Aeille 2
führen wären. Mertt er nun, daß solches doch nicht
in kurzer Zeit sich verwirklichen iäßt, dann läßt er
bald den Kopf hängen und wird flügellahm.“ Er
untersucht nicht mehr lange, welche Kräfte dem ent.
gegenstehen, sondern läßt er von dem, was er augen
blidlich erlebt und jeitstent, seine Haliung und Cin
tellung bestimmen
Meine jungen Freunde! Ein solches Gebaren ist
einmal grundverkehrt, dann aber auch recht gejähr—
lich. Und zwar recht gefährlich für die Zukunfji der
Knappenjugend. Wenn unsere heutige Jugend er—
messen will, ob der Vergmannsstand vorgngeschritten
ist, daun muß sie die Vergangenheit kennen lernen
und das bittere Los, das der Bergmannsstand vor
wenigen Jahrzehnten ertragen mußle. Die Lage de—s
Bergmannsstandes — insgesamt gesehen — war nich
immer so wie sie heute ist. Mag duch heute der Berg—
monnssrand noch nicht auf Rosen gebettet sein, so ist
doch gar manches gegen früher viel, viel besser ge—
worden. Ihr, meine jungen Freunde, habt allerdings
diese gegen früher verbesserten Vorhältnisse bei der
Arbeitsaufuahme jchon aängetroffen. Daher könnt
ihr gauch nicht so wie die älteren Bergleute die erziel—
ten Fortichritie erkennen. Nun mag es möglich sein
daß sich seit der Arbeitsaufnahme noch einiges ver—
schlechtert hat infolge der Ungunst der allgemeiner
Verhältnisse. Das führt dann leicht zu der Annahme
alles Streben und Ringen sei doch umsonst und se
es am besten, gleichgültig in den Tag hineinzuleber
und sich um nichts zu bekümmern
Diese Stimmung beeinflußt natürlich auch das
Verhältnis zur Ortganisation Hat man durch allzu
schnell gefaßtes Urteil festgesteüt“, daß doch „nichts
besser geworden“ sei, so ist es selbstverständlich, daß
man auch für die Organijation „nichts mehr gibte
„Es hat doch keinen Zweck, wir kommen ja doch nich:
voran“, sind die Redensarten, die solcher Einstellung
entspringen. Dabei allein läßt es dieser oder jener
nicht mal bewenden, sondern versucht man auch noch
die Jungkameraden, die immer noch für die Organi
dation und die Jugendbewegung tätig sind, zu ver
ullen, indem man ihnen sagt, sie sohten doch nicht
„so dumm sein und für eine ausfichtsloje Sache“ Jeit
and Geld vergeuden.
Wie ich schon anführte, sind solche Gedankengänge
und Aeußerungen sehr gefährlich für die Jugend
selbst. Bringen sie euch, meine jungen Freunde, in
eine ablehnende Haltung zur gewerkschaftlichen Or—
ganisationi, dann wird eute Zukunit, darauf könn!
ihr euch verlassen, viel schlechter aussehen als eurt
heutige Lage. Es ist so, daß ohne Selbsthilfe der
Borgmannsstand noch in der jämmerlichen Lage von
früher sich befünde. Nur durch die Selbsthilfe, die
erst wirtsam wurde durch die Zusammenfassung der
Einzeinen im Gewerkverein, wurde Arbeitszeitrer
kürzung, Tarifwesen, Schlichtungswesen, Erholungs
urlaub, Verhandlungsfähigkeit, aber auch politische
Freiheit und Selbständigkeit erreicht. Jahrzehnte—
lang mußte um diele Foͤrtschritte gekämpft werden
von einer treuen Knappenschar, die sich nicht so leichi
in ihrem Zielstreben beirren ließ, als manche junge
Knappen von hente, die nach der ersten Enttäuschung
schon die Flinie ins Korn wersen. Wirft nun di?e
Jugend die Flinte ins Korn, dann ist letzten Endes
niemond moehr da, der für die Gestaltung ihrer Zu—
kunft känrptt. Dann wird es dem Arbeitgeber, der
sich die Fortschritte doch nur abringen ließ, ein leich
tes sein, all das dem Bergmannsstande ver Zukunft
wieder wegzunehmen, was die alte Generation er—
worben hatte.
Nun frage ich euch, Jungknappen: Wollt ihr das?
Ich meine. was die Vater errungen haben, muß die
Jugend festzuhalten suchen. „Was du ererbt' von
deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.
Eure Väter? haben durch eifrige Mitarbeit um' Ge—
werkperein den Bergmannsstand vorangebracht. ihr
aus der alten drückenden Unfreiheit herausgeführt
Das ist dos Erbe, das sie euch hinterlassen. Dieses
Erbe müßt ihr wieder erwerben, um es für die Zu—
kunst auch fest zu besihen. Und erwerben könnt ihr
es nur durch Festhalten am Gewerkvetein, durch
Starkmachen und Starlethalten des Gewerkvereins.
Das Erbe der Väter nur biidet die Grundlage für
Fortschritte in der Zukunst. Wer also die Grundlage
preis gibt, bringt sich selbst um jeden Fortschritt
Wer will das? Kein aufrechter Jungknaͤppe danß
das wollen.
Wir wollen das Erbe der Väter erhaltien und
mehren, das muß die Losung sein, meine jungen
Freunde! Dazu ist aber notwendig, daß wir auch
den Gewerkverein erhalten und stärken. Einmail
müßzt ihr, meine jungen Freunde, ihm selbst immer.
dar treu bleiben, dann aber auch sür seine Stärkung
besorgt sein. Wenn jeder von euch den festen Vorsaß
jast. in den nächsten Tagen nur ein Mitglied dem Ge⸗—
werkverein zu dewinned und jeder von sich aus einen
höheren Wochenbeitrag zahlt und seinen
Kameraden auch dazu bewegt, dann wird der Ge—
werkverein das Erbe der Värer euch erhalten und
mehren. Dann wird der Bergmannsstand nimnmer
mehr in die alte Unfreihrit zurückgeworfen, dann
wird, der Bergmannsstand der Zuͤkunft auf der von
—A
erzielen.
„Der Sagr Bergknappt Nuncmet do
— ———— — — ——— — ——
Jungens, zeigt nun, daß ihr nicht von Pappe seid'j Der nächste Hauptredner war Geheimrat Kasti
sSeran an die Lauen, Gleichgültigen und Müden! Er beschäftigte sich mit wirtschaftlichen und soziale
Reißt sie hoch, begeistert sie für den Freiheitskampf Fragen, insbesondere auch mit der sogenannter
des Bergmannsstandes! Nögen auch Schwierigkeiten Fsozialen Belastung“. Dieser Redner stritt sich wiede
ich auftürmen, mit jugendlichem Feuermut und hei um Zahlen mit der Regierung, ohne auf die sitt
iger Begeisterung müssen sie überwunden werden. lichen und) oziaben Ver pflicht ungen de
Jungens, stellt euch allesamt in den Dienst der Unternehmer auf dem Gebiete der Sozialpolitit ein
guten Sache! Verschiebt die Arbeit, die der Zukunfn zugehen. Dann streifte er die Lohn z und Ar
wegen geleistet werden muß, nicht von heut auf hetseitfrange. Seine diesbezüglichen kurze
morgen Frisch gewagt, ist halb gewonnen. Alse Bemerkungen wollen wir nachstehend wörtlich wieder
hjeran an die Arbeit, der Erfolg wird euch nicht ver“ ßeben. Nach der „Deutschen Bergwerkszeitung“ ijühr
agt bleiben! Nur so dient ihr euͤrer eigenen Zukunft Eekeimrat Kaitt aus
Denkt an des Liedes Strophe:
„Wer bleibt da träge, lau und müd'
Wer fürchtet Kampf und Not!
Um unsere jungen Stirnen glüht
Der Zukunft Morgenroß“
„Es kann nicht oft genug betont werden, daß nomines.
Lohnerhöhungen keine Stärkung der Kauftraft bedeuten
daß vielmehr die Stärkung der Kauftraft in der durg
erhöhte Leistung ermöglichten allgemeinen Verbil—
ligung der Arbeitsprodukte gesucht werden muß. Ein
zwangsweise Bestimmung der Löhne durch den Staa.
widerspricht den natürlichen Erfordernissen einer gefunder
Wirtschaitsjührung. Wir wollen durch eine Erhöhung der
Leistung auf der Grundlage der Werksgem einichaßt
zu höheren Reallöhnen gelaugen, und wir lehnen di
schematische Anwendung des Tarifsystents ab, weil dadurt
der Grundfsatz der Bemessung des Lohnes nach der Leiltune
durchbrochen wird. Diese Gesichtspunkte sind auch mah
aebend für unsere Stellungnahme zum Referentencerntwur
des Arbeitsschutzaesetzes. Bevor nicht Klarheit darüber be
steht, ob das Wajhingtoner Arbeitszeitabkommen über
haupt vor den wichtigeren fremden Ländern ratißziert
werden wird, ist eine voreilige Kodifikation des de uischer
Arbeitsschutzrechtes, zum mindestes hinsichtlich der Arbein⸗
zeit, äuberst gefährlich“
45. 4
Reichsberhand der deunchen
— * 7
Industrie und Arbeiterschust
Der Reichsverband der deutschen Industrie hielt in
den ersten Septembertagen seine siebente Mitglieder—
versammlung in Dresden ab. Diese Tagung hat ir
der öffentlichen Meinung ein starkes Echo gefunden
Rach einem Bericht der „Deutjchen Bergwerkszeitg.
(Ar. 207 vom 4. 9. 26) waren mehr als 3000 Mit
glieder und Gäste versammelt. Unter den Gästen be
fanden sich mehrere Reichs- und Länder-Minister.
Die Tagung des Reichsverbandes dürfte auch un⸗
Arbeiter in stärkerem Maße interessteren. Hier wurd
zu wichtigen gewerkschaftlichen und sozial—
politischen Fragen Stellung genommen. Das
geschah insbesondere in den beiden Vorträgen vop
Geheimrat Kast!l und Generaldirektor Silper
berg, dem bekannten rheinischen Braunkohlen
industriellen. Bevor wir auf diese Reden eingehen
müssen wir zunächst zu den Ausführungen des Reichs
verbandesvorsitzenden. Geheimrat Dr. Duisbu ra
einiges sagen.
Geheimrat Dr. Duisburg ist der Hauptleiter des
neuen Farbentrusts, der die chemische Industrie
beherrscht und eine starle Macht in der deutschen
Wirtschaft repräsentiert. Er hielt bei Beginn der
Tagung die Eröffnungsansprache. Darin gab er zu
nächst einen Bericht über die sechsmonatige Welt
studienreise wieder. Hierbei will sich der Red
ner in den Vereinigten Staaten überzeugt haben
detz die Amerikaner wohl ais die einzigen Ge
winner des Weltkrieges zu betrachten find
Er zollte dem amerikanischen Volte hohe Anerken;
nung, um damit gleichzeitig eine Spitze gegen die
deutsche Sozialpolitik zu richten. Die Soziaipoͤntit in
unserem Sinno kenne man in Amersta nicht. Die
Gründe dafür gibt er nicht näher betannt. Jedod
müssen ihm diese Unterschiede, wie fie zwischen Deutsch
land und Amerika bestehen, wohl bekanni sein. Be
merkenswert war das Lob, welches er den Japanern
ollte: „Japan mit seinen fleißigen und tatkräftigen
Bewohnern rerdient die höchste Bewunderung.“ Dem
deutschen, arbeitenden Volte wurde eigentismlicher
weise eine solche Anerkennung nicht ausgesprochen
Statt dessen erging sich der Redner in Pessimismus
und beklagte es, daß ein sozia lpolitisches Gesetz ar
das andere gereiht worden sei. Die Lage in Deutsch
land wäre immer noch sehr trübe. Trotzdem würde
die gesetzliche Sozialpolitik bei schlechtester Lage der
Industrie fortgesetzt. Nebenbei wird zwar die Not—
wendigkeit sozialer Fürsorge anerkannt, trotzdem
aber gegen die fortschrittliche Sozialpolitik Steilung
genommen. Doß es der deutschen Wirtschaft auch im
allgemeinen nicht so schlecht geht, das beweisen doch
auch die gewaltigen Ueberschüsse, welche der Farben
trust in den Jahren 1924 und 1925 erzielt hat. Ins—
zejamt in den beiden Jahren über 120 Millidnen
btark Reingewinn. An einer anderen Steile seiner
Rede weist der Vorsitzende auf die Arbeitsfreudigkeit
m Auslande hin. Er sagte, der Ausländer'ar
beite gern und willig; es käme ihm nicht auf die
Dauer der Arbeitszeit an, wenn er nur sein
Einkommen erhöhen und die Produktivität seines
Werkes und Landes steigern könne. Demgegenüber
seien viele deutsche Arbeiter der Ansicht, daß die Ar—
beit nichts anderes als Frondienst für die Unter—
nehmer und Kapitalisten sei. Diefe Ansicht teilen
wir nicht, sie hat jedoch zum Teil ihre Ursache in der
unwürdigen Stellung, welche der Ardelier viel
'ach im Betriebe, der Volkswirtschaft und Gesellschaft
noch heute einnimmt. Der Hinweis auf die lange Ar
beitszeit im Auslande kann doch wohl nicht stimmen
Der mehrmonatige englische Bergarbeiter
hampfebesagt doch etwas anderes. Außerdem is
sich ja Geheimrat Duisberg über die Wirkung eine!
überlangen Arbeitszeit im Auslande selbist klar ge
worden. In Bezug auf die Verhältnisse in Chine
sagte er nach der Deutschen Bergwerkszeitung“ üben
die dortige Arbeitszeit: „Trog allen Fleihes bei 14
tündiger Arbeitszeit herrichen Elend und Armut.“
Mag er diese Aeußerungen auch im Zusammenhang
nit den Wirren in China genannf üae
doch jedensalls beaeichnens
In diesen wenigen Sätzen ist das arbeiter- und ge
werkschaftsfeindliche Programm des Reichsrerbande—
der deutschen Industrie enthalten. Es erübrigt sich
dazu noch einen langen Kommentar zu schreiben. Wi—
es übrigens mit den höheren Löhnen bei steigenden
Leistung in Wirklichkeit aussieht, das haben die letz
ten Lohnverhandlungen im Ruͤhrbergban be
wiesen. Wer die obigen Zeilen aufmertsam lieft
wird darin eine scharse Kampfansage an die organ
sierte Arbeiterschaft finden.
Daran ändert auch die Rede von Generaldirekto—
Stlverberg nichis. Silverberg hielt einen Vor
trag über „die Stellung des Unternehmertums in der
Nachkriegszeit.. Seine Rede weicht von den sonsi
üblichen Scharfmacherreden erheblich ab. Er zollt den
Aalten“ Gewerkschaften Anerkennung auf derselber
Tagung, wo der Geheimrat Kasthdas sozialbregak
tionäre Programm der Industriellen winder
ausgräbt, die Werksgemeinschaften empfirhle
und die Tarifverträge in der jetzigen Form ablehnt
Dadurch ist man gezwungen, die scheinbar arbeiter⸗
freundlichen Wendungen in der Silverbergschen Rede
mit Vorsicht aufzunehmen. Unseres Erachtens LUafijt
hier ein großer Widerspruch. Man muß fich doch
fragen:; Welchen Kuürs wollen die Indu
sttriellen, angesichts dieser Widef
prüche, einschlagen?
Wir wollen Dr. Silverberg den Willen, mit
der Arbeiterschaft ein besseres Verhältnis anzustre⸗
ben, micht absprechen. Wird er die Kraft haben, auch
die Fachgruppe Bergbau und die Eisen- und Stahl⸗
industriellen dahin zu bringen? Wir glauben, diese
Leute und ihre innere Einstellung genügend zu
kennen. Von dieser Seite her will man uͤnt rücksnichts
losen Kampf gegen die Ärbeiter und ihre gewerk—
schaftlichen Organisationen. Um die Arbeiter zu ent⸗
rechten, sollen die Gewerkschaften vernichtet und die
gelben Werksgemeinschaften eingeführt werden. Das
ist das Hauptziel der Großindustriellen und der hin⸗
tet ihnen stehenden Scharfmacher. Deutlicher können
wir im Augenblick nicht werden. Wir hoffen jedoch
es bald nachzuholen.
Generaldirektor Silverberg beschäftigte sich auch im
besonderen mit den christlichen Gewerkschaften. Er
agte nach der „Kölnischen 3tg.“
»Die in den christlichen Gewerkschaften organifierse Min—
derheit leidet unter allen Schwächen einet Minderheit, die
iich vor allem in der Ueberspannung sosial⸗ und lohnpoli⸗
tischer Forderungen ausdrückt, die wieder bei der Meha⸗
heit, den freien Gewerlschaften, die Tendens zum Ueber—
bieten auslöst.“
Der Sinn dieser Worte ist etwas dunkel. Herr
Silverberg müßte wissen, daß es Industriebegirke
gibt, wo das Stärkeverhältnis in gewerkschaftlicher
Hinsicht umgekehrt liegt. Auch im Bergbau ist das
hier und da der Fall. Uebrigens erinnert uns jene
Redewendung an eine Aeußerung von Herrn Kir
dorf im Jahte 1906, der die „Christlichen“ bekannt—
lich als die Schlimmern hinstellte. Das Ausspielen
der einen Organisationsrichiung gegen die aͤndere
muß im Zusammenhang mit seiner Rede doch etwas
sonderbar anmuten. Den Appell Silverbergs an die
Sozialdemokraten, in die Regierung einzutreten,
können wir an dieser Stelle iibergehen, da wir es
grundsätzlich ablehnen müssen, uns anf das Echiei
zu begeben. Der versöhnliche Geift der Rede Silver—
bergs kam zum Schluß in der Ausforderung zu ge—
meinschaftlicher Arbeit wie folgt zum Ausdtud