Aummer 44
Sanvkrsicken, den 30. Oktober 1926
7. SZahrgang
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet
—
olealbobn sar die Ponebennm i8— Fr vierteliave des Bergarbeiterstandes Saarbiuchen. Nummer 1530. 1002. 2003 3164
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Das Echo auf den Aufruf zur
Es ist ein erfteuliches Zeichen, daß unser Aufruf
zur Werbearbeit ein sehr lebhaftes Echo weckte. Be—
onders sind es ältere Kameraden, die schon seit Ein—
sührung des Gewerkvereins im Saargebiet für den
Bergmannsstand Opfer bringen, die sich in A
en außern. Aber auch die Jugend fehit nicht. Alle
zuschristen betonen die Rotwendigkeit erhöhter
Werbetätigkeit. Es wird aber auch gezeigt, wie man
es machen muß, um die Zahl der Unorganisierten zr
mindern und eine bessere Beitragsleistung zu erzielen
Einige der Zuschriften bringen wir in der vorliegen
den Nummer zur Kenntnis aller Mitglieder. Wir
dürfen damit die Hoffnung verbinden, daß die Worte
der alten Kameraden die notwendige Beachtung und
sNachahmung finden. Gerade auf die Rachahmung
tommt es an. Selbst zupacken und arbei—
en,dasmußzdie Parole für jeden sein.
Der eine Kamerad beweist uns, daß der Erfolg
aicht ausbleibt, wenn man sich der Mühe unterzieht,
unorganisierte Kameraden zu besuchen und zu be—
lehten. Es kann ja auch nicht ohne Wirkung bleiben
wenn man seinem Arbeitsbruder in schlichten Worten
erklärt; warum man selbst organisiert ist und weshalb
man schon seit vielen Jahren in unentwegter Treuet
zum Gewerkverein steht. Jeder, der überzeugt ist von
ver Notwendigkeit des gewerkschaftlichen Zusammen—
chlusses, weiß auch die Begründung dafür zu geben
Er mußte sie sich ja selbst geben, um zu der festen
deberzeugung zu gelangen. Es genügt nun nicht
elbist ein überzeugkes Mitglied des Gewerkvereins zu
sein, nein, auch die noch Fernstehenden müssen ge—
wonnen werden. Dazu gibt es doch keine bessere
Methode, als diesen Kameraden die eigene Gedanken—
welt zu offenbaren. Um das zu tun, braucht man
ein großer Redner zu sein. Schlicht und einfach, so
wie man denkt und empfindet, übermittelt man dewm
indern seine eigene Einsicht.
Die Werbearbeit darf man nun nicht nur den
Lorstandsmitgliedern und Vertrauensleuten über—
assen. Alle Mitglieder sind interessiert an der
Werbearbeit. Es dat ihnen nicht einerlei sein, ob
er Gewerkverein stark oder schwach ist. Ein schwacher
ßewerkverein kann längst nicht so wirken, wie ein
tarker. An der Erstarkung des Gewerk,
»ereins zu arbeiten, ist somit Pflicht
iller Mitglieder. Wir sind felsenfest davon
iberzeugt, daß wir ein gutes Stück voran kommen
venn alle Mitglieder ide Mann stellen. Es löst
a auch große Freude aus, wenn man durch Werbe—
itbeit eine Erstarkung des Gewerkvereins erzielt, set
s durch Gewinnung neuer Mitglieder, sei es durch
jestigung eines Schwankenden, der auf dem Sprunge
teht, die Solidaritätsgemeinschaft zu verlassen, sei es
urch Erzielung einer höheren Beitragsleistung. Es
ann doch nicht so schwer fallen, sich mal einen Sonn
agnachmittag mit einem unorganisierten Kameraden
usammenzusetzen und mit ihm und seiner Frau
Unterhaltung zu pflegen über Sinn und Zweck des
jewerkschaftlichen Zusammenschlusses. Bei solcher
Unterhaltung öffnet der andere eher sein Herz und
pricht er sich aus, warum er fern steht. Dann kann
nan auch in der richtigen Weise „anhaken“ und ihm
as Verkehrte seiner Haltung nachweisen. Es ist doch
aicht unbekannt, wer im Orte oder in der Nachbar
chaft unorganisiert ist. Nur etwas Liebe zur Standes
bewegung ist notwendig und die Sache wird 58
tlappen. Und Freude wird man sicher erleben ob der
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dereins mitgearbeitet zu haben.
stritten hat, Unorganisierte im Bergmannsstande
zählt. Wenn 'ich an den großen Streik von 1927
denke, bei dem alle Bergleute organisiert waren
wo einer auf den andern acht gab, daß er beim Exer
zieren nicht fehle, wo auch jeder selbst darauf bedach
war, sein Mitgliedsbuch in Ordnung zu halten, dann
erfaßt mich eigentlich tieser Groll, daß inzwischen sich
wieder so mancher „verdrückte“r. Nach dem Streike«
schwuren Schlepper, Lehrhouer, Hauer und Schicht—
löhner der Organisation die Treue und beschlossen sie,
erhöhte Beiträge zu zahlen. „Bis zu meinem Tode
will ich Mitglied des Gewerkvereins bleiben“, so hörte
ich manchen sagen unter dem frischen Eindruck des ge—
ührten großen und erfolgreichen Kampfes.
Wer lust'gen Mut zur Arbeit trägt
Und rasch die Arme stets bewegt,
Sich durch die Welt noch immer schlägt.
Der Träge sitzt, weiß nicht, wo aus,
Und über ihm ürzt ein das Haus.
Mit frohen Segeln munter
Fährt der Frohe das Leben hinunter.
Ludwin Tieck
Aber leider, wie ist es gekommen? Flüchtig wie die
Zeit, haben auch viele den Treuschwur vergessen und
sind sie der Organisation weggelaufsen. Für alles
mögliche inte ressieren sich diese Kameraden, junge und
alte, nur nicht für ihre Standesfragen. Besonders
das Treiben vielet jungen Kameraden kann mir gar
nicht gefallen. Während der Sommerzeit habe ich
mehr wie einmal des Sonntags auf meiner Bank ge—
essen, den Kopf in die Hände gestützt und mir die
Frage vorgelegt, wo das Treiben dieser Jugend hin—
ühren soll. Zum Besuch einer von der Organisation
inberufenen Versammlung hatten sie „keine Zeit“.
Sie ließen sich von der dicken Trommel zu Fest und
Sportplatz führen. Aber nicht nur die Jugend allein.
auch ältere Bergleute huldigen dem „Kummel“. Die
Regelung und Bessergestaltüng ihres Arbeitsverhält
nisses, des Tarifwesens, des Knappschaftswesens usw
überlassen ste den opferwilligen Kameraden. Wenn
es am Zahltag nicht klappt oder bei den Verhandlun—
gen nicht genug herausgeholt wird, dann reißen
aber den Mund noch am weitesten auf und ziehen si—
über die Gewerkschaften her. Ihr früheres Mitglieds—
buch ist unter alten Papieren verschwunden oder im
Schrank zwischen dem Geschirr vergraben. In den
meisten Fällen liegt das daran, daß der Kamerad
oder seine Frau niehrmals den Beitrag nicht zahlte
aus Gleichgültigkeit) und so mit den Beiträgen in
Rückstand geriet. Nachher kam man nicht mehr mit
und dem Gewerkverein war ein Mitglied verloren
So etwas durfte bei keinem Kameraden vorkom—
men, der einmal den Treuschwur geleistet hatte.
Als alter Kämpfer bitte ich nun alle Mitglieder,
die untreu gewordenen Kameraden aufzusuchen und
fiir den Gewerkverein wieder zu gewinnen. Ich tu
das auch. Ich ging zu meinem Zahlstellenvorsitzenden
und ließ mir einige der „Beitragsdrücker“ heraus—
chreiben. Fünf Stück waren es in meinem Bereich.
Da es am Sonntag regnete, habe ich die fünf auch zu
Hause angetroffen. Vier Stunden setzte ich datan,
um mit den Kameraden über die Notwendigkeit des
Zusammenschlusses zu sprechen. Drei haben eingesehen,
daß sie eine Dummheit begangen haben und sind sie
wieder als Mitglied beigetreten. Einer zahlte sogat
die restierenden Beiträge nach. Am nächsten Sonntag
werde ich die beiden andern weiter bearbeiten. Bis
Weihnachten muß das alte Regiment wieder gefüllt
sein und marschbereit dastehen.
Wie jeder erkennen kann, kommen wir schon voran
wenn in jeder Zahlstelle so gearbeitet wird. Jedes
Mitglied muß eben seine Ehre darein setzen, den Ge
wperkverein stärklen zu helfen an Mitgliedern un'
finanzkraft⸗ lr.
Wie ich es mache
Als alter Gewerkschaftler, der schon seit Einfüh—
ung des Gewerkvereins im Saargebiet Mitglied ist
ühle ich mich verpflichtet, etwas zu dem Ausfrtufe zur
Werbearbeit hier zu sagen. Daß es unbedingt not
dendig ist, in erfter Linie neue Mitglieder zu wer
den, ist selbstverständlich. Tief zu bedauern ist es ja
daß man heute noch, wo alle Bergleute wissen müß
en. welche Vorteile die Gewerkschaftsbewegung er
Werbearbeit
Was tut not?
In diesen Wochen sind die christlichen Gewerkschaf—
ten ganz Deutschlands dabei, durch eifrige Agitation
das Heer der Unorganisierten zu mindern. Hundert—
tausende gibt es ja, die gleich den Drohnen ernten,
ohne zu jaen. Daß ein soliches Benehmen beschämend
fürr einen aufrechten Arbeiter ist, soll nur nebenbel
erwähnt werden. Aus diesem Zustande, aus dieser
Gleichgültigkeit müssen wir Arbeiter endlich heraus.
Vor einigen Tagen hatte der deutsche Beamtenbund
eine Tagung, auf der 15 Millionen Mitglieder ver—
treten waren. Warum weisen die Arbeiterorganisa—
tionen nicht auch solche Zahlen auf? Ganz einfach!
Der Arbeiter ist viel zu gleichgültig, um darüber
nachzudenken, wo der Vorteil liegt. Der Beamte von
heute hat in kurzer Zeit erfaßt, daß nur von einer
festgefügten Drganisation Ieime Forderungen durch⸗
gesetzt werden können. ährend also der Beamte
ernstlich daran denkt, wie er sein Daseinsverhältnis
bessern kann, ergeht sich der Arbeiter viel zu viel in
Kleinigkestten. Jeder Quark und jeder Dreckh ist für
ihn ein erwünschter Anlaß, seiner Organisation fern
zu bleiben. Erst wenn ein Gewitter am Horizont sich
zusammenzieht, dann besinnt er sich auf die Organi—
sation. Seine erste Frage ist dann: „Was erhalte ich,
wenn ein Streik ausbricht?“ So kommt gewöhnlich
die Gewissenserforschung, wenn es zu spät ist. Brauchte
sich ein Arbeiter in einer schweren Situation Kopf—
zerbrechen zu machen, wenn er immer dem Gewerk—⸗
verein treu blieb? Rein. Ein Arbeiter soll und muß
nach erfolgter Arbeitsagufnahme Mitglied der Orga—
nisation werden. Tut er das, dann braucht er sich
keine Sorgen zu machen, wenn ein Arbeitskampf be—
vorsteht. Erinnert sei nur an den Streik auf Grube
Hostenbach im Jahre 1914. Zehn Wochen hielt die
ganze Belegschaft treu aus. Sie konnte das tun, weil
die Belegschaft restlos organisiert war und auf eine
langjährige Mitgliedschaft zurückblicktete. Gar viele
hatten auch — freiwillig höhere Beiträge ge⸗
leistet, jo daß die Unterstützungen den Lohnausfall
fast wett machten.
Da ich gerade den Beitrag erwähne, sei mir
dazu als zwanzigjähriger Beitragszahler noch ein
Wort gestattet. Trotzdem ich eine große Kinderzahl
habe und genau weiß, wie mit jedem Pfennig ge⸗
rechnet werden muß, drückte ich mich nie an der zu⸗
ständigen Beitragsleistung vorbei. Und ich kann
sagen, daß meine Kinder deswegen kein Stück Brot
weniger aßen. Ich ärgere mich immer, wenn ich sehen
muß, wie gerade in punkto Beitragsleistung unsere
Kameraden so knauserig sind. Zahlt jedes Mitglied
den notwendigen Beitrag, dann kann die Organisa—
tion doch besser ihre Aufgaben erfüllen. Es ist doch
eine große Anzahl opferfreudiger Mitglieder vorhan⸗
den, die freiwillig einen höheren Beitrag zahlen, als
den durch die Saßung vorgeschriebenen. Andererseits
aber gibt es weit mehr Mitglieder, die einen geringe—
ten Beitrag zahlen, als sie satzungsgemäß verpflichtet
sind. Ste glauben, die Organisationsleitung setzte
den Beitrag fest und brauchten sie deswegen den
„„ohen Beitrag“ nicht zu zahlen. Auch darüber muß
Klarheit herrschen. Die Beiträge setzt nur die Gene—
ralversammlung fest, die als gesetzgebende Körper⸗
chaft gilt und deren Beschlüsse darum bindend für
jedes Mitglied sind. Die Beschlüsse, die in den Satzun⸗
gen niedergelegt sind, muß die Organtisationsleitung
durchsühren. Jede Organisation muß, wenn sie lebens⸗
und leistungsfähig sein will, die Beiträge so —
daß sie niemals ins Hintertreffen gerät. Vor dem
Kriege hatten wir immer ziemlich stabile Verhält⸗
nisse im Beitragswesen. Leider kamen Krieg und In⸗
flation dazwischen, die Unordnung herbeiführten.
Heute müssen wir wieder unbedingt zu einem geord⸗
neten Beitragswesen kommen. Dazu muß jseder bei⸗
tragen. Die Satzungen geben die genaue Richtllnie
an. Wer sich nicht an ste hält, schädigt sich, seine Fa⸗
milie und den ganzen Stand. Den Nußen hat aller⸗
dings der Arbeitgeber. Sorgen wir also geschlossen
zafür, daß wir alle Bergleute für unsere Organilsa⸗
ron gewlnnen, die noch wild“ herumlaufen und daß