Nummer 34
Saarbrücken, den 21. August 1926
7. Zahrgang
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Organ des Gewerkvereins christl. Bergarbeiter Deutschlandos für das Saargebiet
A jeden Samstag für die Mitglieder gratis. 2 Für wirtschaftliche u. geistige Selung ——— * eepeen re 2
e d Irtnt wreee ee des Bergarbeiterstandes eee eeee ee an
Du sollst an Deutschlands Zukunft glauben,
An deines Volkes Aufersteh'n.
Laß diesen Glauben dir nicht rauben.
Trotz allem, allem, was gescheh'n.
Und handeln sollst du so, als hinge
Von dir und deinem Tun allein
Das Schicksal ab der deutschen Dinge
Und die Verantwortung wär' dein Fichte.
— J
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Nicht müde werden!
„Nicht müde werden“, das war das Losungswort
—E0
schaftsbewegung immer wieder selbst zuriefen, wenn
die riesenhaften Schwierigkeiten, die sich vor ihnen
auftürmten, die schier zu erdrücken drohten. Dies«
Selbstanfeuerung gab dann auch den Pionieren der
Arbeiterbewegung neuen Mut, allen Schwierigkeiten
zu trotzen und ihr Werk im Interesse der Arbeiter
chaft mühsam Schritt für Schritt voran zu treiben
Damals wurden die Schwierigkeiten nicht nur auf
getürmt von Unternehmern, Behörden, Bürgerschich
len, nein, in großem Ausmaße auch von den eigenen
Arbeitskaͤmeräden. Schlimme Teilnahmslosigkeit hiell
weiteste Arbeiterschichten gefangen und ließ sie zu ge⸗
ährlichen Feinden des aufstrebenden Teiles des Ar—
deiterstandes werden. Sie gaben sich oft dazu her, den
Pionieren der Gewerkschaftsbewegung das Leben und
Opferbringen für die gesamte Arbeiterschaft recht
sauer zu machen. Weite Teile schlossen sich den gelben
Werkvereinen an und ließen sich unmittelbar als
Stoßtrupps gegen ihre gewerkschaftlich organisierten
Kameraden mißbrauchen. Das war wohl die bitterste
Seite im Leben unserer opfermutigen Vorkämpfer
von den eigenen Kameraden nicht nur im Stiche ge—
lassen zu werden, sondern von ihnen noch direkte Be
kämpfung zu ersahren. Und doch wurden sie nich!
müde in dem Streben, die Eewerkschaftsbewegung
und damit die Sache des ganzen Arbeiterstandes hoch
zu bringen. Sie wuchsen in dem vielfältigen Kampfe
den sie gegen verschiedene Fronten zu führen hatten.
Mutlosigkeit und Verzagtheit bannten sie, obschon sie
beine groͤßen Erfolge zu buchen hatten. Der Glaube
hielt sie aufrecht, daß das Gute sich mit der Zeit doch
Bahn brechen und Erfolge zeitigen werde.
Der Glauübe der alten Pioniere war nicht auf Sand
zebaut. Wenn man auch nicht direkt mit den Gewerk—
schaften verhandelte, so mußten Unternehmer und
Staat doch die Forderungen der Gewerkschaften respek—
tieren. Die deutsche Sozialversicherung hätte niemals
den Ausbau erfahren, den sie bis Ausbruch des Krie—
ges erfahren hat, wenn nicht als treibende Kräfte die
Hewerkichaften gegeben gewesen wären. Die ganze
deutsche Arbeiterschaft. mochte sie freundlich oder
feindlich der Gewerkschaftsbewegung gegenüberstehen
hat es nur ihr zu verdanken, wenn sie in der Hochzeit
des Krieges nicht nach militärischem Muster komman—
diert wutde. Als nunmehr Not an den Mann ging
und die Erfolge der Gewerkschaftsbewegung „greif—
barer“ vor Augen traten, da fanden gar viele ehe—
maltige Gegner den Weg ins Gewerkschaftslager. Es
schien. als ob die alte Teilnahmslosigkeit, diese Erz—
fein din der Arbeiterschaft. aünzlich verschwinden
würde.
Und erst bei Zusammenbruch des Krieges und der
alten Gewalten! Der letzte Arbeiter zeigte sich nun
gewerkschaftsfreundlich. Ueber Nacht wuchsen die Ge—
werkschaften mit unheimlicher Schnelligkeit in die
Breite. Die Erfolge wurden nun besonders „greif—
bar“ und häuften sich tagtäglich. Was vor wenigen
Mongaten noch als Utopie, golt, wurde Wirklichkeit
Jetzt einpfand man es allerseits dankbar, daß die
alten Vrontiere nicht müde geworden waren und von
den riesenhaften Schwierigkeiten sich nicht hatten
überwältigen lassen. Denn das dürfte doch jedem ein—
leuchten, daß auch troß „Revolution“ die Arbeiter—
ichaft niemals die Fortschritte gemacht hätte, wenn die
Beweckichaftsbewegung nicht vorhanden gewesen
wäre. Obne sie wäre die Revolution in einem Chao—
teendet. das die Arheitersichaft zuerst verschlungen
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hätte. Die Erfolge fielen etwas gehäuft und zu
mühelos der Arbeiterschaft anheim. Die Neu—
gewerkschaftlet glaubten, das ginge so nun
weiter. Sie hatten ja die mühevollen Kämpfe nich
mitdurchkostet, die früher auch des kleinsten Fort
schrittes wegen geführt werden mußten. Aber die da
für gebrachten großen Opfer ließen auch den kleinsten
Erfolg im rechten Lichte erschesnen. Reine Freud—
öste er aus, weil er als sichtbarer Belohnungsaus
»ruck für gewerkschaftliche Treue und Beharrlichkeit
angesehen wurde. Die alten Kämpfer wußten, daf
ruf große Fortschritte hin, die vielfach nur wegen der
Angstpsychose“, in der sich weiteste Schichten der
früher Herrschenden in der unmittelbaren Nachkriegs
seit besanden, der Arbeiterschaft üne e ein
Rückschlag eintreten werde. Sie stellten sich darau'
zin, zumäl sie sahen, daß gar viele Neugewerkschaftler
in wildem Radikalismus sich verloren, der nachher im
tumpfer Gleichgültigkeit endete. Mit aller Kraft er—
ttrebten sie die innere Festigung der Gewerkschaftsbe
wegung und waren sie und viele junge Kräfte be
strebt, durch Mehrung ihrer geistigen Fähigkeiter
von der erxungenen Volnten möglichst viel zu be
halten.
Der Rückschlag ist gekommen. Aber nicht in dem
Ausmaße, wie die reaktionären Kräfte des Volkes es
wollten. Wenn auch manche Geschehnisse, wie Ruhr—
kampf, Inflation u. a. m. die Kraft der Gewerkschafter
geschwächt hatte, so reichte deren Kraft doch noch aus
die reaktionäre Welle zum Stehem und zum Zurück
ebben zu bringen. Während des Kampfes mit der
Reaktion nun wurden aber viele Arbeiter müde, sie
verloren den Glauben in die eigene Sache und wur—
den somit wieder die schlimmsten Feinde ihrer eigenen
Kameraden. Das ist bitter, darf uns aber nicht ab—
halten, nach wie vor die Müdigkeit, die jeden mal zu
überwinden droht, zu bannen, wollen wir nicht alles
preis geben, was maͤt vielen Opfern erstritten wurde
Auch im Saargebiet durchleben wir gegenwärtig
eine schwere Zeit. Sie wird um so schwerer empfun—
den, weil in der deutschen Inflationszeit uns
manches Herbe und Bittere erspart blieb
Einsichtige erkannten es damals schon, daß es
nicht immer so bleiben werde. Andere hingegen
meinen, die Gewerkschaftsbewegung müsse die
Sterne in einer Nacht vom Himmel holen
und alles Leid und alle Not bannen können. Gelingt
das nicht, weil die Verhältnisse größere Fortschritté
zur Zeit mit dem besten Willen nicht erreichen lassen
verfallen sie der Gleichgültigkeit. Wo auf die Gewerk
schaftsbewegung geschimpft wird, stimmen sie munter
mit ein. Der erstbeste Anlaß wird auch benutzt, schnel
der Gewerkschaftsbewegung den Rücken zu kehren. O
wie erbärmlich schlecht ginge es der Arbeiterschaft,
wenn alle Arbeiter mutlos würden und die Flinte
ins Korn würfen! Dann regierte und triumphierte
die vielfältige Gegnerschaft eines aufrechten und vor—
wärtsstrebenden Arbeiterstandes, die Gegnerschaft, die
mit wahrem Behagen auch die kleinste Verfehlung
von gewerkschaftlicher Seite ausbeutet, um die Ar—
beiterschaft von der Gewerkschaftsbewegung wegzu—
treiben. Es ist ein Jammer, daß die Arbeitet insge—
'amt dieses Treiben nicht durchschauen und viele ihr
Ohr oft lieber denen leihen, die sie wieder ins alte
Hörigkeitsverhältnis stoßen wollen, als den Kamera—
den, die treu und mutvoill, ohne müde zu werden, für
die Sache der Arbeiter tätig sind. Arbeiter, die mif
offenem Blick die Geschehnisse zu würdigen verstehen
werden wissen, daß der Aufstieg eines Standes nie
gradlinig nach oben geht. Die Aufstiegslinie zeigt
biele Kurven, die Hauptsache aber ist, daß es doch auf
wärts geht. Und aufwärts ist die Arbeiterschaft ge—
stiegen, wenn uns auch heute die wirtschaftliche Miser«
schwer drückt. Auch sie wird überwunden werden
weunn wir uns nicht selbst aufgeben. Rufen wir un⸗
daber alle das Losungswort der Alten immer wieden
zu: Nicht müde werden! Ueberwinden wir dite
ich breitmachende Gleichgültigkeit in Kreisen der Ka
neraden, damit die Zukunft uns nmicht noch schlimmere
Zoiten beschert. Nur der ist verloren, der sich selbs'
»erloren gibt. Vergessen wir das nicht, dann wird
ins keine Gewerkschaftsmüdigkeit und Gleichgültigkeit
æfallen.
J
9 * ⸗
„Gewinnt die cristlichen Arbeiter!
Diese Parole gibt die kommunistische „Arbeiter⸗
zeitung“ vom 8. Juni d. J. aus. Durch einen „wirk⸗
samen“ Aufklärungskampf soll folgendes Ziel edreicht
werden:
1.. restlose Ueberführung der christlichen Arbeiter in
die freien Gewerkschaften;
2. Loslösung der christlichen Arbeiter von den
Zentrumsführern.
Der „wirksame“ Aufklärungskampf soll andere
Formen haben als der, den die freien Gewerkschaften
früher gegen die christlichen Gewerkschaften führten.
Die „Arbeiterzeitung“ meint vecht naiv, die restlose
Gewinnung der christlichen Arbeiter sei 3 beson⸗
ders schwer, „wenn mit der alten sozialdemokratischen
Gewohnheit des Streites über Gott und Himmel ge—
brochen und den christlichen Arbeitern praktisch ge«
zeigt wird, daß die freien Gewerkschaften ihre Aufa
gaben nicht in weltanschaulichem Streite, sondern in
geschlossenem Kampfe um die Verbesserung der Lohn⸗
uͤnd Arbeitsbedingungen sehen.“ Jede kommunistische
„Zelle“ bekommt die strikte Anweisung, in diesem
Sinne die christlichen Arbeiter zu bearbeiten und für
die freien Gewerkschaften zu gewinnen. Die kommu⸗—
nistischen Agitatoren müßten sich mit Material „be⸗
waffnen“, um die „verräterische“ Haltung der „christ⸗
lichen Gewerkschaftsführer“ und die „Arbeiterfe ind⸗
lichkeit“ des Zentrums zu beweisen. Das sei nützlicher,
als das Gesprächsthema „Religion und die Pfaffen“,
das heute meistens unter den Genossen geführt würde
und direkt schädlich sei.
Man muß staunen über die Unverfrorenheit, dia
sich in dem Aufrufe der „Arbeiterzeitung“ offenbart.
Um die christlichen Arbeiter irre zu führen, soll der
Pferdefuß „Religionsfeindlichkeit“ geschickt verborgen
und auf die gemeinsame Nöte hingewiesen werden,
unter der alle Arbeiter leiden. Mit keinem Worte
gibt die „Arbeiterzeitung“ kund, daß die religiöse und
politische Ueberzeugung der christlichen Arbeiter auch
volle Würdigung und Respektierung fände, wenn sie
ich den freien Gewerkschaften mit stark kommunistis
chem Einschlag wirklich anschlössen. Geradezu köstlich
st das Eingeständnis, daß die freien Gewerkschaften
ie christlichen Arbeiter abstoßen mußten wegen ihres
Streites über Gott und den Himmel“, was bekannt⸗
lich von den freien Gewerkschaften selbst immer wie—
der zu bestreiten versucht wird. Allerdings sind die
Kommunisten nicht die Berufenen, den freien Ge⸗
werkschaften wegen dieses Verhaltens eine Straf—
epistel zu lesen. Käme es auf sie an, dann würde jede
Religion mit Stumpf und Stiel ausgerottet. Das
Gesprächssthema der „Genossen“ über „Religion und
die Pfaffen“ soll ja auch nur vorübergehend aus
Zweckmäßigkeitsgründen unterbleiben, und zwar so—
lange, bis nach Meinung der „Arbeiterzeitung“ die
christlichen Arbeiter für die freien Gewerkschaften ge—
ködert wären. Sobald das geschehen wäre, setzten die
bekannten „Erziehungsmethoden“ schon ein, auch die
christlichen Arbeiter der Religion und der Kirche zu
entfremden. Das Vorgehen der „Arbeiterzeitung“
entspringt ja gar nicht großem Besorgtsein um die
Lage und das Geschick der Arbeiterschaft, sondern dem
Bestreben, auf dem Umwege über die freien Gewerk—
schaften auch die christlichen Arbeiter für die politischen
Ziele des Kommunismus zu gewinnen. Unermüdlich
sind doch die Kommunisten bdestrebt, die freien Ge—
werkschaften mit ihrem politischen Geiste zu durch—
tränken und zu Stoßtruppen für ihre politischen Ziele
zu machen. Noch jede Tagung der freien Gewerk—
schaften — auch die 25. Generalversammlung des
alten Verbandes in Saarbrücken — hallte wider von
scharfen Auseinandersetzungen, die durch die kom—
munistischen Teilnehmer heraufbeschworen werden,
weil die freien Gewerkichaften sich bis heute der kom—
munistischen Bevormundung noch erwehren konnten.
Durch dieses Verhalten und Vorgehen der Kommu—
nisten werden die freien Gewerkschaften in ihrer Auf—
zabenerfüllung doch nicht gestärkt. Im Gegenteil, viel
Zeit und Kraft wird dem politischen Meinungs—
treit innerhalb der freien Gewerkschaften geopfert.
Daran tragen doch in erster Linie die Kommunisten
die Schuld. Wenn sie wirklich bestrebt sein wollten
etwas Nützliches für die Arheiter ꝛu tun dann müß