Full text: Der Saarbergknappe (7 [1926])

Nummer 4 
Saarbrücken, ben 23. Januar 1926 
7. TVahrgang 
J JV IJ 4 45 4 4 545 ** 145 14 531 
56 —— — 
Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlands für das Saargebiet 
Etichetnt teden Samstas fur die Mitslleder nn F Für wirtschaftliche u. geistige H Gelchäftsstelle des Saar⸗Betaknappen“: ——— 2 
do e des Bergarbeiterstandes ——A6 
Rach der Knuppschastswahl 
Vie Knappschaftswahl liegt hinter uns. In heißem 
Ztraußze wurde um die Mandate gerungen. Das be— 
weist die Wahlbeteiligung, die durchweg 83 bis 100 
Prozent betrug. In vielen Sprengeln hat das letzte 
wahlberechtigte MRitglied sein Wahlrecht ausgeübt. 
Das ist ein Beweis, daß die Vorbereitungen gut ge— 
troffen waren. 
Unsere Mitglieder haben sich in vier Fünftel der 
Sprengel gut geschlagen. Sie haben wirklich pflicht⸗ 
ewutßzt gebandelt. Die letzte für den Gewerkoerein 
n Frage komende Stimme sicherten sie. Wenn auch 
nicht überall eiln Mandatsgewinn die Anstrengungen 
jelohnte, dann wurden dem Gewerkverein aber doch 
zie zustehenden Stimmen gesichert, was sehr viel 
vert ist. Wir ersparen es uns, diese Sprengel be— 
onders namhaft zu machen. Wer die Liste genau 
tudiert, die an anderer Stelle dieser Rummer ver—⸗ 
iffentlicht ist, wird schon finden, in welchen Spren⸗ 
zeln unsere Mitglieder restlos der Parole folgten 
aind Disziplin hielten. Wir sagen all unseren treuen 
VUitarbeitern und denen, die Parole hielten, an die— 
er Stelle unsern Dank. Und das Gelöbnis wollen 
vir uns geben, immer so zu handeln und auch die 
Hlitglieder zum Einhalten der Parole zu erziehen, 
ie es diesmal noch nicht über sich brachten, ihrer 
etgenen Organisation den Erfolg zu sichern. Die ver— 
chiedenften Gründe, teils persönlicher Natur, teils 
aber auch aus einer falschen Solidaritätsauffassung 
entsprungen, haben sie bewogen, Verbandskandida— 
len thre Stimme zu geben oder der Wahlurne fern 
zu bleiben. NRur dadurch war es dem Verbande mög— 
ich, etnen Stimmenvorsprung und die überwiegende 
Viandatszahl zu erringen. Der Stimmenvorsprung 
deträgt nur mehr 1679. Unter Einrechnung der 
5timmenergebnisse der letzten Wahlen beim Hosten— 
dacher, St. Ingberter und Frankenholzer Knapp— 
chaftsverein hat der Gewerkverein einen Stimmen— 
uwachs von rund 6000 erzielt. Der Stimmenzuwachs 
etriige 6000, wenn ein Teil der Mitglieder nicht ver— 
agt hätte. In diesem Falle wären dem Gewerkverein 
zuch über die Hälfte der Mandate zugefallen. Jeder 
vird das erkennen bei genauer Prüfung' der Liste, 
in der wir die Sprengel im Druck hervorheben, in 
henen der Gewerkverein die überwiegende Zahl der 
waßlberechtigten Mitglieder besitzt. Wir können die 
bitteren Gefühle der Mitglieder verstehen. die in 
diesen Sprengeln Parole hielten und sich alle Wühe 
zaben, ein den Verhältnissen entiprechendes Ergeb— 
nis zu erreichen, als sie festitellen mußten. daß ihre 
eigenen Organisationskameraden ihnen in den Rücken 
gefallen waren. Dieser Vorgang darf sie aber nicht 
»er, praktischen Gewerkschaftsarbeit entführen, weil 
onst das Uebel nur größer würde. Unsere Ardeit 
nuß darauf eingestellt bieiben, beim nächsten An— 
aß die Scharte auszuwetzen. Auch die Jubelfanfaren 
des Verbandes dürfen uns von diesem Zielstreben 
atcht abörlingen. Wenn er in seiner Verärgerung 
iber das immerbin hohe Stimmenergebnis des Ge— 
verkverelns in der „Volksstimme“ lospoltert, dann 
oll uns das garnicht beirren. Es beweist uns nur, 
»aß wir in der richtigen Weise die Wahlvorberei— 
ungen getroöoffen hatten. Wenn der Gewerkverein es 
ür gut fand, sich brieflich an alle seine Mitglieder 
zu wenden, weil sie nicht sämtlich in Versammlungen 
usammengefaßt werden konnten, dann geht das den 
Aten Verbond aber auch gar nichts an In diesem 
GBriefe siund nur unwideriegliche Tatsachen enthalten, 
vährend umgekehrt die Verbandler in vielen Spren⸗ 
zein Sonderflugblätter verbreiteten, die in schlimm⸗ 
ter Weise unsete Kandidaten mit Dreck bewarfen. 
Der Verband soll also ruhig vor seiner Tür deßren. 
a liegt genug zum Wegschaffen. 
Die Verhöhnungen, die der Verband genau wie 
ruher dem Gewertkverein zuteil werden läßt. müssen 
inse rim letzten Uitglied die Augen öffnen. Viele un— 
erer Viitgiteder ließen sich ja nur von Humanitäts⸗ 
efühlen lenten, als sie dem Verbandskandidaten ihre 
Stimme gaben. Der Verband macht aus dieser rein 
»ersöonlichen Einstellung ein Vertrauensvolum für 
ich als Organisation. So und nicht anders bewertet 
wuich die Oeffentlichteit das Verhalten der Gubeitt 
beret ziglteber. die keine Parole hielten. Sie 
nhuei r rt—ι um mas es nerttih beiaffe— 
Wahlen geht und endlich sich zur richtigen Schluß⸗ Leiden schon die Familien der Erwerbslosen großt 
'olgerung aufschwingen. Tun sie das, dann wird sna so ist der arbeitende Saar-Bergmann mil sei— 
derband keine Jubelfanfaten mehr anstimmen kön nem, noch erheblich darunter bleibendem Verdienß' 
ien, was er auch genau aus der Prüfung des vor —* Elend preisgegeben. 
iegenden Ergebnisses erkannt hat. Trostlos sind die Verhältn M e der 
u F —— und diig 
5 Ihre monatlichen Bezüge reichen auch nicht an— 
Die Frankenempfänger daernd que7 I eie e Tage zu 
2 — efriedigen. Gegenüber den Knappschaftspenslonen 
im Reichsgebiet F Reiches — sich die Rente des ieene 
Leidet schon der im Saargebiet wohnende Arbei Ingers wie folgt: 
er unter unzureichenden Laͤhnen und ungenügenden Im Rubrgebiet monatl. — M.; Wurmaebiei mongil 
eistung der Sozialversicherung, so befindet sich der gn Pane 7*0. M. 
Frankenempfänger im Reichsgebiet mitten im' Ju. dn Bayern monat!l. 6070 V. im Siegerland mongu 
ammenbruch. Schon seit Monaten verschlechtern sich — M. 
erart die Existenzbedingungen, daß mühsam erwor Im Sagarsebiet monatl. 21,145 M. 
enes Eigentum peräußert werden muß. Nur wenige Die Leistungen der einzelnen Vereine sind naq 
Arbeiter hatten Gelegenheit, in deutschen Betrieben einer Mitgliedsdauer von 25 Jahren berechnet 
unterzukommen. ·Die große Menge der Arbeiter Innerhalb der deutschen Bezirksvereine dürften nach 
nußte im Saargebiet in Arbeit bleiben. Sie ist der der Verbindlichtestsertiärung des gefällten Schiede 
Not und dem Elend preisgegeben. Schon seit An- spruches die Leistungen gegenwärtig noch höher sein. 
ang des vergangenen Jahtes ist in den deutschen Viele so in Not gekommene Berufsinvaliden und 
vhebieten eine sortfwährende Vertenerung det Lebens: Witwen sind, nachdem die vorhandenen kleinen Ver— 
jaltung festzustellen. Der Teuerxungsinder stieg von mögen aufgezehrt, der Armenverwaltung zur Laft ge— 
134,4 im Januar 19253 auf 141,4 im Monat Novem- fallen. Die Gemeinden sind durch die Verhältniss⸗ 
ber. Der deutsche Arbeiter konnte sich in Anbetracht selbst in finanziellen Schwierigkeiten. 
dieser Entwickelung eine Ethöhung seines Lohnes Zu all diesen Mißständen kommen hohe Steuer— 
erringen. Hatten im Saargebiet die Lohnerhöhun— ifo rderungen, des Staates und der Gemeinden, 
zen schon nicht den Teuerungsverhältnissen entspro— sowie unerträgliche Zotischwierigtei' 
hen. so befindet sich der Frankenempfänger im Reichs den. Verfuchte der im Saargebiset be— 
gebiet gegenüber seinem in Mark entlohnten gome. sd äftigte Arbeiterssich einange Leben's— 
aden, in einem umgetehrten Verhältnis. Verteuerunghn elegen Frankten zustaufen, wer— 
der Lebenshaltung u. Rückgang des Verdienstes kenn- den ihm diesevn den goline llev weg; 
zeichnet die Sitnation. Entsprach noch der Verdienst genommen. 
rines Hauers im Monat September mit 500 bis So ist in die sonst blühenden Orte Not, Entbeh— 
Frs. einen Eintommen von 100 bis 110 Mark, rung und Elend eingezogen. Hilfe ist hier notwendig. 
o ist dies im Dezember unter d0 Vart gesunken. Es Sie muß von der Reichsregierung, aber auch von da 
ommt hinzu, daß eine große Anzabhl Arbeiter diesen DSirektion der Saararuben gesordert merden. 
Frankenverdienst nicht erreichen. q. G. M 
Von diesem rohen Einkommen bhat dieser Arbeiter ——— 
toch erhebliche persönliche Aufwendungen zu machen. 
Zunächst sind Tausende, durch die weite Entfernung 
‚wischen Wohnort und Arbeitsstätte gezwungen, in 
rerhalb der Woche in den Schlafhäusernr ünd 
Quartieren zu verbleiben. Die Mehrausgaben 
ur Führung des doppelten Haushbaltes sind enorm 
Die große Mehrzahl dieser Arbeiter benüßt zum täg— 
ichen Berkehr zwischen Wohnort und 
Arbeitsstätte die Eisenbahn. Infolge 
der Reparationsverpflichtangen ist der Tarif für 
Zeitkarten auf der Reichsbahn erbeblich höher als im 
Saargebiet. So beträgt der Fahrpreis bet 
19 Kilometet Saar — 12,- Frs. Deutichl. — 7,40 M 
15 Kilometer Saat — 17,— Frs. Deutschl. — 10,410 M 
WM Kilometer Saat — B, — Fts. Deutschl. — 1260 M 
5 Kilometer Saar — 28,— Frs. Deutschl. * 1420 M 
Je nach der Entwertung des Franken erhöht sich 
der Preis einer Monatsfahrkarte. So hatte die Di— 
rektion der Sgaarbahnen noch im Oktober einen Um— 
ochnungskurs von 5.10 Frs. Im Novemboer einen 
olchen von 5.80 Frs. und im Dezember sogar 6.50 F. 
Dementsprechend ändert sich der Preis der bezeich— 
ieten Karte. Von der Station Friedrichsthal bis 
Tindsbach waren in den letzten Monaten des ver 
sangenen Jahres folgende Preise zu verzeichnen: 
Okt. 28 Irs. und 12. 10 M. 53, 10 Irs. * zus. 81,30 Frs 
Nov. 28 Fres. und 12,40 M. »5.80 Frs. — zus. 1600, — Frs 
Dez. 28 Frs. und 12,40 Vt. 6.0 Frs. — zus. 108. 60 Frs. 
Der Preis dieser Karte ist in dem bezeichneten 
Zeitraum mithin um 18.5 Prozent teurer geworden 
htehr als der fünfte Teil des Eünkom— 
nens muß für Fahrgeld ausgegeben 
werden. Nach Abrechnung der Fahrtausgaben 
oleibt auch dem bestentlohnten Hauer zum Unterhalt 
ciner Familie nur noch ein Betraͤn nan 65 his 
38 Mark. 
Die deutschen Arbeits- und Lohnvperhältnisse sind 
chon unzureichend. Troßdem erhält der Arbeitslose 
nehr an Erwerbslosenunterstützung als der Saat: 
Bergmann verdient. Es gelten in fraglichen Ge 
ieten die nachstehenden Sätze: 
Arbeitslose mit 2 Kindern 16.50 1. d. Woche. im Mo— 
nat 66. — M. (alte Betechnung) 
Itbeilslose mit 2 Kindern 19.68 1. d0. Woche, im Ma 
43 78 29 y Vrenunrn 
rgebnis der Knappfchastswuhl 
Ergebnis der Knappschastzma 
Nachstehend bringen wir das Ergebnis in den eln— 
jselnen Sprengeln zur Kenntnis unserer Mitglieder 
Die zersplitterten Stimmen haben wir weggelassen 
weil sie am Gesamtergebnis nichts ändern. Die 
Stimmen sind so angegeben, wie sie sich nach den uns 
gewordenen Meldungen unter Vergleich mit den bei 
der Knappschaftsverwaltung eingegangenen Rejsul— 
taten ergaben. Die Sprengel, in denen ein Tei! 
unfserer Mitglieder versagte, wodurch 
allein das Mandat an den alten Verband fiel, sind 
im Druck ausgezeichnet. Von der abgegebenen Ger 
samitstimmenzahl (ungültige und zersplitterte 
sind weggelassen) in Höhe von 45 467 erhielt der 
Gewerkverein nebst christlichen Grubenhandwerkern 
21894 gleich 48.2 Prozent und der alte Verband 
nebst übrigen frei Organisierten 23573 gleich 51,8 
Prozent. Bei der Aeltestenwahl des Saarbrücker 
Kuappschaftsvereins im Jahre 1920 war das Ver— 
hältnis: Gewerkverein 443 und Verband 55,5 Proz. 
bei der Aeltestenwahl des genannten Vereins 1923 
Gewerkverein 43,3, Verband 55.9, „Becker-Krämier— 
verband“ und sonstige Kandidaten 0,8 Prozent. Der 
„Becker-Krämerverbaud“ trat diesmal nicht mehr in 
die, Erscheinung: er ist vollständig ausge— 
tilgit, ein Beweis, daß die Saarbergleute mit Ker— 
rätern und frankophil eingestellten Menschen nichts 
goemein haben wollen. Gegenüber den beiden Nach— 
kriegswahlen hat der Gewerkverein einen erheb— 
lichen Stimmenzuwachs erzielt. Aber immel 
ist noch nicht das Stimmenergebnis erreicht worden 
das ihm zufsteht. Rund 24000 Stimmen wären auf 
die christlichen Kandidaten entfallen, wenn in den 
gekennzeichneten Sprengeln ein Teil der Mitglieder 
aus oft recht kleinlichen Gründen, nicht versagt hätte 
In diesem Falle wären dem Gewerkverein nebs! 
Hristlichen Grubenhandwerkern übetr die Hälft 
sämtlicher Mandate zugefallen. Der 
Vorsprung. den der alte Verband sowohl an Stim— 
men⸗- wie Mandatszahl erzielte, verdankt er nur dewn 
Jeit unserer Mitglieder, die keine Parole hielter 
und die Piszinlian achen An nnnma
	        
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