Full text: Der Saarbergknappe (7 [1926])

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„gtnappe“ 
Naummer 44 
e.. „Beispiele tun ost mehr, als viele Wort' und Lehr'“ 
alle Mitglieder den jeweils zuständigen Beitrag zah⸗ 
len. Ohne den Gewerkverein kommen wir Bergleute 
doch gat nicht mehr aus. Reichen wir uns doch alle 
die Bruderhand und arbeiten wir gemeinsam an der 
Fnslortung unseres Gewerkpereins. Das tut hyrer 
not! 3. 
Wer trügt die Veruntwortung? 
„Je größere Gaben uns verliehen sind. 
desto größer ist die Verantwortung.“ 
Dieser Satz läßt sich auch auf uns und unsere Ge 
wertschaftsbewegung anwenden. Unsere Gewerk 
— 
für den geistigen und materiellen Aujstieg der Mit⸗ 
glieder. Aus diesem Verantwortungsbewußtsein her— 
dus arbeitet sie fsür uns Arbeiter und erwirkt sie 
täglich Verbesserungen und Fortschritte. Immer neue 
Gaͤben fallen so der Arbeiterschaft durch das Wirken 
der Gewerkschaft anheim. Demzufolge müßte sich auch 
das Verantwortungsbewußtjein der Arbeiter gegen— 
über ihrer Organisation immer mehr steigern. Hier 
muß ich jedoch schon ein Fragezeichen einschalten 
Wohl arbeitet die Organisation aus vollem Verant— 
wortungsbewußtsein für uns Arbeiter, während wir 
—5— es an der Verantwortung gegenüber unserer 
rganisation vermissen lassen. Dies ist eine schlimme 
Erscheinung im Gewerkschaftsleben, die zu unserem 
Nachteil sfich auswirken muß, wenn wir sie nicht be 
seitigen. 
Nun lieber alter Freund, nimm mir die Frage nich: 
ibel: wie steht es mit deinem Verantwortungsgefühl 
sür den Gewerkverein? Wie steht es damit für die 
bergmännische Jugend, die doch die Zukunit des Ge 
wertvereins bildet? 
Den Gründern unserer Organisation war es nich 
jeicht gemacht, ihr Werk zu schafsen. Sie schufen es 
aber irotz gewaltiger Schwierigterten uad großer 
Opfer für die jetzige Generation. Aber auch für di 
zukünftige. Leider wird das so sehr übersehen. Die 
meisten der heutigen Mitglieder fanden das Haus 
Gewerkverein“ fertig erbaut vor. Sie brauchten 
jeine Entlassung, Maßregelung und Aechtung mehr 
in Kauf zu nehmen, wie es den Gründern und Er— 
bauern beschieden war. Aber, wurde in genügender 
Weise für den Innenausbau gesorgt? Hat sich jede 
Mühe gegeben, das Haus vor Schaden zu bewahren 
wenn Stürme gegen es anbrausten? Manche ver— 
ließen dann fluchtartig das Haus, weil sie an seiner 
Festigkeit zweifeiten. Und doch bot es allen Schur 
und Schirm in drangvollen Zeiten. Der Gewerkver— 
ein blieb sich eben mmer seiner Verantwortung 
gegenüber den Bergleuten bewußt, während umge— 
lehrt viele Bergleute eine Verantwortung gegenübe 
dem Gewerkverein ablehnten. Nur aus der Ver 
antwortungslosigkeit kann das Handeln 
der Kameraden erklärt werden, die den Gewerkver— 
ein verlassen haben, die nicht das Notwendige zu 
seinem Ausbau beitragen wollen. Alle Mitglieder 
müssen aber aus tiefstem Verantwortungsgefühl 
immerzu für den Gewerkverein besorgt bleiben und 
für ein starkes und unverwüstliches Haus Sorge 
tragen. 
Diese Sorge darf sich nicht nur auf die Gegen. 
wari erstrecken, se muß sich auch der Zukunf! 
zuwenden. Das fertige Haus, das die Heutigen von 
den Gründern geerbt haben, muß der Jugend besse; 
ausgebaut weitervererbt werden. Erste Voraus. 
etzung dazu ist, daß die Heutigen das Haus in gutem 
Zustande erhalten müssen. Und die zweite Voraus 
setzung ist, daß sie die Jugend, die die Zukunft ver. 
cötpert, fjuͤr das Haus interessieren, in ihr Liebe und 
Vertrauen wecken und pilegen. 
Wie sieht es nun damit aus? Kommt hier jeder 
ältere Kamerad seiner Pflicht nach? Bemüht sich 
seder in der rechten Weise um die Jugend? Geschäh— 
das, dann dürfte keine Zahlstelle mehr vorhanden 
—IDD000—— 
übernehmen, wenn wir die heutige Jugend nich: 
erfassen und für den Gewerkverein interessteren' 
Lieber alter Freund, besinne dich auf die Verantwor 
tung, die auf dir gegenüber der Jugend lastet 
Helse überall mit an der Förderung und Stärkung 
uünserer Jugendbewegung. Du glaubst gar 
nicht, wie dankbar wir Jungen es empfinden, wenn 
die älteren Kameraden sich um uns bemühen und 
uns helfen, unsere junge Kämpferschar zu vermehren 
Wenn Alt und Jung Hand-in-Hand arbeiten am 
Ausbau der Jugendbewegung, dann wird es besser 
als bisher voran gehen, dann wird die Zukunft auf 
felsenfesftem Fundamente beruhen. Nur so werden 
alle der großen Verantwortung gerecht, die auf jedem 
kür den Gewerkverein und seiner Zukunft ruht. 
Ein Jungkamerad. 
Wie soll sich die Lohnregelung 
ab 1. Rovember gestalten? 
Wie aus dem Verhandlungsbericht hervorgeht, will 
die Bergwertsdiektion den Multiplitatot nur um 
3 Puntte erhohen, und zwar von 228 auf 231. Diese 
erhöhte Multiplikator soll auch erst ab 1. November 
in Kraft treten. Es ist sehr zu bedauern, daß di 
Bergwerksdirektion zu keinem größeren Entgegen 
ktommen bereit war. Weiter ist zu bedauern, da⸗ 
wiederum für alle Lohngruppen der gleiche Multipli 
tator gelten und die notwendige Lohnerhöhung erst 
ab 1. Rovember in Kraft treten soll. Durch Anwen— 
dung des gleichen Multiplikators bei allen Lohn 
gruppen wird die Lohnspanne zwischen den einzelnen 
Gruppen wiederum erweitert. Das ist ein unhalt. 
barer Zustand. Obschon anzuerkennen ist, daß nie— 
mals eine Nivellierung der Lohngestaltung eintreten 
wird, so ist es aber doch nicht angängig, die schon be— 
tehende große Lohnspannung zwischen den einzelnen 
Urbeitergruppen — die weit mehr als notwendig der 
Verschiedenartigkeit der Arbeitsverrichtung Rechnung 
trägt — in Zeiten überaus drückendet Teuerung noch 
zu erweitern. Diesem Uebel kann nur gesteuert wer— 
den, wenn mindestens die jummarische Lohnerhöhung 
die der ersten Lohngruppe unter Tage jeweils zuge— 
tanden wird, auch allen nachfolgenden Gruppen ge— 
währt wird. Wie sich die Lohnspannung seit Aprik 
ds. Irs. (eitdem gilt ein Multiplitkator) erweitern 
wird, wenn es für November bei der von der Berg 
werksdirektion vorgeschlagenen Regelung bleiben soll 
ergibt sich aus folgendem Vergleich: 
Monat hauerdurch⸗ Gruvpe 111 Unterjschied 
schnittslohn über Tag 
ↄe de Fr. 24.25 Fr. 6.25 Fr. 
Fr. 30.26 Fr. 7285 Fr. 
Gruvvpe J Gruppe III Un te rschi ed 
unter Tage über Tase 
April 28.25. Fr. 24.225 Fr. 44 Fr. 
November 35.34 Fr. 30.26 Fr. 5.08 Fr. 
Zeit April ds. Irs. wird sich also im November die 
Lohnspanne zwischen Hauerdurchschnittslohn und der 
Gruppe III über Tage um 1.60 Fr. und zwischen der 
Gruppe J unter Tage und der Gruppe LU. über Tage 
um 1.05 Franken erweitern, sofern die Bergwerks 
direktion quf ihrem Standpunkte beharrt. Es ist also 
kein unbilliges Verlangen, wenn wir fordern den 
nachfolgenden Lohngruppen die summarische Erhöhung 
des Lohnes zuzugestehen, die die erste Lohngruppe 
unter Tage erhält. Die Teuerung drückt alle in 
gleicher Weise und sollte diesem Umstande bei einer 
Neuregelung des Lohnes auch Rechnung getragen 
werden. Die unter den schlechten Wirkungen des 
jetzigen Systems Leidenden wären der Bergwerts 
dixektion gleich uns dankbar, wenn sie in dieser Hin— 
sicht endlich Entgegenkommen zeigte Möge sie doch 
bedenken, daß die zugestandene Lohnerhöhung bei 
weitem nicht ausreicht. den vermehrten Anjorde— 
rungen, die die Wintermonate an die Familien 
stellen, grrecht zu werden. Wir müssen doch einma! 
aus der überaus gespannten Atmo'phäre heraus und 
zu erträglichen Verhältnissen gelangen. Den Swhlüssel 
zur Lösung besitzt die Bergwerksdirektion. da sie durch 
Jrößeres Entgegenkommen die Atmosphäre entispannen 
kann. 
Sofern den weiteren Bemühungen der Bergarbeiter 
organisationen kein Erfolg beschieden sein sollte. dann 
zestalten sich die Löhne der einzelnen Gruppen ab1 
RNovember wie folgt (die Zulagen bleiben außer An 
satz, da sie nicht gleich hoch sind): 
Gruppe 
sedingehauer: 
Durchschnitt 
Mindestlohn 
inter Tase: 
Gruppe l 
Gruppe II 
Gruppe III 
leber Tage: 
AXX 8. 6. 30 231 33. 49 1.17 
Gruppe II 7.20 6.50 231 31.65 1.10 
Gruvpe 11II 6. bls 6.50 231 30.26 1.5 
Juseundliche: von 14 bis 15 Jahren 10.59 Fr. 0.37 
von 15 bis 16 Jahren 13.61 Fr. 9.47 
Für die Zulagen, die nach den Bestimmungen des 
Lohntarises gewährt werden, kommt im Nopemben 
auch der Multiplikator 231 in Anwendung (soferr 
kein anderes Ergebnis erzielt wird). 
Wie die Auistellung zeigt, tritt nur eine ganz ge 
cinge prozentuale Lohnsteigerung im Norember ein 
Der Hauerdurchschnittslohn erfährt eine Aufbesserung 
um 358 Prozent, der Lohn der Gruppe II4 über Tage 
im 3259 Prozent. Daß diese Steigerung der Teue 
unaserhöhung nicht gerecht wird. beweisen die Teue 
Teue- MLWinl-Gesamt- Menrge 
runs ul tipli ator lbohn Ottober 
rungszahlen der Stadt Saarbrücken. Zu beachten gil— 
auch noch, daß die Bergleute erst im Dezember in der 
Genuß des erhöhten Lohnes gelangen. Für die gegen— 
über September im Ottober und November erhoht 
Teuerung hätten die Bergleute wieder mal gar keinen 
Ausgleich. Diese Hinweise zeigen klar, daß die Berg 
werksdirektion bereit sein müßte, größeres Entgegen 
kommen in der Lohnfrage zu zeigen. 
Vergwerhksdirektion und Lohnrag 
Verhandlungen am 22. Oltober. 
Am Freitag, den 22. Ottober, sanden auf der Berg 
werksdirektion Lohnverhandlungen statt. Dieselbe. 
wurden geleitet vom technischen Direkttor St. Clair⸗ 
Deville. Die Vertreter der Organisationen machte; 
die Bergwerksdirettion darauf ausmerksam, daß du 
Hofjnungen der Werksrerwaltung, die Teuerungszi 
ser würde heruntergehen, sich nicht verwirklicht hätten 
Im Gegenteil, die Teuerung sei gewaltig gestiegen 
Im Monat August, wo die letzte Erhohung jür Sep— 
tember zugesagt wurde, betrug die Teuerung 647 
im Monat September stieg sie auf 659,5 und im Ot 
tober auf 688.9. Mithin sei die Teuerung von Augu, 
bis Ottober um 6.24 Prozent gestiegen. Nicht zu ver 
gessen sei, daß die Teuerung ab 1. Nopember eben 
falls nicht vollständig abgegolten sei. Das Elend ir 
den Bergarbeiterfjamilien trete immer mehr zutage 
was sich bereits in der Leistung bemerkbar mache 
Eine sofortige Lohnerhöhung entsprechend der Teue⸗ 
rung sei unbedingt notwendig. Die Erregung in der 
Bergarbeiterkreisen steige von Tag zu Tag und nu 
durch ein weites Entgegenkommen in der Lohnfro⸗ 
könne dieselbe gemeistert werden. 
Herr Direktor St. Claire Deville glaubte darar 
hinweisen zu müssen, daß sich der Franken augenblich 
lich wesentlich gebessert habe. Infolgedessen sei er 
schwer, an eine Kohlenpreiserhöhung heranzugehen 
Zudem wehre sich die französische Industrie und der 
Lothringer Bergbau mit aller Entschiedenheit gegen 
eine Erhöhung der Kohlenpreise. Die Wirtschafts- 
lage der Saargruben sei aber nicht so günstig, daf 
eine Erhöhung der Löhne ohne Kohlenpreiserhöhung 
porgenommen werden könne. Trotz und alledem habe 
sich der Verwaltungsrat der Saargruben in seine 
letzten Sitzung geeinigt, den besonderen Verhältnisse 
im Saargebiet Rechnung zu tragen und eine E 
höhung der Löhne, und zwar in der Form, daß de 
Multiplikator von 223 auf 231 ab 1. Nopember seb 
gesetzt würde, beschlossen. 
Mit aller Entschiedenheit wiesen die Vertreter de 
Belegschaften darauf hin, daß diese Lohnerhöhung vie 
zu gering sei. Mit diesem Angebot sei der Wirt 
schaftsfrieden im Saargebiet unter keinen Umständen 
aufrechtzuerhalten. Zudem sei die Wirtschaftslag 
der Saargruben nicht so, wie sie der Direktor S 
Claire Deville hinstellte. Augenblicklich sei sie seh 
günstig Infolgedessen müsse eine anständige Lohn 
erhöhung gewährt werden. Darauf erklärte die Direl 
tion. nicht in der Lage zu sein, ein anderes Angebo 
zu machen Sämtliche Organisationsvertreter lehnten 
dieses Angebot ab und ersuchten die Direktion, sofor 
mit dem Verwaltungsrat in Verbindung zu trete 
und demselben mitzuteilen. 
1. dah die Organisationen das Lohnangebot als 
niedrig ablehnen, da dieses gar nicht der ge 
stiegenen Teuerung entspräche; 
2. daß eine angemessene Lohnerhöhung früher g 
zahlt werden müsse; 
daß die Art der Lohnerhöhung geändert werde. 
müsse, da die Belegschaften eine gleichmäßige Er 
höhung für alle Arbeiter verlangten. 
Die Bergwerksdirektion will mit dem Verwaltungs 
rat erneu verhandeln. Der Generaldirettor wiu 
jedenfalls persöntich nach Paris jahren, um ner 
Vollmachten zu holen — Es ist tief bedauerlich, da 
die Bergwerksdirettion in Saarbrücken sich augen 
blicklich Amtliche Vollmachten von Paris holen mus 
Wir sind der Ansicht, daß die Bergwerksdirekto 
ohne weiteres in der Lage ist, die Löhne entsprechen 
der hiesigen Verhältnisse zu erhöhen. Nach unserer 
Dasürhalten ist nicht lediglich Parus das Hemmn 
sondern auch die übrige hiesige Industrie tut 
Möglichstes, um die Löhne im Saargebiet niedr 
zu halten. J. K 
Der Sechzehner⸗-Ausschuß des Gewerb 
vereins 
beschäftigte sich am Sonntag, dem 24. Oktober, 
dem WVerhandlungsergebnis. Noch der Ber ichte rstar 
tung durch Kamerad Kuhnen peachen Vertreter alle 
Juspektionen. Alle bezeichneten das Angebot als vu 
zu gering. Die Haltung der Organsationen wurd 
gut'geheißen. Nachstehende Entichliesung fand » 
stimmige Annahme: 
Die Vertreter aller Inspeltionen erklären de 
Lohnangebot der Verwaltung jür unannehmbar. ẽ 
Je
	        
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