerkschaften hetzen, 
muß den Gewerkschaftsgedanken verekeln, weil sie und 
hr Anhang die Zertrümmerumg und nicht den Fort— 
ichritt wollen. 
Während der Lohnbewegung im Saarbergbau rief 
sie auch täglich zum Streik auf. Dabei weiß sie ganz 
genau, daß durch die Schuld der Kommunisten der 
Arbeitereinfluß in Frankreich gleich Null ist, daß im 
benachba rren Lothringen die Unternehmer unum— 
schränkt herrschen, daß also die Saarbergleute bei 
solcher Sachlage keine größere Dummheit hätten 
machen können, als wenn sie gestreikt, also der kom— 
munistischen Parole Folge geleistet hätten. Als die 
Lohnbewegung zu einem —— Ergebnis ge—⸗ 
führt batte, schrieb die „Arbeiterzeitung“ u. a.: 
... der Bergwerksverwaltung ist es gelungen, dle 
Gewerkschaftsführer zum eseie des Hunger⸗ 
diktals zu gewinnen. Der Preis, der ihnen dafür ge— 
boten wurde, ist derart gering, daß er absoluf nicht in 
die Erscheinung kritt. Anstatt 130 Lohnerhöhung erhalten 
nun die Hauer 2,15 Fr. Noch krasser sind die Verhäll⸗ 
nisse bei den Schichtloͤhnern, ganze 1,71 Fr. pro Schichl 
erhalten sie mehr. Die Inkrafisehung der Lohnerhöhung 
ab 16. Oktober ist eine derart lächerlich geringe Kon⸗ 
ꝛ daß die Unterichrift dieses Diklals an ein Ver⸗ 
rechen grenzt. 
Die Bergarbelter sind überhaupt nicht gefragt, da« 
geschah doch nur. weil man wußßzle. daß die Berg 
arbeiter dieses Jammerangebot zurückgewiesen hätlen. 
Es liegt nun an den Bergarbeitern, geschlossen den 
Deien abzulehnen. da derselbe ohne Befragen 
der Bergarbeiter zustande kam und auch die Lohn- 
erhöhung in keiner Weiße der Teuerung entsprichl.“ 
Run, die Bergleute waren viel weitsichtiger und 
realpolitischer als die „Arbeiterzeitung“ und deren 
Drahtzieher. Auch die kommunistischen Bergleute 
Sie lehnten den Tarifabschluß nicht „geschlossen ab“, 
sondern nahmen ihn geschlossen an, weil sie mehn 
Vertrauen zur Gewerkschaftsführung als zur kommu— 
nistischen Arbeiterzeitung“ haben. Bis heute ist noch 
nicht bekannt geworden, ob ein kommunistischer Berg— 
mann die Lohnerhöhung für sich abgelehnt hätte, die 
die Gewerkschaftsführer in schwieriger Situation 
herausschlugen. Und weil die Gewerkschaftsführer 
etwas herqusschlugen in schwieriger Situation und 
weil sie die Vereinbarung betr. Multiplikator, die 
einen Bestandteil des Lohntarifes bildet, unterzeich— 
neten, sollen sie ein „Verbrechen“ begangen haben. 
Im benachbarten Lothringen in der Domäne des 
Kommunismus, im früheren Wirkungsfeld des heu— 
igen „Verantwortlichen“ der „Arbeiterzeitung“, da 
dittierten die Unternehmer erst dann nur 1,65 Fr. 
für die Hauer ab 1. November, nachdem die Ver⸗ 
brecher“ und „Verräter“ im Saargebiet für die 
hauer 2.15 Fr. pro Teg ab 16. Oktober herausgeholt 
datten in gegenseitig Frtführten Rerbandlunoen. Die 
Bergarbeiterzettung“ (Saarbrücken) schreibt mitf 
Recht 
Im benachbarten Lothringen 
war in den Nachkriegsjahren kommunistisch Trumpf 
Dle ine und christlich orlentierten Ge 
werkschaften wurden in Grund und Boden verdammt 
Putsch folgte auf Putsch, ohne daß die Arbelterschaf— 
etwas gewann. Aber das Unternehmertum 
und zwar glänzend. Zuerst wurde durch die Kommu— 
nisten die sozialdemokratische Gewerkschaftsbewegung 
gespalten. Die Folge war ein überaus heftiger Kampf 
der beiden Richtungen gegeneinander. Jede Richtung 
suchte der anderen nachzuweisen, daß in ihr die 
größten Lumpen und Arbeiterverräter“ säßen. Die 
ier Kampf absorblerte alle Kräfte. Er führte zu einen 
Schwächung der gesamten eeereee 
weil die Arbeiter von diesem Spiel sich angewider 
aAbwandten. Während der Zeit rieb das Unternehmer 
tum sich schmunzelnd die Hände. Sein Weizen blähte 
sja. Durch die Verekelung des Gewerkschaftsgedankens 
perloren die Gewerkschaften beider Richtungen an 
Hietgliederzahl und an Einfluß. 
Heute triumphiert das Unternehmertum und die 
othringische Arbeiterschaft liegt am Boden. Sie stehl 
ja in der übergroßen Mehrzahl außerhalb der Ge— 
werkschaftsbewegung und muß die Bedingungen hin— 
nehmen, die das Unternehmertum diktiert. Die Unter— 
nehmer der lothringischen Gruben führen mit den 
Hewerkschaften keine Verhandlungen, sie diktieren nur 
dann eine Lohnerhöhung. wenn die von den Koinmu 
risten so viel angefeindeten Bergarbeiterrerbände 
des Saargebiets in müherollem Streite etwas her 
usgeschlagen haben. Durch die Schuld der Kommu
	        
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